Thyssen-Krupp: Unsichere Zukunft für Milliarden-Projekt "Grüner Stahl"

Flüssiger Stahlabguss als Teil der wasserstoffbasierten Stahlproduktion

(Bild: Shestakov Dmytro / Shutterstock.com )

Thyssen-Krupp prüft Abbruch des "Grünen Stahl"-Projekts. Joint Venture mit tschechischem Investor könnte Pläne kippen. Was wird aus den Milliarden an Fördermitteln?

Während in China die Transformation der Industrie hin zu Techniken, die weniger Kohlendioxid ausstoßen, staatlich gefördert wird, auch wenn dies am Ende aus wirtschaftlichen Gründen scheitert, drängt Deutschland zur politisch gesteuerten Planwirtschaft. Ändern sich die Rahmenbedingungen bei den industriellen Partnern, werden derartige Projekte eingestampft und die Fördermillionen auch verloren.

Im Saarland scheint die Transformation zum Wasserstoff im Plan

Die saarländische Stahlindustrie zählt als Grundstoffbranche mit ihrer historisch etablierten Eisenproduktion, bei der Eisenerz im Hochofen mittels Koks zu Roheisen reduziert wird, heute zu den Wirtschaftszweigen mit der größten CO2-Emission. Für eine wegweisende klimafreundliche Transformation ihrer Stahlherstellung entschieden sich die Stahl-Holding-Saar (SHS) und deren Tochtergesellschaften Rogesa, Dillinger Hütte und Saarstahl im November 2022 zur Einreichung von Förderanträgen für das Projekt ″Power4Steel″.

In dem Projekt will man eine Anlage für eine wasserstoffbasierte Eisenreduktion in Dillingen und die Errichtung zweier Elektrolichtbogenöfen in Dillingen und Völklingen aufbauen. Ab den Jahren 2027/2028 sollen mit den neuen Anlagen rund 3,5 Millionen Tonnen grüner Stahl erzeugt werden.

Bei der schrittweisen Umstellung sollen die CO2-Emissionen der SHS ab 2027/2028 bereits um 4,9 Millionen Tonnen oder 55 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 reduziert werden. Für das Projekt geht die SHS von Gesamtinvestitionskosten von rund 3,5 Milliarden Euro aus. Diese sollen anteilig vom Bund und dem Saarland konform mit den EU-Leitlinien für Klima, Energie- und Umweltbeihilfe (KUEBLL) gefördert werden. Die Gesamtfördersumme der drei Teilprojekte der SHS soll bei rund 2,6 Milliarden Euro liegen.

Was wird aus der Transformation bei ThyssenKrupp?

Die Umstellung auf grünen Stahl mithilfe von Wasserstoff galt als Prestigeprojekt sowohl von ThyssenKrupp als auch der Bundesregierung. Ein Teilverkauf der Stahlsparte könnte dieses Projekt beenden.

Der Industriekonzern ThyssenKrupp überlegt, sein milliardenschweres Vorzeigeprojekt, die Umstellung seiner Stahlhütten auf die Produktion von grünem Stahl mithilfe von Wasserstoff, abzubrechen. Hintergrund ist das geplante Joint Venture mit der Energie- Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský.

Křetínský hält bereits 20 Prozent und verhandelt über ein Paket von weiteren 30 Prozent. In Deutschland ist er über die Holding EPH an den ostdeutschen Braunkohleverstromern Mibrag und Leag beteiligt.

Die bisherigen Pläne sehen vor, die Hütten in Zukunft nicht mit Kohle, sondern mit Wasserstoff zu betreiben, wodurch die Stahlproduktion klimaneutral würde. Bislang fallen bei der Herstellung erhebliche Mengen an CO2 an. Für den Bau der dafür benötigten Direktreduktionsanlage haben das Land Nordrhein-Westfalen und der Bund Hilfen in Höhe von zwei Milliarden Euro zugesagt. Rund ein Viertel der Summe ist bereits geflossen und müsste bei Abbruch des Projekts zurückgezahlt werden.

Die deutsche Politik fürchtet jetzt, dass die Rückzahlungsfähigkeit durch einen geschickten Konzernumbau umgangen werden könnte. Vorbild dafür könnte die Abspaltung des Kohlegeschäfts vom Mutterkonzern EPH sein, der auf diesem Weg die Kosten für die Renaturierung der Tagebaue umgehen könnte.

Vor dem Hintergrund des neuen Jointventure-Partners in Tschechien prüft der Konzern den vermehrten Einsatz von Strom zur Stahlproduktion, um sie auf diese Weise klimafreundlicher zu machen, was bei der Braunkohleverstromung im Hintergrund jetzt eher Augenwischerei wäre.

Die indische Elektrostahltochter wurde jetzt an ein indisch-japanisches Konsortium verkauft, weil man sich von den asiatischen Märkten lösen und auf Europa und Nordamerika konzentrieren will, wo man für seinen Elektrostahlbereich ″thyssenkrupp Electrical Steel″ die Hauptkunden bei den globalen und marktführenden Hersteller im Bereich Energie- und Antriebstechnologien sieht.

ThyssenKrupp-Töchter abgetrennt und verkauft

Der kriselnde ThyssenKrupp-Konzern hatte im vergangenen Jahr seine Dortmunder Wasserstoff-Elektrolyseur-Tochter ″thyssenkrupp nucera″ an die Börse gebracht, weil dem Mutterkonzern das Geld für die weitere Entwicklung des grünen Wasserstoffgeschäfts gefehlt hatte.

Mit dem Börsengang der Wasserstofftochter wollte man dem Unternehmen ausreichend finanziellen Spielraum verschaffen, um seine führende Marktposition bei der Produktion von grünem Wasserstoff auszubauen.

Zu Disposition steht inzwischen auch die Beteiligung Hüttenwerke Krupp Mannesmann, die seit 2005 an ihre Gesellschafter thyssenkrupp Steel Europe (50 Prozent), Salzgitter Mannesmann (30 Prozent) und Vallourec Deutschland (20 Prozent) Stahl-Brammen für die Produktion von Großrohren und Karosserieaußenteilen sowie Rundstahl zur Herstellung nahtloser Rohre liefert.

So wie Mannesmann, mit der Übernahme der Mobilfunktochter durch Vodafone den Stahlbereich verlassen hatte, geht jetzt in Nordrhein-Westfalen die Angst um, dass ThyssenKrupp seine deutschen Stahlstandorte verlässt. Solange die deutsche Automobilindustrie schwächelt, steht auch die Stahlproduktion in Deutschland auf wackeligen Füßen.