Tory-Parteitag in Birmingham
Boris Johnson hat einen Alternativplan zu Mays Chequers-Brexit
Heute beginnt im mittelenglischen Birmingham der bis Mittwoch dauernde Parteitag der britischen Tories, zu dem etwa 11.000 Teilnehmer erwartet werden. Es ist kein gewöhnlicher Parteitag, weil der Ausstieg Großbritanniens aus der EU kurz bevorsteht und die Vorsitzende und Premierministerin Theresa May (die am Montag 62 Jahre alt wird) um ihrer Macht kämpft.
Ihr wichtigster Rivale Boris Johnson, der im Juli ihr Kabinett verließ, hat kurz vor Beginn des Parteitages in seinem ersten Interview seit seinem Rücktritt auch auf viermalige Nachfrage hin nicht ausgeschlossen, Theresa May auf dem Parteitag herauszufordern. Stattdessen meinte er, seine Aufgabe sei es, das auszusprechen, an was er glaube. Und er glaube, dass Mays Chequers-Plan "einfach nicht tolerabel sei". Im Telegraph hatte Johnson am Freitag eine Alternative zu diesem Chequers-Plan eines Ausstiegs aus der EU veröffentlicht (vgl. May-Kabinett einigt sich auf Warenfreihandels-Brexit).
"Super-Kanada" statt Chequers
Darin schlägt er vor, dass London mit Brüssel einen Freihandelsvertrag schließt, der nach dem Vorbild des CETA-Abkommens gestaltet wird, das die EU mit Kanada schloss. Dieses "Super-Kanada"-Abkommen soll Johnsons Ansicht nach aber über CETA hinausgehen und nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen umfassen.
Als Lösung für die irisch-nordirische Grenze zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU schweben ihm stichprobenartige Kontrollen im Hinterland vor, wie es sie in den Schengen-Ländern gibt. May hatte sich vorher explizit gegen solche "versteckten" Kontrollen ausgesprochen.
"Demokratische Desaster" durch "rückgratlose" Verhandlungsführung
Schärfer und direkter als May greift Johnson in seinem Gastbeitrag für den Telegraph ihren Finanzminister Philip Hammond an. Ihm wirft er vor, weiterhin gegen einen Brexit zu arbeiten und maßgeblich mit verantwortlich für das "demokratische Desaster" zu sein, dass sich die Regierung durch eine "rückgratlose" Verhandlungsführung mit Brüssel passiv weigert, "das [Brexit-]Mandat der Wähler auszuführen". Das sei von den Brüsseler Verhandlern erkannt und ausgenutzt worden, weshalb er die Strategie ändern und eine Abstandszahlung an die EU bis zum Abschluss einer für beide Seiten befriedigenden Vereinbarung zurückhalten würde.
Auf der Johnsons Seite gegenüberliegenden stehen bei den Tories neben Hammond eine Reihe von Politikern, die eine erneute Abstimmung über einen Ausstieg aus der EU fordern: Neben dem 1997 abgewählten Ex-Premierminister John Major gehören dazu unter anderem die Abgeordneten Anna Soubry, Justine Greening, Sarah Wollaston und Heidi Allen.
Letztere meinte zur BBC, aufgrund des "inakzeptablen" Verhaltens des Johnson-Flügels der Partei sei Mays Chequers-Plan faktisch "tot", weil man der Premierministerin damit "die Hände gebunden" habe. Selbst dann, wenn "in letzter Minute" noch eine Übereinkunft mit Brüssel zustande käme, würde diese ihrer Meinung nach von ihren innerparteilichen Gegnern blockiert. Deshalb müsse man nun die Bürger fragen, ob das Vereinigte Königreich nicht doch zu den bisherigen Konditionen in der EU verbleiben soll.
Die Labour Party, deren Parteitag letzte Woche in Liverpool stattfand, hat dort so ein neues Referendum explizit nicht ausgeschlossen (vgl. Labour-Partei will britische Wasserversorgung verstaatlichen).
Jamaikanischstämmiger Kriminalitätsexperte gegen Sadiq Khan
Der Großteil der insgesamt 450 Veranstaltungen auf dem Tory-Parteitag in der Stadt mit dem Brummie-Akzent wird sich allerdings nicht (oder zumindest nicht direkt und geplant) um dieses kontroverse Brexit-Thema drehen, sondern trägt Wohlfühltitel wie "Global Britain", "An Economy That Works For Everyone", "Opportunity For Future Generations", "A Stronger, Fairer United Kingdom" oder "High-Quality Public Services". Auf der Abschlussveranstaltung am Mittwoch soll dann es dann bereits um die Parlamentswahlkampagne 2022 gehen.
Zwei Jahre vorher, 2020, steht die Wahl des Londoner Bürgermeisters an. Hier setzten die Tories auf den jamaikanischstämmigen Shaun Bailey, der unter Mays Vorgänger David Cameron Regierungsberater für Jugend und Kriminalität war. Auf diese Themen baut auch sein Wahlkampf in der Stadt auf, die im April New York bei der Mordrate überholte. Da in Großbritannien ein schärferes Waffenrecht gilt als in den USA, spielen bei diesen Morden Messer eine größere Rolle. Ein Phänomen, dem sich Bailey besonders intensiv widmen will.
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