Resident Evil auf dem Gamecube: Alte Seele in neuem Fleisch.

Was die RE-Reihe eigentlich zum Erfolg geführt hat: Nicht die Puzzles, nicht das Schießen, Hauen, Stechen und auch nicht das spritzende Blut und die platzenden Köpfe - sondern die Besetzung virtueller Räume mit Angst

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Fast das Schönste am Geisterbahnfahren ist der Moment ganz am Anfang, kurz bevor das Wägelchen die erste Tür aufstößt. Wenn die Fantasie noch für ein paar Sekunden Gelegenheit hat, sich ungestört von der schnöden Pappmaché-Realität auszumalen, was an Schrecken im Dunkel hinter dieser Tür lauern mag. Wenn der Raum dahinter noch ganz im Kopf ist; schwarz und groß und nicht gefüllt mit Schienen, Motoren, Schaltern, Mechanik sondern mit echter, lebendiger Angst...

Auch im Gamecube-Remake des ersten Spiels gibt es sie noch, die berühmten Türen der RESIDENT EVIL-Reihe. Die die Zimmer, Gänge, Gärten voneinander trennen und die sich jedesmal langsam und bildschirmfüllend auftun, wenn man von einem dieser Räume zum anderen wechselt. Auf der Playstation waren sie ursprünglich technische Notwendigkeit - ein eleganter, die Illusion konsistent haltender Ersatz für die "Loading..."-Bildschirme, die in anderen Spielen das Laden des nächsten Abschnitts üblicherweise begleiteten. Der Gamecube hätte sie nicht mehr zwingend nötig, jedenfalls nicht in dieser Häufigkeit und Länge. Aber sie gehören einfach zum Spiel, sind integraler Bestandteil dessen, was die RE-Reihe eigentlich zu dem riesigen Erfolg geführt hat, der sie ist: Nicht die stereotypen Puzzles, nicht das umständliche Schießen, Hauen, Stechen, und auch nicht das spritzende Blut und die platzenden Köpfe - sondern das Erzeugen einer Atmosphäre der bangen Erwartung, die Besetzung virtueller Räume mit Angst.

Die wahre Bedrohung liegt knapp außerhalb des Sichtfelds

Man könnte sich streiten, ob "Resident Evil" auf dem Gamecube das erste ECHTE Remake der Videospielgeschichte ist - inwieweit die vor ein, zwei Jahren populären Neuauflagen alter Arcade-Klassiker wie PONG, SPACE INVADERS, CENTIPEDE, FROGGER nicht eher neue Spiele zur Ausschlachtung berühmter Lizenzen waren. Wohl aber dürfte es das erste Remake sein, das eine konsequente und bewusste Neuinszenierung eines älteren Games ist, die durchgängig mit ihren Parallelen und Differenzen zu diesem spielt. (Wer so RICHTIG prätentiös werden will, darf jetzt auch gerne den Deleuze zücken, von wegen "Wiederholung und Differenz". Muss aber nicht sein.) Die Gamecube-Version hat ihren Playstation-Urahn konstant im Hinterkopf. Zwar funktioniert sie für alle Neueinsteiger zweifelsohne auch absolut schlüssig als eigenständiges Erlebnis. Von allen Kennern der ersten Fassung erwartet sie aber sichtlich, quasi wie bei einem stereoskopischen Bild gleichzeitig zur neuen Welt auf dem Bildschirm mit dem inneren Auge die erinnerten, alten Räume im Blick zu behalten, um durch die Verschiebungen eine zusätzliche Dimension zu entdecken.

Am offensichtlichsten ist das, wenn sich einige der berühmtesten und memorabelsten Schockeffekte der Urversion nicht einfach wiederholen, das Spiel aber mit hinterlistigem Augenzwinkern merken lässt, dass es genau weiß, worauf die Spieler an der entsprechenden Stelle warten. Aber nicht nur an den Unterschieden in all ihren zahlreichen Ausformungen und Abstufungen ist es ablesbar, sondern auch an den Gemeinsamkeiten: Was im Remake an Bekanntem zurückkehrt, tut dies sehr oft mit dem Impetus des bewussten Wiedererkennungswerts, ja geradezu der Nostalgie. Alle, welche die Gamecube-Version als bloße Wiederkäuerei abtun wollen, haben nicht nur deshalb Unrecht, weil sie tatsächlich erhebliche Differenzen zum Original aufweist - sondern allein schon, weil die Rückkehr des Vertrauten in ihr durchaus eine eigene Qualität erlangt, die gar nichts mit "Kennen wir schon, brauchen wir nicht" zu tun hat. Darin unterscheidet sich dieses Spiel in nichts von gelungenen "Remakes" in Literatur, Kunst, Musik oder Film.

Weshalb das Gamecube-RE auch ein schöner Beweis dafür ist, dass das Medium Videospiele inzwischen in einer Phase ist, wo seine Geschichte, sein Repertoire längst reichhaltig genug, seine Selbst-Bewusstheit groß genug ist, um einen Bezugrahmen zu bieten für gar nicht so unkomplexe intertextuelle Wirkungsstrategien. Wenn Games leider derzeit den Rest der Welt und der Kultur noch immer (und man hat oft sogar das Gefühl: mehr denn je) gar zu ausschließlich mit den Scheuklappen adoleszenter Buben-Fantasie sehen, so treten sie doch wenigstens mit sich selbst inzwischen immer öfter in spannende Dialoge.

Der größte Unterschied was Struktur und Ablauf des Spiels angeht ist, dass es von den meisten Dingen im Remake nun schlicht mehr gibt: Mehr Gegenstände, für Puzzles benötigt, die entweder eine Ebene verschachtelter geworden sind oder überhaupt neu hinzugekommen, mehr Monster, mehr Räume - und zwar inklusive eines ganzen zusätzlichen Areals. Zu den Geschichten am Rande, die man aus aufgelesenen Dokumenten erfährt, den Schicksalen des an den unheilvollen Biowaffen-Experimenten beteiligten Personals, gesellt sich in diesem Areal eine neue, umfangreiche, schön tragische und aktiv das Spielgeschehen beeinflussende - die sozusagen buchstäblich in Zwischen- und Nebenräume zur Struktur des alten Spiels geschrieben wird: Videospiele sind nun mal, auch wo sie narrativ werden, zuallererst ein Medium der (virtuellen) Räumlichkeit.

Zusätzliche Geschichten bedeuten zusätzliches Territorium

All diese Erweiterungen, Ergänzungen stellen sicher, dass selbst RE-Veteranen auch über den ziemlich gründlichen "Remix" der vertrauten Elemente hinaus noch dauernd etwas zu entdecken haben, dass sich nie ein Gefühl der völligen Vertrautheit breit machen kann; dass die Erwartung des Kommenden selbst bei guter Kenntnis des Originals sich ihrer selbst niemals sicher sein kann. Nicht, weil sie sich niemals bestätigen würde - sondern weil sie es unvorhersehbar manchmal tut und manchmal nicht.

Das "Mehr" ist für das Spiel aber nicht uneingeschränkt auch ein "Besser". Fast jedes Puzzle ist nun um eine Drehung umständlicher geworden. Manchmal verlangt es nur, einen Gegenstand im Menubildschirm noch zu inspizieren und manipulieren, bevor man ihn verwenden kann; des öfteren muss man aber sogar ein Teil mehr finden, um ein Puzzle zu vervollständigen. (Typisches Beispiel: Den Noten zur Mondscheinsonate, die für ein "Rätsel" - das diesen Namen kaum verdient - benötigt werden, fehlt nun eine Seite. An anderer Stelle ist der Unterschied jedoch buchstäblich dramatischer: Die Szene mit den Haien im unterirdischen Tank, im Original eine eher unspektakuläre Randerscheinung, die sich mit einem Schalterdruck erledigt hatte, ist im Remake zu einer der wunderbar theatralischsten und effektivsten Sequenzen des Spiels ausgebaut.)

Bis man das spieleröffnende Herrenhaus erstmals hinter sich lassen kann, ist so eine ganze Reihe zusätzlicher Fundstücke aufzustöbern und ein neuer Boss-Fight zu absolvieren. Das bedeutet einiges an zusätzlichen Wegen, die aber fast alle durch bereits erobertes Terrain führen - die Zahl der Räume ist nicht proportional gewachsen zur Zahl der Besorgungsgänge. Das war aber schon immer die schwächste Seite der RESIDENT EVIL-Spiele - wieder und wieder durch Zimmer und Gänge rennen zu müssen, die keine Überraschungen und Gefahren mehr bergen, die jede emotionale Aufladung längst verloren haben. Auch davon bietet das Remake nun ungleich mehr, speziell das Herrenhaus-Areal hat darunter zu leiden - an einer Stelle lässt das Spiel sogar einen Türknauf brechen und zwingt somit fürderhin zu einem besonders nervigen Umweg. Dabei rächen sich dann auch die anfänglich erwähnten Türen: Sie werden zum retardierenden Moment ohne jeden Spannungsgewinn; die Räume dahinter sind bekannt, und es wäre keine schlechte Idee gewesen, spätestens nach dem dritten oder vierten Durchschreiten einer Tür auf die (technisch wie gesagt nicht mehr notwendige) Animation zu verzichten.

Freilich war dieses Erzwingen wiederholten Durchquerens bekannten Terrains schon immer ein kaum vermeidbares Mittel der Spielzeitstreckung: Entwurf, grafische Ausgestaltung und technische Realisierung jedes neuen Raums gehören zweifelsohne zu den arbeitsaufwendigsten Prozessen beim Design der RESIDENT EVIL-Spiele; das Erkunden eines solchen Raums dauert beim Spielen hingegen höchstens wenige Minuten. Umgekehrt ist ein nötiger Gegenstand durch die Designer ganz schnell so platziert, dass die Gamer gehörige Zeit durch eigentlich schon ausgereizte Räume rennen müssen, um zu diesem zu gelangen. Je öfter ein Zimmer, Gang so mehrfach genutzt wird, desto mehr amortisiert sich der anfängliche Designaufwand - jede Minute Aufenthalt in einem vertrauten Raum ist aus Sicht der Designer quasi eine Minute Spielzeit gratis.

Es ist, zugegebenermaßen, nicht so, dass die Designer des Remakes das Problem überhaupt nicht erkannt hätten: Sie haben durchaus ein wenig am Gameplay geschraubt, um auch bereits durchquerte Räume zu Horten von Gefahr und Angst zu machen. Leider aber wird durch diese "Lösung" das Problem nur verschlimmbessert: Anders als im Original, lösen sich einmal mit Waffengewalt unschädlich gemachte Zombies nicht in Luft auf. Wurden sie nicht durch einen besonders gezielten Schuss ebthauptet, bleiben ihre "Leichen" (oder wie heißt das, wenn Untote tot sind?) an Ort und Stelle liegen, um zu späteren Zeitpunkten als "Crimson Heads" - besonders schnelle und beißwütige Zombies - noch einmal aus ewigem Schlaf aufzustehen und wandeln (respektive: staksen). Was den Adrenalinpegel prinzipiell auch während der vielen "Hol das Schlüsselchen! Braver Spieler! Lauf!"-Aktionen länger hoch halten könnte.

Wäre da nicht Folgendes: Wer lieber vorbeugen möchte als nachher einen Doppelt-Untoten mit hochrotem Kopf an der Halsschlagader hängen zu haben (und das empfiehlt sich dringend, denn die Kameraden sind wirklich lästig), muss die scheintoten Normalzombie-Kadaver mit Kerosin übergießen und mit dem Feuerzeug entfachen. Was verlangt, zwei Gegenstände in den berühmt knappen Inventory-Slots zu haben - mal abgesehen davon, dass der Kerosin-Flachmann immer wieder an in speziellen Räumen postierten Kanistern nachgefüllt werden will. Und das heißt im Klartext: Noch viel mehr fröhliche Botengänge durch schon mehrfach betretene Räume, die danach dann doch wieder bedrohungsfrei sind...

Neben der Neuauflage auf dem Gamecube nimmt sich die originale Playstation-Fassung aus wie eine Kinderzeichnung neben einem Rembrandt

Diese eher unglücklichen Gamedesign-Entscheidungen können allerdings den bestimmenden Gesamteindruck nur unwesentlich trüben, und der ist: Neben der Neuauflage auf dem Gamecube nimmt sich die originale Playstation-Fassung aus wie eine Kinderzeichnung neben einem Rembrandt. (Eine Kinderzeichnung mit, unleugbar, ihrem ganz eigenen Charme, aber dennoch...) Und das hat nur teilweise mit der immensen technischen Überlegenheit einer neuen Konsolen-Generation zu tun.

Einerseits geht es hier schlicht um eine Frage des Aufwands, und damit des Produktionsbudgets. Das Original erschien zu einer Zeit, als die japanische Traditions-Spieleschmiede CAPCOM in einer Krise steckte und das neuartige Spiel für die Newcomer-Konsole Sonys ein gewisses Hasard-Manöver bedeutete. Als BIOHAZARD (der japanische Original-Titel) zum durchschlagenden Erfolg wurde, zeigte CAPCOM (um endlose Fortsetzungen jedes seiner Hits nie verlegen) mit den beiden Nachfolgespielen schon, dass - sobald sicher zu erwartende Monster-Verkaufszahlen eine größere Investition in die Entwicklung erlaubten - auch auf der Playstation Geschliffeneres und Polierteres möglich war. Mittlerweile sind die finanziellen Standards für Prestige-Spiele wie das Gamecube-RESIDENT EVIL auf dem Niveau mittlerer Hollywood-Produktionen angekommen, und das macht sich Konsolen-unabhängig bemerkbar. In einem einzigen Raum des Remakes dürften mehr Arbeitsstunden stecken als in einem kompletten Areal der Ursprungs-Fassung.

Außerdem hat der RE-Urahn nun ja auch mittlerweile drei Fortsetzungen gezeugt ("Director's Cut" und ähnliche Varianten eben so wenig mitgezählt wie die Spinoffs in der GUN SURVIVOR-Serie). Von einigen der Verbesserungen und behutsamen Innovationen, die sich da unterwegs angesammelt haben - sowohl stilistisch als auch in simplen, aber für Spielfluss und Frustrationsfaktor entscheidenden Dingen wie der Menugestaltung - profitiert nun auch die Reinkarnation des Stammvaters. Was diese aber vor allem auszeichnet - und auch das hat zunächst nichts mit Prozessorleistungen zu tun - ist ein ganz immens gewachsenes Stilgefühl und eine klarere Konzeption davon, was den entscheidenden Reiz der RESIDENT EVIL-Reihe ausmacht.

An der Grundstruktur des Spiels hat sich, wie gesagt, nichts Bemerkenswertes geändert. Noch immer stapft man als Mitglied der parapolizeilichen Spezialeinheit S.T.A.R.S. (wahlweise, mit leicht unterschiedlichen Szenarios, "Jill Valentine" oder "Chris Redfield") durch von Zombies und anderen Monstren überranntes Territorium - zunächst ein Herrenhaus, dann Gärten, dann ein Laborkomplex - das sich einem nur zäh und schrittweise öffnet, durch Finden und Kombinieren von Gegenständen. Es ist eine Geschichte von den Kräften der Ordnung im Reich des Unheimlichen, ein Spiel um mühsame Eroberung von Raum durch Ratio und Gewalt.

Der Verstand ist es, der neue Räume aufschließt, die Gewalt ist es, die sie erschließt

Nur selten bedarf es wirklicher Logik, wahrer Kombinationsgabe, um den Mechanismus auszulösen, der wieder eine oder ein paar weitere Türen entriegelt: Die "Puzzles" beruhen zum allergrößten Teil auf dem Prinzip des "Gleich zu gleich gesellt sich gern", auf dem Zueinanderbringen sich entsprechender Dinge. Man kann darin ganz nach Belieben die Fortschreibung sehen archaischer magischer Vorstellungen - was legitim und reizvoll zugleich wäre: Im Kontext der dargestellten Welt des Spiels haben die Puzzles - obgleich in sich "vernünftig", klar nachvollziehbaren Regeln gehorchend - etwas komplett Irrationales; all die barocken Sperrmechanismen haben keine sinnvolle Erklärung, will man sie ernst nehmen als von Personen der Spielwelt entworfen und installiert. Oder man betrachtet das Puzzle-Grundprinzip einfach nur als e-Games-Äquivalent zu Lernspielzeug für Kleinkinder - da gehört auch immer das fünfeckige Klötzchen ins fünfeckige Loch.

Was die Gewalt angeht, mit der dafür gesorgt wird, dass einmal zugänglich gemachte Räume von allen Untoten, Zombie-Dobermännern, Riesenschlangen usw. befreit werden, so ist sie RESIDENT EVIL-gewohnt blutig, aber ebenso harmlos. All jene, die das Spielen von RE als Amoklauf-vorbereitende Maßnahme sehen, weil man da ja unter anderem auf menschenähnliche Wesen schießt, haben ganz offensichtlich noch bei keinem Teil der Reihe tatsächlich mal den Controller in der Hand gehalten: Selbst wer einen Zusammenhang postulieren möchte zwischen medialen, gewalthaltigen power fantasies und realer Gewaltbereitschaft muss eingestehen, dass RESIDENT EVIL da eher schlecht hineinpasst.

Das Spiel war noch nie ein rechtes Actionspiel und ist es auch nicht geworden; der Rhythmus, schon immer eher behäbig, ist im Remake eher noch langsamer, das Feeling der legendär hakeligen Steuerung nur ein wenig runder, die Munition knapp wie eh und je. RE ist ein Spiel, das viel vom Gefühl latenter Panik und Bedrohung lebt, und so haben die Designer auch in den Kämpfen nie ein rechtes Gefühl von Überlegenheit und Unverwundbarkeit aufkommen lassen. Zwar kann in den späteren Stadien des Spiels ein spritziger Volltreffer mit einer der explosiveren Waffen schon diesen gewissen Kindergeburtstags-Kick geben, wenn etwas so richtig schön "Bumm!" und "Pflatsch!" macht - aber oft (und gerade auf den höheren Schwierigkeitsstufen) sind die Kämpfe nur schwer zu überleben und ein potentiell nerviges Hindernis im Spielfluss, dem man aus dem Weg geht wo immer möglich. (Was das Spiel gegenüber früheren RE-Episoden auch aktiv unterstützt: Es gibt nun zusätzliche - und keine Inventar-Plätze beanspruchende - Defensiv-Waffen, die ein Davonkommen erlauben, falls man doch mal einem Zombie in die Arme statt an ihm vorbei rennen sollte...)

Auch wenn noch immer einiges an Blut fließt und spritzt, wenn die beste Methode, einen Zombie zu stoppen, noch immer eine Kopfamputation mittels Schrotflinte ist, so nimmt sich das Remake gegenüber dem Original mit den exzessivsten Splatter-Effekten doch wieder etwas zurück: Freistöße mit dem Kopf am Boden liegender Zombies als Ball gibt es beispielsweise nicht mehr. Was vielleicht auch damit zu tun haben mag, dass CAPCOM von den internationalen Debatten um virtuelle Gewaltdarstellungen nicht unberührt geblieben ist, zumal auch in Japan neuerdings ein System für Altersfreigaben und Verbote für Videospiele etabliert wird.

Ausschlag gebender aber dürfte gewesen sein, dass die Designer um Shinji Mikami einfach stilsicherer geworden sind: Splatter und Slapstick sind sehr eng verwandte Gattungen, die Grenze vom einen zum anderen schnell überquert. Und der Kopf-Kick in der Playstation-Vorlage hatte mehr Humor als Horror, war wie die Pointe aus einem frühen Peter Jackson-Film. An unfreiwilligen Lachern war das Ur-RESIDENT EVIL ja ohnehin nicht arm, und obwohl sich das bereits mit dem zweiten Teil der Serie ziemlich erledigt hatte, ist das Gamecube-Spiel von diesem Teil seiner Wurzeln noch ein gutes Stück weiter entfernt. Freilich, das Voice Acting klingt noch immer nicht gerade nach Royal Shakespeare Company, aber es hört sich doch wesentlich überzeugender an als zu Playstation-Zeiten, wo Jills Sprecherin, wenn sie nicht gerade wie ein beleidigter Teenager nölte, Schwierigkeiten zu haben schien, selbst das Lachen zu unterdrücken. Und bei aller Nostalgie:

Klassische Dialog-Heuler wie "...you, the Master of Unlocking" haben die Wiederauferstehung des Spiels nicht überlebt

Die Liste der von Lächerlichkeit befreiten Details wäre beliebig fortzusetzen - der Intro-Film bietet hochklassige CGI statt einer Schulspieltruppe mit Videokamera; die Sirene am Ende klingt nicht mehr nach den Synthi-Bläsern einer '80er-Jahre-Popband; die Hunter sehen nicht mehr aus wie einem Lurchi-Heft entsprungen, und wehe dem, der sich drauf verlassen sollte, dass die nunmehr wirklich furchterregenden Viecher noch immer nicht das Treppensteigen gelernt haben... - aber das sind alles nur Einzel-Symptome eines übergeordneten Phänomens: Das künstlerische Design des Spiels ist sich insgesamt endlich bewusst geworden, was es eigentlich bewirken will, und es zieht jetzt nach Kräften in allen Bereichen in die gleiche Richtung - und zwar mit ausgereifteren und subtileren Mitteln als je zuvor.

Das zeigt sich schon in der Farbdramaturgie: Vom eher planlos bunten und hellen Ur-RE ausgehend hatte sich die Serie in dieser Hinsicht schon länger zu einem konzentrierteren, überlegteren, düstren Stil vorgearbeitet, aber im direkten Vergleich zum Gamecube-RE betrachtet wirkt das alles noch geradezu poppig. Die Palette ist extrem reduziert, es herrschen Grau-, Grün- und Brauntöne, die an Schimmel, korrodiertes Metall, bröckelndes Gemäuer, Blutergüsse unter fahler Haut denken lassen; Farben des Verfalls und der Verwundung, komplementiert vom Blau einer kalten Nacht, dem Weiß von Knochen und Mond, dem goldenen Schein von Feuer. Wie diese Farben eingesetzt werden, wie sie unterschiedlichen Räumen durch Dominanz gewisser Töne ihre eigene emotionale Konnotation geben, ohne im vorherrschenden Grundgefühl je einen Bruch entstehen zu lassen, das ist wirklich meisterhaftes Kunsthandwerk.

Der grafische Stil insgesamt bemüht sich höchst erfolgreich um einen scheinbaren Fotorealismus, der doch stets absichtsvoll den Touch eines Gemäldes behält. (Dass das Herrenhaus so voll und voll der gerahmten Bilder an der Wand ist, wirkt in dieser Version durchaus wie ein Moment der Selbstreflexivität.) War das ursprüngliche Spiel auch optisch eher an amerikanischem Kino (und speziell dem B-Movie-Horror-Genre) orientiert, meint man jetzt, eher europäische Malerei, besonders der Romantik, als wesentliches Vorbild zu entdecken - mit nur einem Hauch japanischer Horror-Manga-Einflüsse.

Wie es überhaupt scheint, dass dieses Spiel eine Reise antritt von seinen offensichtlichen Populärkultur-Wurzeln zu dem Urgrund, in dem diese wiederum ankern und sich (oft genug unbewusst) speisen: Nach wie vor ist dieses RESIDENT EVIL ein wahres Kompendium des (vor allem amerikanischen) Horror- und Actionfilms, das neben dem Haupt-Ideenspender, George A. Romeros schon klassisch zu nennender LIVING DEAD-Trilogie, Platz findet für alles von weißen Haien à la JAWS über Medizin-Horror-Anleihen bei COMA und die aus Film, Funk und Fernsehen mehrfach bekannten und beliebten Riesenspinnen, bis hin zu den Killerbienen aus dem eher obskuren THE SWARM. Aber das alles wird nun subsumiert unter einer Sensibilität, die durch und durch gothic ist - wichtiger als die Zombies ist das verwunschene Herrenhaus, Poe geistert mehr durch dieses Spiel als Romero.

RESIDENT EVIL hat sich endlich offen bei jener Tradition eingeklinkt, mit der es in bastardisierter Form schon lange geflirtet hat: Der guten alten (Schauer-)Romantik

Diese Ästhetik bestimmt nun wirklich alle auf dem Bildschirm sichtbaren Bereiche des Spiels - nicht nur die, die unmittelbar die unheimliche Spielwelt abbilden. Selbst das Item-Menu hat nun weniger die Aura einer computergenerierten Informationsübersicht als von etwas, das ein nicht ganz gesunder 19.-Jahrhundert-Erfinder gebastelt hat. Nur in einer Hinsicht scheinen mir die Designer mit dieser Vereinheitlichung des Stils etwas zu weit gegangen zu sein: Auch der Laborkomplex gegen Ende des Spiels sieht eher so aus, als wäre im Budget für geheime Biowaffen-Experimentierstationen kein Platz für Reinigungskräfte; es würde nicht wundern, wenn die böse Umbrella Corporation dort nebenher Forschungsvorhaben zum Studium von Wandschimmel am Laufen hätte. Der dramaturgische Effekt wäre aber vielleicht größer gewesen, wenn in diesem Areal zur Abwechslung dem Horror des Klinisch-Sterilen gehuldigt, wenn hier mit dem Grusel kalter, weißer Gänge gespielt worden wäre.

Unmittelbar mit der grafischen Präsentation und dem neu gewonnenen Stilgefühl in Zusammenhang stehend, aber mehr in noch tiefer sitzenden Dingen begründet, ist der eine Punkt, in dem das Gamecube-RESIDENT EVIL alle seine Vorgänger vollends übertrumpft und etwas zur Blüte treibt, das in der Serie von Anfang an angelegt war: Eben der einleitend angesprochene Umgang mit (virtuellem) Raum.

Das erste RESIDENT EVIL-Spiel auf der Playstation war noch sehr der Tradition klassischer Computer-Adventures im Stil von LucasArts oder Sierra verpflichtet: Viel von seiner Struktur hatte es daher übernommen - die Aufeinanderfolge ziemlich überschaubarer Räume, die abzusuchen sind nach Dingen, die verschoben, benutzt oder richtig kombiniert den Weg in den nächsten Abschnitt öffnen; das Inventar der mitgeführten Gegenstände mit seiner strengen Begrenzung - und hatte sich dabei auch in seiner Ästhetik noch entscheidend beeinflussen lassen. Was für RESIDENT EVIL zum Markenzeichen wurde - Polygoncharaktere, die sich durch eine statische, aus vorgerenderten Bildern bestehende 3D-Umgebung bewegen - war ja eigentlich nie etwas anderes als die um eine perspektivische Dimension bereicherte Fortsetzung des Prinzips der alten 2D-Adventures mit ihren mobilen Sprite-Figuren in gemalter, lediglich schein-interaktiver Landschaft. Das Ur-RE-Game hat erst relativ zaghaft realisiert, dass es dabei auch eine neue Ausdrucks-Dimension hinzugewonnen hatte:

War bei den 2D-Vorbildern Emotion grafisch noch fast ausschließlich durch das Design, die Farben, manchmal Bewegungen transportiert worden, konnte jetzt die Rauminszenierung selbst Träger von Gefühlen - was für RE hieß: Angst - werden. Für die klassischen Adventures war der (Bildschirm-)Raum etwas Funktionales - diente der raum-zeitlichen Verbindung der einzelnen Puzzles und sonstigen Herausforderungen, dem Verstecken und dem Auffindbarmachen der zum Weiterkommen nötigen Dinge zugleich, und letztlich auch als Gradmesser für das Weiterkommen selbst: Je mehr Bildschirmräume zugänglich und durchquert waren, um so fortgeschrittener war das Spiel. Dabei waren Design und Darstellung stets darauf ausgerichtet, die einzelnen Räume so vollständig und bruchlos wie nur möglich sichtbar zu machen; wo es ging nach dem Prinzip 1 Raum = 1 Bild.

Diese Einheit kündigte RESIDENT EVIL auf, mit seiner virtuellen Kamera, die ein System von fixierten Einstellungen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln etablierte, das Räume und Geschehen in mehrere Bilder zerlegte. In einzelnen Momenten entdeckte das Spiel schon damals, wie schön es sich so plötzlich gerade mit dem UNSICHTBAREN spielen ließ - von dem Diktat der Funktionalität prinzipiell befreit, waren manche Perspektiven absichtlich so gewählt, dass der Großteil des Raums dem Blick verborgen und damit den Angstfantasien weit geöffnet stand.

Das eigentliche Spielerlebnis bezieht sich aus der Inszenierung der Räume

Aber zu weit wagte sich die Playstation-Urfassung nie von ihrem Adventure-Erbe; ihre Welt war bis in die Winkel hell ausgeleuchtet, spärlich möbliert, hatte die Augen doch zuallererst darauf gerichtet, was aus Sicht der Spielstruktur wichtig war. Es blieb eine weitgehend funktionale Welt, die wenig kannte, was nur ornamental blieb oder unerforschbar. Ihre Gestaltung hatte als oberstes Ziel noch immer, die Spieler klar und stringent von einem Punkt zum nächsten zu führen, und das schlug von der Architektur bis zu den Kamerawinkeln immer wieder durch. Das Remake, obwohl von der Grundstruktur so überaus ähnlich, verteilt da die Gewichte ganz anders. Wollte man es auf einen überspitzten Punkt bringen, könnte man sagen: Im Original haben die Räume die Funktion, die Puzzle-Elemente miteinander zu verbinden - im Remake aber sind die Puzzles da, um die Räume zu trennen. Das eigentliche Spielerlebnis bezieht sich hier aus der Inszenierung der Räume; die Rätsel und Schlüssel-Questen sind hauptsächlich dazu da, neue Abschnitte eine Zeitlang unzugänglich zu halten sowie die vollständige Erforschung der bereits unversperrten zu erzwingen.

Die Zimmer der Playstation-Version waren aufgeräumt und nur mit dem Nötigsten eingerichtet, die Gänge waren leer und ohne Fenster. Eine Welt, in der es kaum etwas gab, was keinen unmittelbaren Zweck hatte. Die diversen Fortsetzungen haben schon begonnen, da deutlich mehr Unordnung hineinzubringen, die Welt zu öffnen, mehr Einfalltore für das Unheimliche in ihr einzurichten. Aber keine von ihnen war so aufgeladen mit dem durchdringenden Gefühl, dass etwas Krankes lauert in den Ritzen, dass es kein gesunder Verstand gewesen sein kann, der diese Räume er- und eingerichtet hat. Dem Gefühl, dass das Sichtbare bestenfalls nur die Oberfläche ist eines korrupten Kosmos. (Da wird der Einfluss H.P. Lovecrafts auf RESIDENT EVIL fundierter spürbar als nur durch eine gemeinsame Vorliebe für Tentakel-Monster.)

Diese Welt ist "animiert" - auch im ursprünglichen Sinne von beseelt

Dass die wahre Bedrohung knapp außerhalb des Sichtfelds liegt, fasst das Spiel in einem seiner gruseligsten, stärksten Momente in ein wunderbares Bild: Man steuert die Spielfigur einen Gang entlang, der schräg in die Tiefe des (Bildschirm-)Raums führt und dessen von der Perspektive verdeckte Wand mit Fenstern versehen ist. Das Mondlicht scheint durch diese Fenster, malt ihre Umrisse an die gegenüberliegende, für uns sichtbare Wand. Und an einem dieser Fenster steht, im Mondlicht ebenfalls einen Schatten an jene Wand werfend, ein Zombie und bumpert mit erhobenen Armen vergeblich gegen die Scheiben...

Bei dieser Szene zeigen sich auch noch zwei andere neue Qualitäten des Spiels - die Belebung der Bilder und der meisterhafte Umgang mit Licht, das hier viel mehr bedeutet als nur bloße Beleuchtung: Obwohl die Kameraeinstellungen wie bei den ersten drei RE-Vorläufern fest fixiert sind, ist das, was zu sehen ist, nie statisch. Es gibt in praktisch jedem Bild etwas, das sich bewegt - auch wenn das manchmal nur mit der dem Spiel auch in anderen Bereichen eigenen, überraschenden Subtilität geschieht. Zitternde Schatten, wogendes Gras, im Mondlicht tanzender Staub: diese Welt ist "animiert" - auch im ursprünglichen Sinne von beseelt.

Und das Licht, das aus den unterschiedlichsten Quellen auf sie fällt, tut mehr, als sie einfach zu erhellen. Es schafft kleine Oasen der Helligkeit und düstere Seen von Schatten; es macht Figuren zu Silhouetten (besonders eindrucksvoll: das Gegenlicht beim Eingang zum Haifischtank); oft auch flackert es und hüpft und zuckt und lässt die Räume aussehen, als wären sie unbeständig, launisch, wandelbar, als könne man nicht nur dem, was sie bergen, nicht trauen, sondern ihnen selbst genausowenig. Was im Zusammenspiel von all dem entsteht, das sind Bilder des Irrationalen, des Unheimlichen, die kaum noch auf Monstren angewiesen sind, um eine Atmosphäre der Angst zu schaffen. (Die Schatten, die die Spielfiguren werfen, entsprechen freilich nicht immer dem, was die Gesetze der Optik bei mehreren Lichtquellen streng genommen verlangen würden, und sie bekommen in ungünstigen Momenten ziemlich pixelige Konturen. Aber wie ein guter Zauberkünstler versorgt einem das Spiel normalerweise mit einer solchen Fülle an Information, an aufmerksamkeitsbeanspruchenden Details und Blickfängen, dass man nicht dazu kommt, genauer dort hinzusehen, wo der Trick durchschaubar ist und die Illusion fadenscheinig.)

Es kommt dem Spiel durchaus zu Gute, dass es die teil-bewegliche Kamera aus RESIDENT EVIL: CODE VERONICA wieder aufgegeben hat und zu statischen Einstellungen und gerenderten Hintergründen zurückgekehrt ist. Nicht nur entgeht es damit der latenten Sterilität, die die Spielwelt bekommt, wenn jeder einzelne Gegenstand in ihr wirklich aus texturierten Polygonen modelliert sein will - was Detailverliebtheit und Abwechslungsreichtum für die Spieldesigner zu einer unverhältnismäßig aufwendigen Aufgabe macht. Es gewinnt dadurch auch ein Maß an Kontrolle über jeden - buchstäblich - Augenblick zurück, das für gewisse Effekte unablässlich ist. Durch seinen grafischen Stil, die Reichhaltigkeit seiner Umgebungen, den Einsatz des Lichts erreicht das Gamecube-RE einen Eindruck von Räumlichkeit, der mindestens eben so groß ist wie der seines unmittelbaren 3D-Vorgängers. Aber durch die fixierte Kamera kann er diese Räumlichkeit viel gezielter nutzen, um sie emotional zum Tragen zu bringen: Das exakt abgezirkelte Framing erlaubt erst richtig das bereits erwähnte Spiel mit all dem, was NICHT zu sehen ist.

RESIDENT EVIL ist eines der wenigen Spiele, das sich eine durch und durch filmische Technik für seine interaktiven Belange wirklich fruchtbar zu Nutze machen konnte

Und es ermöglicht, die räumliche Inszenierung der Spielfigur gleichfalls zur Gefühls-Inszenierung werden zu lassen: Dass das Verhältnis einer Figur zum übrigen Bildraum (emotionale) Konnotationen hat, ist ja in Malerei und Film eine altbekannte Sache - RE bedient sich dieser ikonographischen Tradition. Und wenn das Spiel beispielsweise die Hauptfigur weit, weit in die Tiefe des Bildraums hinabsteigen lässt, immer kleiner werden, ohne auf die nächste Einstellung zu schneiden, dann wirkt das in diesem Medium doppelt stark: Nicht nur ist das resultierende Bild ein gewöhnlich mit Unbehagen besetztes - die Angelegenheit gibt einem als Videospieler das Gefühl drohenden Kontrollverlusts, weil in diesen Games die zu steuernde Figur normalerweise nicht so verschwindend klein wird. RESIDENT EVIL ist damit zugleich eines der wenigen Spiele, das sich eine durch und durch filmische Technik für seine interaktiven Belange wirklich fruchtbar zu Nutze machen konnte: Denn dass der Raum außerhalb des Frames und dass die Tiefe des Raumes stark mit Angst aufgeladen sind, dass dort Gefahren lauern, die schlimmer sind als die im sichernden Rahmen darstellbaren - das ist eine (bei weitem nicht nur Horror-)Kino-Tradition, ist geradezu Grundprinzip bürgerlichen Kinos, das bis in die Kindertage des Films zurückreicht.

Verwesung braucht Rechenleistung

Dass RESIDENT EVIL auf dem Gamecube in all diesen Bereichen so viel effektiver funktioniert als all seine Vorgänger hat, wie erwähnt, weniger mit der Hardware zu tun als mit Stilwillen. Im Prinzip, wenngleich wohl nicht in dieser Perfektion, wäre das meiste davon schon auf früheren Konsolengenerationen machbar gewesen. Der eine Bereich aber, wo die höhere Prozessorenleistung unabdingbar ist für den qualitativen Sprung des Remakes gegenüber seiner Vorgänger, ist die Darstellung der Protagonisten und ihrer monströsen Widersacher. Jill Valentine und Chris Redfield sind das wohl überzeugendst Menschenähnliche, was man bisher eigenhändig durch ein e-Game steuern durfte.

Sie haben die nötige Körperlichkeit, um die derart überzeugende Räumlichkeit dieser Spielwelt zu füllen - und um auch die Konzepte von Verletzung und Tod plausibel in diese Welt zu tragen. Denn auch wenn Körperbilder in Zombie-Spielen nie auf gleich komplexe Weise verhandelt werden wie (unterschwellig oder bewusst) in Zombie-Filmen, so lässt sich dieser Aspekt doch nicht einfach hinausdividieren. All zu weit ist in dieser Hinsicht das RE-Remake prinzipiell nicht von seinen Vorläufern entfernt - die Spiel-Körper sind nach wie vor recht simpel mechanistische Angelegenheiten, mit einem numerisch exakt ausdrückbaren und beliebig auffüllbaren Reservoir an "Gesundheit" (man könnte gleich sagen: élan vital), mit einer präzisen, binären Schwelle zwischen "ganz am Leben" und "ganz tot". Was für die Monster fast identisch gilt. Und alles, was in den Film-Zwischensequenzen da an etwas differenzierteren Phänomenen zu beobachten ist, kommt direkt aus dem Second-Hand-Laden des Horrorkinos. Aber rein vom Augenschein her sieht auch hier alles längst nicht mehr so sauber, ordentlich und rechtwinklig aus wie einst auf der Playstation.

So, wie die Verwesung in die Bilder des Spiels Einzug gehalten hat, so legt das digitale Fleisch langsam seine Sterilität ab. Dass die Protagonisten immer noch eher etwas von Modepuppen haben, liegt daran, dass sie den Helden des Hollywood-Actionfilms nachempfunden sind - wobei gerade Jills Gesicht trotzdem tatsächlich so etwas wie Persönlichkeit ahnen lässt. Aber die Zombies haben schon einen verblüffenden Ruch des Organischen, da die Hardware nun Kraftreserven genug besitzt, um auch dem Verletzten, Unregelmäßigen, Zersetzten, Ausgefransten recht detailgetreu Gestalt zu geben. Man könnte es, leicht frivol, auch so ausdrücken: Verwesung braucht Rechenleistung.

Es liegt ein Hauch von Ironie darin, dass auch die Gamecube-(Re)inkarnation von RESIDENT EVIL ausschließlich dem Horror von Zombie-Untoten und Monstern aus Fleisch- und Blut huldigt. Manchmal hat man wirklich das Gefühl, klassische Geister, Gespenster und Wiedergänger müssten viel eher heimisch sein in den düsteren, schauerromantischen Wänden des Herrenhauses, so wie dieses Spiel es auf den Bildschirm zaubert. Die wären auch ein passenderes Sinnbild für dieses Remake selbst. Denn es ist bei weitem kein altes Fleisch, das man noch einmal auf wackligen Beinen wieder belebt hätte. Es ist vielmehr die Seele eines alten Spiels, die hier einen neuen, ihr viel angemesseneren Körper gefunden hat.

(Die Bilder im Artikel wechseln ab zwischen Remake und Original)