Trump: Medien sind der "wahre Feind des Volkes"

Bild: Weißes Haus

Der US-Präsident kann trotz der Gewalttätigkeiten das Schüren von Hass nicht lassen. Für ihn sind Fake News die Medien, in Deutschland sind es die Sozialen Netzwerke

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Die Paketbomben waren von Cesar Sayoc, einem verwirrten Trump-Anhänger aus Florida, an demokratische Politiker, CNN und Trump-Kritiker geschickt worden. Gestern wurde noch einmal eine an CNN gerichtete Paketbombe in Atlanta entdeckt, die denen glich, die bereits gefunden wurden. Möglicherweise sind noch weitere unterwegs. Ohne direkten Zusammenhang überfiel Robert Bowers in Pittsburg eine Synagoge und tötete 11 Menschen, weil er Juden hasst und diese für die Einwanderung von Migranten in die USA verantwortlich machte. Beide waren getrieben von Angst vor und Wut auf Ausländer, Nicht-Weiße und andere Minoritäten wie Schwule oder Lesben.

Es sind Vorurteile und Ängste, die auch US-Präsident Donald Trump schürt. Er machte schon bislang eine unglückliche Gestalt, weil er nicht aus dem Wahlkampfmodus herauskam. Die "Paketbombensache" fand er nicht passend, sie würde die Menschen nur davon ablenken, die richtigen zu wählen. Für das Pittsburgh-Massaker forderte er die Todesstrafe und empfahl die weitere Hochrüstung der Gesellschaft mit Schusswaffen. Wäre die Synagoge von bewaffneten Schutzmännern bewacht worden, wäre das vielleicht nicht passiert oder es hätte weniger Tote gegeben, erklärte er.

Jetzt aber, kurz vor den Wahlen, schaltete er am Montag wieder ganz auf Angriff um. Für die steigende Aggressivität und Wut im Land seien die Medien verantwortlich. Die nämlich würden eben das machen, was nicht nur die Medien Trump selbst vorwerfen, nämlich Fake News verbreiten. Mit der Beschuldigung der "Fake News Medien" als dem "wahren Feind des Volkes" warf er nun wieder einmal ausgerechnet den Medien das vor, was er gerade selbst praktiziert. Sie müssten "die offene und offensichtliche Feindlichkeit beenden und die Nachrichten genau und fair berichten".

Allerdings ist in den USA die Gesellschaft so gespalten, dass sich Anti-Trump-Medien und Trump mitsamt Anhängern in gegenseitigen Anschuldigungen verfangen haben. Viele Medien machten Trump für die Gewalttaten im Wahlkampf verantwortlich, allerdings war die Gewaltbereitschaft in den USA schon vor Trump und unter Barack Obama hoch. An die Gründe wollen die Opponenten aber nicht rühren, also an die Armut, die fehlenden soziale Netze, den Rassismus, die Ablehnung von Minoritäten, den Kult des skrupellosen Erfolgs und Reichtums und der Ideologie, individuell und als Nation aufgerüstet zu sein und bei Bedarf schnell zuzuschlagen, die fatalen Folgen des die politische Handlungsfähigkeit blockierenden Zwei-Parteien-Systems oder eben des harten kapitalistischen Systems.

Die Angriffe in den Medien auf Trump, der die Taten nicht hinterfragen wollte und sie als solche von Verrückten darstellte, für die niemand etwas kann, führten den gekränkten Mann dazu, mit derselben Münze zu reagieren. Die Logik ist verräterisch und entspricht den üblichen Strategien in einem Streit, einen Vorwurf mit einem anderen zu beantworten und sich selbst als unschuldig/unbeteiligt zu geben:

The Fake News is doing everything in their power to blame Republicans, Conservatives and me for the division and hatred that has been going on for so long in our Country. Actually, it is their Fake & Dishonest reporting which is causing problems far greater than they understand!

Während in Deutschland für den Hass die Sozialen Netzwerke und vielleicht noch ausländische, etwa russische Medien hauptsächlich verantwortlich gemacht werden, spricht Trump, der selbst exzessiv und manipulativ Twitter benutzt, um Feinde auszumachen und zu beschimpfen, alles Böse den Medien zu. Im Grunde bedeutet das, dass die Welt, vor allem Trumps Amerika, gut und schön wäre, wenn es nur keine Kritik seitens der Medien gäbe, die seine segensreiche Politik madig machen: "Das wird viel bewirken, um die Flamme der Wut und Empörung zu löschen. Und dann werden wir alle Seiten in Frieden und Harmonie zusammenbringen können. Fake News müssen aufhören!", schrieb er in einem Tweet.

Man muss allmählich doch ernsthaft vermuten, dass Donald Trump wie viele seiner Anhänger in einer Informationsglocke und einer Wahnwelt lebt. Das wurde auch schon vielfach beschrieben. Erst wenn der "wahre Feind des Volkes", das Donald Trump vertritt und führt, zum Schweigen gebracht wird und nichts mehr über ihn und seine Politik berichtet, was nicht gefällt, wird also Frieden einkehren.

Jede Form von Selbstreflexivität bzw. Nachdenklichkeit fehlt dem narzisstischen Milliardär, wie schon lange deutlich wurde, auch nur vorsichtige Kritiker in den eigenen Reihen wurden entlassen. Trump schafft es nicht einmal, sich einen oder zwei Tage zurückzuhalten, offenbar ist auch keiner aus seinem Stab in der Lage, ihn zu bändigen, vor allem wenn er als Präsident auf seinem privaten Twitter-Account seine berüchtigten Tweets schreibt.

Nach Frieden und Harmonie klingt auch nicht, wenn er den demokratischen Kandidaten in Florida als Dieb bezeichnet, der als Bürgermeister mit Tallahassee "eine der am korruptesten Städte im Land" regiert. Und der Versuch, die Flüchtlingskarawane zu dämonisieren, ist ganz rechtspopulistischer oder rechtsextremer Stil. Das sei eine "Invasion", schreibt er und verwendet damit die Bezeichnung, die auch der Pittsburg-Massenmörder benutzte. Gegen die Migranten, die zu Invasoren werden, muss dann natürlich das Militär und nicht die Grenzpolizei eingesetzt werden. Über 5000 Soldaten werden gegen etwas mehr als 3000 Migranten in der Karawane entsendet, die bis zur Ankunft an der Grenze weiter schrumpfen wird. So etwas nennt man Overkill oder eben Fake News durch extreme Übertreibung der Bedrohung.

Trump suggeriert, dass die Migranten mit Gewalt und vielleicht auch noch bewaffnet über die Grenze in die USA eindringen wollen. Das haben die Karawanen der letzten Jahre nicht gemacht, auch nicht intendiert, und das wäre auch vergeblich gewesen. Und ob viele "Gangmitglieder" und "böse Menschen" unter den Migranten sind, ebenfalls ein gebräuchlicher Versuch der Rechten, Angst vor Migranten zu erwecken, dürfte auch höchst fraglich und eher eine Fake News sein:

Many Gang Members and some very bad people are mixed into the Caravan heading to our Southern Border. Please go back, you will not be admitted into the United States unless you go through the legal process. This is an invasion of our Country and our Military is waiting for you!

Donald Trump

Leise wird auch aus den eigenen Reihen Trumps aggressiver Stil gerügt. So erklärte der republikanische Senator James Lankford in "Face the Nation" von CBS, dass Trump zwar nicht für die Handlungen eines "hasserfüllten Individuums" verantwortlich gemacht werden könne, aber er bat ihn, seine Rhetorik "herunterzufahren", die "dem grundsätzlichen Dialog nicht hilfreich" sei. Die Rhetorik müsse klar, aber nicht bissig sein.