Trio Infernal

Die "Sonic Heroes" betreten Konsolen-Neuland

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Mit seinem dritten 3D-Auftritt darf Segas www.sega-europe.com/german blauer Igel zum ersten Mal auch auf der PS2 und XBox durch die Level spurten. Dem GameCube, auf dem bereits die Umsetzungen der ehemaligen Dreamcast-Spiele "Sonic Adventure" und "Sonic Adventure 2" (vgl. Würfelspiele) sowie eine Zusammenstellung der 2D-Klassiker als "Sonic Mega Collection" erschienen, bleibt er weiterhin treu. Sonic Heroes ist Sonic Teams erste Neuentwicklung mit dem blauen Maskottchen seit 2001.

Der Igel Sonic war einst Segas große Konsolenhoffnung, sollte als Maskottchen den Wettbewerber Nintendo - lange bevor Sony oder gar Microsoft das Konsolengeschäft betraten - Marktanteile abringen. Das 1991 erschienene "Sonic the Hedgehog" brachte auch tatsächlich den erhofften Erfolg für Segas Mega Drive und erschien gleich auch für das ältere Master System und den schon damals farbigen (wenn auch schweren und Batterie-hungrigen) Gameboy-Konkurrenten GameGear.

Entwickler und Designer setzten von Anbeginn darauf, etwas Neues zu schaffen - mit einer Mario-Kopie hätte sich Sega im Kampf gegen das Original schwer getan. Sonics Markenzeichen war hohe Geschwindigkeit gepaart mit einfacher Bedienung. Hinzu kam das jugendlich freche Äußere, quasi das perfekte Spiegelbild der Zielgruppe: Keck, immer auf dem Sprung wie unter einer Überdosis Koffein - vom Identifikationsfaktor deutlich oberhalb eines italienischen Klempners angesiedelt.

Die Sonic-Spiele blieben ein Erfolgrezept für Sega: Das Maskottchen hatte bereits nach dem ersten Teil eine genügend starke Anziehungskraft, dass Sega die Fortsetzung weltweit parallel am selbsternannten "Sonic 2's Day" (selbstredend ein Dienstag) herausbrachte. Mit neuen Titeln kamen auch weitere Gefährten - allen voran Tails und Knuckles - ins Rennen, die aber nur teilweise der Steuerung des Spielers gehorchten.

Trotz einiger grafisch dreidimensional gestalteter Passagen in den älteren Sonic-Spiele, zeigten die beiden "Sonic Adventure" Spiele, die zunächst für Segas Dreamcast und nach deren Einstellen schließlich für den GameCube des einstigen Erzrivalen Nintendo erschienen, dass die Umsetzung des Geschwindigkeits-Prinzips in dreidimensionale Spielwelten mehr Schwierigkeiten bereitete als das Jump-And-Run-Konzept eines Mario. "Sonic Adventure 2" glänzte aber vor allem durch die verteilten Rollen der drei Protagonisten Sonic, Tails und Knuckles so wie deren dunklen Gegenstücke Shadow, Eggman und Rouge. Schon im ersten Teil durfte der Spieler unterschiedliche Rollen übernehmen, aber erst in der Fortsetzung bekam jeder Protagonist seine eigenen, auf spezielle Fähigkeiten zugeschnittenen Level.

Die Idee der Rollenzuweisung führt das aktuelle "Sonic Heroes" konsequent weiter, indem es dem Spieler die Kontrolle über ein Dreier-Team überlässt. Neben dem klassischen Trio mit Sonic, Tails und Knuckles - Team Sonic (anbei bemerkt ist "Sonic Team" die Entwicklerschmiede hinter den Spielen) genannt - treten Team Dark, Team Rose und Team Chaotix an, Eggman von seinen üblen Vorhaben abzubringen. Kenner der Serie treffen dabei auf altbekannte Protagonisten wie Shadow, Amy und Rouge the Bat, auch Nebendarsteller wie Big the Cat bekommen ihre Team-Chance.

Die vier Teams bestehen jeweils aus einem schnellen Läufer, einer flugbegabten Figur und einem Kraftprotz. Das Trio bewegt sich stets gemeinsam voran, die vom Spieler vorzunehmende Wahl des Anführers bestimmt die aktuellen Fähigkeiten. Zum Überbrücken weiter Abgründe muss beispielsweise Team Sonic unter Tails Führung stehen, zum Zertrümmern von Steinblöcken gilt es, Knuckles die Führung zu überlassen.

Über weite Passagen darf der Spieler seinen Favoriten selbst wählen, teils führen parallele Wege, die unterschiedliche Fähigkeiten erfordern, zum Ziel. Dieses clevere Spielkonzept, das durchaus Adventure-ähnliche Elemente zuließe, bremst das Spiel leider mit großen Hinweisschildern aus, die dem Daddler die Entscheidung über die richtige Hauptfigur abnehmen. Offensichtlich wagen sich die Entwickler nicht zu weit vom eigentlich Spielkonzept des schnellen Jump-And-Run weg, zumal die einfachen aber nervigen Adventure-Elemente, die dem ersten "Sonic Adventure" seinen Namen gaben, nicht gerade auf Begeisterung stießen.

Neben den Rollenzuweisungen innerhalb der Trios, spielt auch die Wahl des Teams eine Rolle für den Spielverlauf - Team Amy, Team Sonic und Team Dark durchlaufen im Wesentlichen dieselbe Geschichte, allerdings in verschiedenen Schwierigkeitsstufen, die sich vor allem durch eine unterschiedlich große Anzahl an Gegner niederschlägt. Die Wahl des jeweiligen Anführers innerhalb der Teams hat wiederum auf die Kämpfe eine nicht unerhebliche Auswirkung, und zumindest dafür überlässt das Spiel dem Daddler die freie Wahl der Formation, sodass er herausfinden darf, welche Kombinationen besonders schlagkräftig gegen bestimmte Gegner ist.

Die Welt des Igels und seiner Freunde bietet die üblichen Rennpassagen, Loopings, Schienen zum Grinden und darüber hinaus spezielle Level wie einen Flippertisch, in dem die Protagonisten zur Kugel werden, die der Spieler nur rudimentär direkt bewegt, sie im Wesentlichen eben mit den Flippern nach oben befördert. Oberstes Motto ist traditionsbewusst die Geschwindigkeit. Das Level-Design ist einfach und - wie auch die "Sonic Adventure" Titel - stärker linear aufgebaut als beispielsweise ein "Super Mario Sunshine" (vgl. Zur Sonne, zur Freizeit). Anders wäre die Übersicht im temporeichen Spielverlauf unmöglich. Den Höhepunkt bietet die Rail-Canyon-Welt, eine rasanten Achterbahnfahrt mit Richtungswechseln, Loopings, Sprüngen und (gezielten) Stürzen, die das Herz jedes Sonic-Fans höher schlagen lässt und zeigt, wie geschickt die Entwickler den geradlinigen Aufbau hinter der verschnörkelten Levelführung verstecken.

So sehr "Sonic Heroes" in der Hochgeschwindigkeit glänzt, zeigt es an den langsameren Passagen seine ärgste Schwäche. Die Steuerung taugt sehr wohl zur Bewältigung rasanter Abschnitte, geht es einmal um Genauigkeit, stellt das Spiel dem Daddler dagegen oft ein Bein - regelmäßig ist die Kamera oder die teils unberechenbare Steuerung Grund für einen Absturz. Steht das Team beispielsweise beim Versuch einen Schalter zu drücken, nicht so, wie die Entwickler sich das dachten, führt die leitende Figur einen Angriff ins Leere aus und stürzt im schlimmsten Fall in selbige. Leider haben sich die Schwächen der Steuerung und Kamera aus den ersten beiden dreidimensionalen Sonic-Spielen auch in "Sonic Heroes" gehalten. Auch Bosskämpfe sind nicht unbedingt eine Stärke des Spiels, weniger als in "Sonic Adventure 2" führt Strategie zum Ziel, gerade beim Aufeinandertreffen mit rivalisierenden Teams (Team Amy, Team Sonic und Team Dark treffen in ihren Geschichten auf die jeweils anderen beiden Teams), ist der Kampf teils schneller gewonnen als durchschaut.

Dank der bewährten Zutaten werden die Fans des blauen Igels von der beinahe überfälligen Neuentwicklung "Sonic Heroes" nicht enttäuscht. Leider hat Segas hauseigene Entwicklergruppe Sonic Team - neben Sonic verantwortlich für die rhythmischen Titel Rez und Space Channel 5 sowie die "Phantasy Star Online" Reihe, deren jüngster Spross für den GameCube Phantasy Star Online III C.A.R.D. Revolution soeben in den USA erschien - die vergangenen drei Jahre zu wenig genutzt, aus den ersten beiden 3D-Titeln bekannte Probleme hinsichtlich Steuerung und Kameraführung im aktuellen Spiel zu vermeiden. Da auch der neue Team-Ansatz zu wenig zur Geltung kommt, werden sich Sonic, Tails und Co schwer tun, neue Freunde in der Daddler-Gemeinde zu gewinnen.