Trübe Finanzquellen

Alice Weidel und Alexander Gauland auf dem Parteitag im April 2017. Bild: Olaf Kosinsky/CC By-SA-3.0

Es ist immer noch unklar, wer einen großen Teil der Wahlkämpfe der AfD finanziert. Milionenschwere Gönner der Rechtspopulisten und Rechtsextremisten bleiben im Dunklen

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Die AfD ist im Bundestagswahlkampf sehr präsent. Nicht nur in den Massenmedien, wo etwa der wegen Volksverhetzung angezeigte Alexander Gauland weiterhin Talkshow-Dauergast ist, sondern auch im Straßenwahlkampf.

Dem unbedarften Beobachter stellt sich natürlich unweigerlich die Frage, woher all das viele, viele Geld herkommt, das die AfD für diesen Wahlkampf aufwenden kann. Die überraschende Antwort seitens der Rechtspopulisten: Offensichtlich wissen es die Parteiführer selber nicht so genau. Dies ist zumindest die offizielle Version der Parteioberen, mit der die üppigen, millionenschweren Aufwendungen erklärt werden, mit denen die Partei des "kleinen (deutschen) Mannes" von anonymen Gönnern regelrecht überschüttet wird.

Was soll man da auch machen, wenn man plötzlich mit millionenschweren Gefälligkeiten überhäuft wird? Ohne Absprachen und Koordination mit der Parteiführung soll ein finanziell überaus üppig ausgestatteter, dubioser Verein für die Rechtspopulisten im Bundestagswahlkampf werben - der "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlicher Freiheiten". Es bestünde aber "kein Kontakt" zwischen den Parteiführern der AfD und dem Verein, erklärte AfD-Sprecher Christian Lüth dem Handelsblatt. Aber man freue sich selbstverständlich über "jede sinnvolle Unterstützung". Ein Vereinssprecher verweigerte gegenüber dem Handelsblatt jedwede Auskünfte über die AfD-Spender.

Allein in Berlin ließ der "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlicher Freiheiten" rund 600.000 Exemplare der eigens zur Bundestagswahl aufgelegten Wochenzeitung "Deutschland-Kurier" verteilen. Ähnliche Aktionen sind bereits in weiteren Großstädten angelaufen, aktuell etwa im Ruhrgebiet, das laut Deutschland-Kurier von Migranten "erdrosselt" werde.

Beim Deutschland-Kurier tummelt sich der ehemalige rechte Rand der CDU und CSU, dem die Stahlhelm-Fraktion der Konservativen nicht mehr rechts genug war: Die revanchistische Politikerin Erika Steinbach, vormals Führerin des Bundes der Vertriebenen, ist beim Kurier als "Kolumnistin" genauso tätig, wie der ehemalige Springermann und Bild-Chef Peter Bartels. Der Sprecher des Vereins, David Bendels, war wiederum zuvor bei der CSU engagiert.

Rechte Vereinsmeierei

Die großzügige Unterstützung der AfD durch den dubiosen Verein mit seinen anonymen Spendern hat schon Tradition. Immer wieder griff der als eine Art rechtspopulistischer Investmentfonds agierende Verein der AfD bei Urnengängen finanziell unter die Arme - selbstverständlich ohne Koordination oder Absprache mit den Rechtspopulisten, wie die Parteiführung beteuert, die "keinen Kontakt" zum Verein unterhalten haben will. Ansonsten wäre dieses Vorgehen ja illegal.

Dies war auch in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, dem Saarland oder in Mecklenburg-Vorpommern der Fall, wo der "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlicher Freiheiten" einfach mal so ein "Extrablatt", in dem zur Wahl der AfD aufgerufen wurde, an Millionen Haushalte verteilen ließ, sowie Hunderte von Großplakaten aufgestellte, die der offiziellen AfD-Werbung täuschend ähnlich sehen. Aber man unterhält ja keine Kontakte zur AfD, da der Verein parteipolitisch ungebunden ist - dies beteuern Parteiführung wie Vereinssprecher unablässig.

Diese millionenschwere, inoffizielle Werbekampagne für die AfD betreibe "eine Handvoll von Großspendern, die anonym bleiben wollen", erklärte das Recherchekollektiv Correctiv. Die täuschend ähnlichen Plakate und Parolen der gut betuchten, anonymen Gönner fordern unter anderem "Mehr Schutz für Familie und Eigentum".

Dabei scheint man sich trotz aller Fremdheit zwischen AfD und dem "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlicher Freiheiten" doch ziemlich oft über den Weg zu rennen. Ausgerechnet auf AfD-Veranstaltungen. Herr Bendels etwa teilte beim politischen Aschermittwoch der AfD die Bühne mit etlichen AfD-Politikern, er war auch Hauptredner beim Neujahrsempfang der AfD im Hessischen Vellmar. Zufälle gibt es. Auch im bayerischen Deggendorf wurde Bendels bei einer AfD Kundgebung gesichtet.

Völlig unverständlich und bislang ungeklärt bleibt auch, wie der Verleger und AfD-Politiker Josef Konrad ins Impressum des "Extrablattes" des Vereins gelangen konnte, das in Baden-Württemberg verteilt wurde.

Ohne Transparenz seitens der AfD liegt somit die Schlussfolgerung nahe, die Rechtspopulisten betrieben hier eine Tarnorganisation zur illegalen Parteifinanzierung. Die Partei wie der Verein, die trotz Distanz so eng kooperieren, bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone.

Zwischenfazit: Anonyme, millionenschwere Kräfte finanzieren seit Monaten eine mit Rechtsextremisten durchsetzte, immer weiter nach Rechts abdriftende Partei, ohne dass dies irgendwelche rechtlichen Konsequenzen gehabt hätte. Dies hat auch seinen Grund: Der Verein nutzt geschickt eine Gesetzeslücke aus, wie die auf Korruptionsbekämpfung spezialisierte NGO Lobbycontrol ausführte.

Demnach reicht es laut der deutschen Gesetzeslage aus, schlicht zu behaupten, es habe keine ausdrückliche Vereinbarung zur "Übernahme" der Kosten der Wahlkampfhilfen des Vereins gegeben. Eben dies habe die AfD auf Anfrage der Bundestagsverwaltung getan. Die millionenschweren Werbemaßnahmen seien "ohne jede Kenntnis des Bundesvorstands und der Landesvorstände" durchgeführt worden. Sie seien "weder mit Gremien [der] Partei geplant oder abgestimmt" worden noch habe die Partei sie "ihrerseits finanziert".

Einen anonymen, formell unabhängigen Verein, der mit "Millionen den Wahlkampf unterstützt", habe der Gesetzgeber in den Wahlgesetzen "nicht vorgesehen", erläuterte Die Zeit. Mithilfe dieses Konstrukts können millionenschwere Gönner die AfD unterstützen, ohne dass ihre Namen publik würden. Dies sei letztendlich eine "millionenschwere Blackbox".

Offensichtlich sind hier Manipulationsprofis am Werk, die sich mit der löchrigen Gesetzeslage ausführlich auseinandergesetzt, und ihr Vorgehen darauf präzise abgestimmt haben. Die Gesetzeslücke wird geschickt ausgenutzt, um der AfD durch - formell unabhängige - Organisationen eine weitaus größeres Wahlkampfbudget zur Verfügung zu stellen, als die offiziellen drei Millionen Euro, die die Partei bis zum Urnengang ausgeben will. Dennoch scheinen zumindest hinreichende Anhaltspunkte für verdeckte Parteifinanzierung zu bestehen (wenn Mitgleiter des Vereins offen bei der AfD als Redner auftreten oder wenn die Namen von AfD-Größen im Impressum der Vereinszeitungen erscheinen), derer sich etwa die deutsche Justiz annehmen könnte, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt wäre, Fötalstellungen von Demonstranten mit mehrjährigen Haftstrafen zu ahnden.

Eine Justiz, die auf dem rechten Auge blind ist, durch dunkle Kanäle finanzierte Rechtspopulisten und Rechtsextremisten, kooperationswillige Konservative in einer offenen rechten Flanke - die historischen Parallelen zum Aufstieg des Nationalsozialismus in den 30er Jahren sind inzwischen unübersehbar.

Der Künstler John Heartfield hat die großzügige Finanzierung der rechten Barbarei durch mächtige Interessensgruppen damals in seinem bekanntesten politischen Plakat genial karikiert, dem "Sinn des Hitlergrußes", bei dem ein riesiger Anzugträger dem Führer Geldscheine in die zum Hitlergruß angewinkelte Hand streckt. Der "kleine Mann" bitte um "große Gaben", hieß es damals. Es hat sich aber etwas verändert im Vergleich zu den 30er Jahren: inzwischen müssen die rechten Parteien des "kleinen Mannes" nicht mehr um Gaben bitten - sie werden, so die offizielle Version, ganz ohne ihr Zutun mit geldwerten Zuwendungen und Gefälligkeiten überhäuft.

Demokratie "mit Füßen getreten"

Offensichtlich ist dieses Vorgehen im höchsten Maße undemokratisch. Lobbycontrol machte auch klar, wieso anonyme Großspenden in der Bundesrepublik schon ab einer Höhe 500 Euro verboten sind:

Verdeckte Großspenden an Parteien treten die Demokratie mit Füßen. Denn Demokratie heißt, dass jede Stimme grundsätzlich gleich viel Gewicht haben soll. Durch das Fehlen einer Obergrenze bei Parteispenden ist dieses Prinzip in Deutschland tendenziell immer gefährdet. Die bestehenden Transparenzvorschriften sollen jedoch immerhin gewährleisten, dass eine kritische Öffentlichkeit für Fairness im politischen Wettbewerb der Parteien sorgt: Wenn sichtbar ist, welche Akteure an welche Partei zahlen, können Bürger bei ihren Wahlentscheidungen berücksichtigen, was über die Interessen dieser Akteure bekannt ist. Bleiben Geldgeber im Dunkeln, wird das demokratische Recht der Bürgerinnen und Bürger beschädigt, eine informierte Wahlentscheidung zu treffen.

Lobbycontrol

Wenn folglich nicht alle Indizien trügen, dann bewegen sich die selbsternannten Saubermänner der AfD in einer rechtlichen Grauzone. Sie haben neue Wege der verdeckten Parteienfinanzierung erschlossen und - sollte diese Praxis nicht verboten werden - der Korrumpierung der Politik eine neue Dimension verschafft. Es kommt somit der Verdacht auf, die Rechtspopulisten haben einfach nur die korruptesten Praktiken des US-Wahlkampfes übernommen und an deutsche Verhältnisse angepasst: In den USA sind es die Super-PACs (Political Action Comitee), die von Oligarchen finanziert werden, um "ihre" Kandidaten zu unterstützen und die Spendenbeschränkungen zu umgehen. Auch die PACs gelten als formell unabhängig - wobei in den USA wenigstens noch Regelungen bestehen, die ihre anonyme Finanzierung verhindern. Soweit ist man in der braun anlaufenden Bananenrepublik Deutschland offensichtlich noch nicht.

Die Matterhorn-Connection

Vor Kurzem sorge eine Wahlwerbung der AfD für Belustigung, bei der das Matterhorn kurzerhand in die Bundesrepublik eingemeindet wurde. Indes sind diese expansionistischen Tendenzen der deutschen Rechtspopulisten durchaus nachvollziehbar, unterhält die AfD doch rege Kontakte in die Alpenrepublik, wo mit der SVP eine rechtspopulistische Partei seit Jahren Rassismus und Fremdenfeindlichkeit propagiert. Eine weitere Quelle der braunen Finanzzuflüsse zur AfD findet sich somit ausgerechnet dort, wo traditionell trübe Geldflüsse versickern: in der Schweiz.

Laut der Neuen Züricher Zeitung erhalte die AfD "Unterstützung aus der Schweiz". Die NZZ berichtete, dass der aus Deutschland stammende SVP-Mann Alexander Segert das "Extrablatt" des AfD-nahen "Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlicher Freiheiten" gestaltete. Der Unternehmer Segert ist Inhaber der Schweizer Werbeagentur Goal - und er zeichnet verantwortlich für die xenophoben Propagandaplakate der SVP, die traurige Berühmtheit erlangten. Goal soll auch mit mehreren zehntausend Euro einen Kongress der AfD finanziert haben.

Inzwischen sind Beweise dafür aufgetaucht, dass die Schweizer Werbeagentur auch direkt Wahlwerbung der AfD bezahlte. Mehrere tausend Euro zahlte die Schweizer Goal AG, um in deutschen Zeitungen Werbung für den AfD-Politiker Jörg Meuthen zu publizieren. Dieser bestreitet natürlich jegliche Kenntnis dieser Vorgänge. Inzwischen musste aber Meuthen einräumen, dass die Goal AG ihm seinen Internetauftritt finanzierte.

Fließenden Übergänge zwischen Neoliberalismus und Rechtsextremismus

AfD-Frontfrau Alice Weidel wiederum zahlt ihre Steuern gleich in der Schweiz. Die neoliberale Hardlinerin, die weitreichenden Sozialabbau mit dem Ausbau des Polizeistaates koppeln will, verfügt über beste Verbindungen in die Finanzbranche. Sie war bei der Investmentbank Goldman Sachs tätig, um hiernach in den Vorstand der Allianz Global Investors weiterzuziehen.

In kaum einer anderen Personalie der AfD werden die fließenden Übergänge zwischen Neoliberalismus und Rechtsextremismus so deutlich wie bei Frau Weidel. Für die ehemalige Goldman-Sachs-Bankerin sei vor allem Disziplin das "Leitthema" ihres politischen Engagements, so das Manager Magazin. Ein "schlanker Staat" setze "sich selbst verantwortlichen Individuen einen klaren Rechtsrahmen", wobei jeder Verstoß geahndet werde. Und zwar gnadenlos: "Jede Missachtung führt aus ihrer Sicht direkt in den Untergang."

Die AfD verfügt nicht nur in Gestalt ihrer Frontfrau über eine neoliberale Hardlinerin. Lobbycontrol nennt drei Spitzenpolitiker der Rechtspopulisten, die zugleich bei der Friedrich A. von Hayek Gesellschaft Mitglieder sind. Neben der Schweizer Spitzenkandidatin Weidel sind es die berüchtigte Beatrix von Storch sowie Peter Boehringer, der bei der Bundestagswahl auf dem zweiten Platz der bayerischen Landesliste kandidiert. Die Hayek-Gesellschaft hat sich der Propagierung "marktradikaler Ideen" verschrieben und spielt eine führende Rolle bei der "ideologischen Ausrichtung und Koordinierung einer Vielzahl neoliberaler Denkfabriken und Netzwerke", so Lobbywatch. Es bestünden "enge Beziehungen" auch "zur Alternative für Deutschland."

Diese neoliberalen Taliban, denen die FDP zu weich ist, sind somit in der AfD gut aufgestellt. Die neoliberalen, sozialdarwinistischen Seilschaften in der AfD, die sich mit dem ordinären Rassismus der offen rechtsextremistischen Kräfte anreichern, dürften somit die üppigen Zuflüsse anonymer Großspender befördern.

Kein Wunder, dass die AfD bereits vor ihrem eventuellen Einzug in den Bundestag schon bestens integriert ist im Korruptions- und Lobbyfilz der Hauptstadt, wie Campact berichtete.

Insbesondere im "Haus des Familienunternehmens", der Heimstatt der Stiftung Familienunternehmen, scheinen AfDler gut vernetzt. Der ehemalige AfD-Chef von Berlin, Matthias Lefarth, leite die Repräsentanz der Stiftung am Pariser Platz. Laut der AfD blieb Lefarth der AfD auch nach seinem Wechsel zu der Lobbygruppe verbunden, er werde "eng für den Landesverband und die Partei arbeiten". Die Arbeit der Stiftung jedenfalls wurde selbst von empörten CDUlern als ein "Lobby-Tsunami" bezeichnet: Ein wütendes Anrennen, um etwa eine sinnvolle Reform des Erbschaftsstreits zu verhindern, sodass die Nachkommenschaft der Familienunternehmer bloß nicht dem Leistungsterror ausgesetzt werden, den sie selber alltäglich allen Lohnabhängigen predigen.

Die gesellschaftliche Funktion der AfD scheint sich somit klar abzuzeichnen: Rassismus, Xenophobie und Nationalismus als ideologischer Kitt in Krisenzeiten, gesponsert von einflussreichen turboneoliberalen Netzwerken und rechtsextremen Kapitalfraktionen, die im Dunklen zu bleiben belieben.

Dies sei eine auf Indizien beruhende Schlussfolgerung, ohne stichhaltige Beweise? Gewiss, aber die AfD könnte dem selber sofort ein rasches Ende bereiten - indem sie eine berechtigte Frage beantwortet, die mitten im Wahlkampf mit aller Dringlichkeit gestellt werden muss: Wer finanziert die AfD?

Es wäre eigentlich im ureigensten Interesse der Partei, hier endlich unbequemen Klartext zu sprechen, Transparenz herzustellen und Ross und Reiter zu nennen. Dies ist die AfD gerade ihrer kleinbürgerlichen Wählerschaft schuldig - anstatt sich in rechtlichen Grauzonen zu bewegen und hinter Gesetzeslücken zu verstecken. Wer nichts zu verbergen hat, braucht auch keine Angst zu haben. Solange dies nicht geschieht, scheint die oben skizzierte wahrscheinlichste Variante zur Erklärung der mysteriösen Geldflut der AfD am - wahrscheinlichsten.