Trügerische Sicherheit

Seite 2: Vorbild Langzeitüberwachung von Medikamenten

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Medikamente sollen sicher und effektiv sein und bedürfnisbezogen vermarktet werden. Unter globaler Aufsicht der Weltgesundheitsorganisation WHO soll zur Balance zwischen Entwicklung und angemessener Verwendung neuer Medikamente einerseits und der Vermeidung unwirksamer und gefährlicher Arzneien andererseits ermutigt werden. Nach der Zulassung eines Medikaments beginnt die Langzeitüberwachung zur Sicherheit seiner Anwendung. Die Pharmakovigilanz oder Arzneimittelüberwachung soll unerwartete negative Wirkungen aufspüren, die sich bei einer massenhaften Anwendung eventuell zeigen könnten.

Diese Überwachung begleitet das jeweilige Medikament über den Zeitraum seines Einsatzes. Das dazugehörige Berichtswesen, in der EU etwa EudraVigilance, ist mit dem WHO Programme for International Drug Monitoring verbunden.

Fenclorim wird vor allem im Reisanbau eingesetzt und gehört zur Gruppe der Safener, die Kulturpflanzen selektiv gegen Schädigungen durch Herbizide schützt, ohne deren gewünschte Wirkungsweise gegen Unkräuter zu beeinträchtigen. Bild: Bernd Schröder

Die Informationslage zum Verhalten von Pestiziden nach ihrem Markteintritt ist im Vergleich zu den Medikamenten eher dürftig. Über das OECD Agricultural Pesticide Programme soll zwar eine Harmonisierung der Pestizid-Registrierung erreicht werden. Gleichzeitig sind die Mitgliedsstaaten angehalten, Gefahren des Pestizideinsatzes zu bewerten, zu kommunizieren und zu reduzieren. Und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO empfiehlt ihrerseits, die Verwendung von Pestiziden zu melden, doch diese Berichterstattung geht in der Regel nicht über Angaben zur jährlich eingesetzten Gesamtmenge, der Gesamtfläche der behandelten Flächen und der Palette der behandelten Kulturen hinaus. Für Länder ohne diese Angaben werden Pestizid-Verkaufsstatistiken als weniger genauer Ersatz in Betracht gezogen.

Angaben zu Zwischenfällen mit Pestiziden fehlen meist ganz. Die Pestizid-Verordnungen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten verlangen, dass Zulassungsinhaber Informationen zu potenziell gefährlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier, auf das Grundwasser oder die Umwelt aktualisieren, aber es ist oft nicht klar, was genau sie messen und berichten sollen. Das bleibt häufig unverbindlich dem Urteilsvermögen des Anwenders überlassen.

Bedeutender Kostenfaktor für die Industrie: Datenanforderungen der Behörden bei der Neueinführung von Pestiziden

Die durchschnittlichen Kosten der Forschungs- und Entwicklungsarbeit, die zur Markteinführung eines neuen Pflanzenschutzpräparats führen, belaufen sich nach einer Studie der Agrobusiness-Berater von Phillips McDougall für den Wirtschaftsverband CropLife America gegenwärtig auf schätzungsweise fast 300 Millionen US-Dollar. Die Forschungsarbeiten benötigen im Schnitt 100 Millionen US-Dollar für die Synthese infrage kommender Moleküle und das Screening ihrer biologischen Aktivität.

Ein Großteil der Entwicklungsausgaben fließt in die geforderten umweltchemischen Studien. Als größter Einzelposten während der Entwicklungsphase schlägt mit über 30% der Gesamtentwicklungskosten der Anteil der Ausgaben für Feldversuche zu Buche, Tendenz steigend. Ebenso anwachsend: die Registrierungskosten, die momentan bei rund 33 Millionen US-Dollar pro Neu-Pestizid liegen. Die Studie sieht die Ursache dafür in der Anforderung zusätzlicher Studien durch die Regulierungsbehörden. Die Überführung eines möglichen Produkts von der Forschungs- in die Entwicklungsphase stellt für die beteiligten Unternehmen eine finanzielle Schlüsselentscheidung dar.