Trommeln im Reichstag
Präsident Bushs historische Botschaft an die Europäer
Präsident Bush trommelte vor dem Deutschen Bundestag. Seine Rede sollte aber als historische Botschaft alle Europäer erreichen, die für Amerikas Patrioten und Falken als mehr oder minder kleinmütige Zauderer gegenüber dem präsidialen Zivilisationsrettungsauftrag gelten. Für diesen hohen Anspruch, den der Präsident in seiner halbstündigen Rede mehrfach betonte, war der Reichstag als Symbol der Befreiung vom Kommunismus das ideale Ambiente. Was den Deutschen mit amerikanischer Hilfe gegen das vormalige Weltböse gelungen ist, will Bush nun weiterhin gegen die heutigen Menschheitsfeinde richten. Bushs historische Mission bleibt der Kampf gegen den Terror, wenngleich er die kriegerische Chefsache diesmal dick mit allen guten Wünschen für Europa und den Rest der Erde verpackte.
Um dem wachsenden Unmut dieser empfindlichen und kriegsentwöhnten Europäer zu begegnen, verkündete der Präsident nun auch großherzig seine Bereitschaft, die "allies" immerfort zu konsultieren, wie die "Achse des Bösen" zukünftig zu traktieren sei. Konsultationen sind gut, Detonationen sind besser. Das hat der Präsident selbstverständlich nicht gesagt, aber nach dem bisherigen Verlauf des "am Anfang stehenden" Antiterrorkriegs fehlt der Glaube, Bushs militärische Kraft und ideologische Herrlichkeit würden sich von wankelmütigen Kantonisten sonderlich beeindrucken lassen, wenn sie die amerikanisch interpretierten Zeichen der Zeit nicht verstehen.
Für Bush hat der politische Schulterschluss zwischen USA, Europa und Russland in der neuen Weltordnung nach dem 11. September inzwischen höchste Priorität. Die NATO avanciert in der euroamerikanischen Allianz endgültig zum Antiterrorbündnis. Die Geschichte habe ihre Antwort auf diese neue Aufgabe gegeben und so muss man dem Terror fast dankbar sein, dass er eine neue Gemeinsamkeit aufrechter Nationen begründet, die sonst vielleicht in marginalen Fragen zerstritten wären.
Das Böse wurde vom Präsidenten nicht namentlich gekennzeichnet. Die dräuende Frage, ob Saddam Hussein nun mit amerikanischen Militärschlägen rechnen kann, wurde so wenig angeschnitten wie die zukünftige Behandlung anderer Mitglieder der "Achse des Bösen". Dabei ist das präsidiale Wissen ungebrochen, dass die Feinde der Zivilisation an schrecklichen Waffen arbeiteten, um die Nationen der freien Welt zu erpressen. Alle Quellen der modernen Verteidigungskunst müssten daher ausgeschöpft werden, was immer das für eine Sicherheitspolitik heißen mag, die doch nach Bundestagspräsident Thierse Krieg nur als "ultima ratio" einsetzen darf.
Damit sich Europa auch nicht über die Zielrichtung terroristischer Massenvernichtungswaffen täusche und in Sicherheit wiege, fügte der Präsident gleich hinzu, dass den die Gewalt glorifizierenden Feinden die Karte Europas bekannt sei. Das politische Geschäft mit der Angst bleibt die sicherste Bank für Bushs hypertrophe Mission und die Schönfärbung globaler Probleme jenseits des Terrors. Selbst die seriöse New York Times hat die Lust auf die Nebelwerfer dieser Regierung verloren und attestierte dem Weißen Haus, selbst Terrormethoden im medialen Aufmerksamkeitskrieg einzusetzen: "Let's make a deal: We won't criticize the administration for not anticipating 9/11 if it won't terrorize the country by now predicting every possible nightmare scenario, but no specific ones, post-9/11."
Auf diesen Deal ging der Präsident jedenfalls heute vor dem deutschen Parlament nicht ein. Amerika habe "das Böse gesehen", so als ob sich der Leibhaftige in "Miss Liberty" verguckt hätte. Ohnehin steht das Schreckensbild der Widersacher fest, die gleichermaßen Demokratie, Toleranz, Frauen, Juden, Christen und andersgläubige Muslime hassen würden. Um den in Europa eigenartiger Weise gleichwohl so unpopulären Kriegsdiskurs abzumildern, erklärte Bush großzügig, dass die USA bereit seien, den Wohlstand zu verteilen. Die amerikanische Entwicklungshilfe werde in den nächsten Jahren kräftig aufgestockt. Freiheit und Wohlstand seien in ungerecht regierten Nationen aber nicht zu erreichen. Und das könnte dann die unverhohlene Drohung sein, die in dieser Rede expressis verbis fehlte: Politik ist die Fortsetzung des Kriegs mit Wirtschaftshilfe und dem Aufbau konsumfreudiger Gesellschaften.
Der Präsident wollte mit seiner Good-Will-Rede, die weniger historisch beeindruckend als unspezifisch formelhaft die Beschwerden der Welt auf die sattsam bekannte Rezeptur von Freiheit, Sicherheit und Wohlstand verwies, die längst bekannten Widersprüche zwischen den Alliierten nicht reizen. Die Gemeinsamkeiten seien gewaltig und wer die Unterschiede zwischen Amerika und Europa übertreibe, spiele ein mieses Spiel. Auch die von Bundestagspräsident Thierse angeschnittenen Fragen des Kyoto-Protokolls und des Internationalen Strafgerichtshofs für Kriegsverbrechen würdigte der Präsident daher mit keiner Notiz, um sich nicht den eigenen Vorwurf zuzuziehen. Für den Nahost-Konflikt forderte er die Sicherheit des jüdischen Volkes und einen eigenen Palästinenser-Staat. Nur was er in dieser Angelegenheit zu tun gedenke, das sagte er nicht.