Tierhaltung verbessern und Pestizide reduzieren

Bild Cem Özdemir: © Raimond Spekking / CC-BY-SA-4.0 / Grafik: TP

Mit seinem Amtsantritt steht der neue Agrarminister vor großen Herausforderungen. An vollmundigen Versprechungen fehlt es nicht. Nun muss der Wandel zu einer nachhaltigen, ökologischen Landwirtschaft auch in der Praxis gelingen

"Oberster Anwalt der Bauern und Tierschützer" will er sein. Außerdem will er "raus aus der Öko-Nische", verkündete Cem Özdemir bei der Urabstimmung der Grünen über den Koalitionsvertrag zwecks Bildung einer Bundesregierung.

Der "anatolische Schwabe" bringe keinerlei landwirtschaftliche Vorkenntnisse mit, bemerkten viele Landwirte mit Entsetzen. Oberbayerische Hopfenbauern hingegen begrüßten Özdemir in seinem neuen Amt. Bei einem Besuch im Hopfenmuseum in bayerischen Wolnzach, Landkreis Pfaffenhofen, habe er einen guten Eindruck hinterlassen, hieß es. Zumindest traut man ihm den guten Willen zu, sich unbefangen in die Problematik einzuarbeiten.

Auf jeden Fall gilt der deutsche Staatsbürger mit türkischen Wurzeln als Musterbeispiel für gelungene Integration. Zwar lagen seine bisherigen politischen Schwerpunkte eher in der Außen-, Wirtschafts-, Verkehrs- und in der Integrationspolitik.

Als erster Grüner immerhin war Özdemir 2014/2015 Botschafter des Bieres des Deutschen Brauer-Bundes (DBB). Zwei Jahre später wurde er vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks zum Botschafter des Deutschen Brotes ernannt. 2014 posierte er mit einer Cannabis-Pflanze auf seinem Balkon. Mit seiner Forderung nach der Legalisierung von Cannabis befindet er sich heute mit der FDP in bester Gesellschaft.

Bereits in jungen Jahren wurde er zum Vegetarier – gegen den Willen seiner Eltern. Tierfabriken habe er schon immer abgelehnt, erklärt er. Ein Vegetarier als Landwirtschaftsminister? Ihn als obersten Verantwortlichen für Landwirtschaft und Ernährung anzuerkennen, dies sei wohl für den einen oder anderen gewöhnungsbedürftig, räumt Özdemir ein. Dennoch sei dies für ihn eine extrem spannende Aufgabe.

Denn wie häufig in seiner früheren politischen Arbeit gehe es ums "Versöhnen, ums Brückenbauen und um das Zusammenbringen sich widerstrebender Interessen".

Vor allem aber gehe es ihm um die Existenz von Bäuerinnen und Bauern und um 82 Millionen Konsumenten. Dies müsse nun mit Tierwohl und Klimaschutz zusammengebracht werden. Auch eine gesündere Ernährung von Kindern und Jugendlichen liegt dem neuen Agrarminister am Herzen. Demnach müsse das Essen in Kindertagesstätten und Mensen besser werden.

Daten zu Pestizideinsätzen müssen öffentlich zugänglich sein

Kaum sind sie im Amt, schon erreicht die beiden Minister für Landwirtschaft und für Umwelt (Steffi Lemke) der dringende Appell europäischer Umweltverbände, den aktuellen Reformvorschlag zur Erfassung landwirtschaftlicher Daten auf relevante Kernaussagen zu überprüfen.

Hintergrund ist, dass im Rahmen der europäischen Farm-to-Fork-Strategie der Pestizideinsatz in der EU bis 2030 um die Hälfte reduziert werden soll. Doch ohne öffentlich zugängliche Daten zum Pestizideinsatz in der Landwirtschaft sei eine Reduktionsstrategie kaum umsetzbar.

Dabei soll das EU-Regelwerk zur Erhebung landwirtschaftlicher Statistiken Referenzwerte für die Pestizid-Reduktionsstrategie ermöglichen. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission soll die rechtliche Grundlage geschaffen werden, um Pestizideinsätze künftig zentral zu erfassen und vom Statistikamt der EU (Eurostat) auswerten zu lassen.

Die Vorschläge seien aktuell derart verwässert worden, dass jede sinnvolle Überwachung der festgelegten Ziele verhindert und damit die Strategie selbst sabotiert werde, kritisieren die Umweltverbände.

Deshalb fordern sie Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke dazu auf, der Reform des statistischen Regelwerks nur dann zuzustimmen, wenn die Behörden alle relevanten Daten elektronisch erfassen und ein bürokratischer Mehraufwand für Landwirte entfällt.

Demnach sollen die Daten zu Pestizideinsätzen jährlich mit allen Details bezüglich Wirkstoff, Produkt, Kulturpflanze, Ort und Zeit durch die EU-Mitgliedsstaaten übermittelt werden, einschließlich aller Biozide und Tierarzneimittel, die in der Landwirtschaft verwendet werden.

Zudem soll europäischen und nationalen Behörden uneingeschränkter Zugang zu den zugrundeliegenden Rohdaten gewährt werden, ebenso zu solchen Daten, die die Gefahren der Pestizide auf die menschliche Gesundheit und Umwelt untersuchen und bewerten. Diese Forderungen werden auch von Wissenschaftlern in einer aktuellen Studie unterstützt.