Trump belebt die Achse des Bösen neu

Seite 2: Iran am Pranger

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Stattdessen hat sich Donald Trump auf den Iran eingeschossen, offenbar neben Baschar al-Assad in Syrien - anders kann man seine Rede kaum lesen - die einzige Diktatur im Nahen Osten unter lauter Musterdemokratien. Der Vertrag über das iranische Nuklearabkommen sei der schlechteste Vertrag, den die USA jemals abgeschlossen hätten, behauptete er einmal wieder. Kein Wort dazu, dass der Vertrag funktioniert, dass der Iran ihn einhält, was von der Internationalen Atomenergiebehörde überprüft wird. Und dass der Iran damit auf Atomwaffen verzichtet hat, was vielleicht ein Modell für Nordkorea sein könnte.

Stattdessen kündigte Trump an, dazu ein anderes Mal mehr zu sagen. Die Drohung, den Vertrag zu kündigen, ist also nicht vom Tisch. Das iranische Regime habe das Land zu einem Schurkenstaat heruntergewirtschaftet und unterstütze Terroristen wie die Hisbollah, schimpfte er. Das "mörderische Regime" in Teheran untergrabe den Frieden im gesamten Nahen Osten. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu nickte dabei übrigens kräftig: Er agitiert seit Jahren gegen das Atomabkommen und hält den Iran für die größte Bedrohung Israels, was freilich auch in Israel umstritten ist.

Letzter Kampf gegen den Sozialismus

Unstrittig ist aber, dass im Iran die Mullahs diktatorisch herrschen, genauso wie Nordkorea eine Diktatur ist und die Entwicklung in Venezuela selbst wohlwollenden Beobachtern mindestens problematisch erscheint. Doch damit reihen sie sich ein in die große Zahl autoritär regierter Staaten. Sanktionen verhängen die USA aber nur gegen Länder wie Kuba oder Venezuela. Warum, daran ließ Trump vor der UNO keinen Zweifel: Das Problem bei Venezuela sei nicht, dass der Sozialismus schlecht verwirklicht wurde, erklärte er der Weltgemeinschaft, sondern dass er dort verwirklicht worden sei. Das Land sei eine "sozialistische Diktatur". Somit kann sich Trump immerhin rühmen, 28 Jahre nach dem Fall der Mauer, den Kampf gegen den Sozialismus wieder aufgenommen und vor die UNO gebracht zu haben.

In Venezuela sei der nationale Wohlstand zerstört worden durch eine Ideologie, so Trump. "Wir können da nicht einfach zusehen", behauptete er, man werde "das Regime zur Rechenschaft ziehen". "Wir fordern die vollständige Wiederherstellung der politischen Freiheiten in Venezuela", rief er vor der Generalversammlung, in der einige froh gewesen sein dürften, dass in diesem Moment nicht ihr Land genannt wurde. Dass Trump überhaupt auf Kuba zu sprechen kam, dürfte nur daran liegen, dass sein Vorgänger Obama dort die Aufhebung der Sanktionen eingeleitet hatte. Davon setzte sich Trump demonstrativ ab und forderte Reformen.

Reform der UNO

Was Donald Trump grundsätzlich über die Weltorganisation sagen würde, war insofern spannend, als er ja mit dem Motto "Amerika zuerst" die Wahl gewonnen hatte. Das hat im Wahlkampf funktioniert, aber bei der UN-Generalversammlung ist selbst der US-Präsident nur ein Staatsoberhaupt unter vielen. Trump löste den Widerspruch zwischen nationalem Eigeninteresse und Weltorganisation so: Die UNO müsse eine Gemeinschaft "starker, souveräner Nationen" sein. Die könnten unterschiedliche Regierungsformen haben, Religionen oder Kulturen, jedes Land könne seine eigenen Interessen vertreten, solange es die Rechte der anderen achte. "Die Vereinigten Staaten werden immer ein großer Freund der Welt sein und insbesondere unserer Verbündeter", versprach er.

Wie schon am Tag zuvor mahnte der US-Präsident, die Weltorganisation sei zu teuer und der Anteil der USA am Budget sei zu hoch ("nicht fair"). Allerdings sagte Trump auch, das alles wäre nicht schlimm, wenn die UNO denn liefern würde, was sie verspricht. Deswegen müsse sie reformiert werden. Für einen Präsidenten der politischen Rechten war das vergleichsweise moderat: Nicht nur in den USA stehen diese den Vereinten Nationen wie allem, was über der eigenen Nation steht, prinzipiell skeptisch bis ablehnend gegenüber.

Exkurs: Der Präsident als UN-Profiteur

Vielleicht haben hier die Geschäftsinteressen mäßigend gewirkt. Denn gegenüber dem Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York befindet sich der Trump World Tower, das dritthöchste Wohngebäude der Vereinigten Staaten. Der Immobilienunternehmer Trump hatte das Gebäude in zwei Jahren zwischen 1999 bis 2001 gebaut.

Der Bau hat sich gelohnt und Trump weiß, wem er den Erfolg zu verdanken hat: der Lage bei den Vereinten Nationen. Am Vorabend seiner Rede gab Trump das auch ganz ungeniert zu: "Ich sah ein großes Potential gerade auf der gegenüberliegenden Straße und, um ehrlich zu sein, nur weil die Vereinten Nationen hier sind, ist es wirklich zu so einem erfolgreichen Projekt geworden."

Kritik des UNHCR

Trump sprach sich schließlich vor der UN-Generalversammlung auch dafür aus, Flüchtlingen zu helfen - wozu die Vereinten Nationen ja über das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und das Welternährungsprogramm WFP beitragen. Flüchtlinge müssten "so nah wie möglich an ihren Heimatländern untergebracht werde", forderte er. Das richtete sich gegen "unkontrollierte Zuwanderung", die unfair sei gegenüber den Entsende- wie den Empfängerländern: Die Herkunftsländer würden dringend benötigte Menschen verlieren, den Aufnahmeländern werde dadurch viel abverlangt.

Doch gerade das UNHCR bangt jetzt um Zukunft. Denn Trump hatte schon länger angekündigt, dass die USA ihre Beiträge kürzen würden. Das könnte die Flüchtlingshilfe hart treffen. Zu dem Budget von 4 Milliarden Dollar in 2016 trugen allein die USA 1,5 Milliarden Dollar bei. Zum Vergleich: Mit je rund 360 Millionen Dollar waren die EU und Deutschland zweitgrößte Geldgeber. Die Sparpläne der US-Regierung gefährdeten die Arbeit des UNHCR, hatte deshalb der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, gewarnt.

Im Umgang mit dem UNHCR wird sich jedenfalls zeigen, was aus der Flüchtlingskrise 2015 gelernt wurde. Wie man inzwischen weiß, sind syrische Kriegsflüchtlinge 2015 erst dann Richtung Balkan nach Mitteleuropa aufgebrochen, als die Versorgung in den Flüchtlingslagern eingeschränkt wurde. Der Grund war, dass das UNHCR keinen eigenen Haushalt hat, sondern auf Spenden der Staatengemeinschaft angewiesen ist. Und die waren trotz Warnrufen ausgeblieben. Mit der Folge, dass die Flüchtlinge kein Geld mehr auf ihren Geldkarten hatten und sich vor Ort keine Nahrungsmittel mehr kaufen konnten.

Dass die Menschen vor dem Krieg geflohen sind, ist also nur ein Teil der Wahrheit. Sie flohen auch, weil die Flüchtlingshilfe nicht mehr funktionierte. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig die Vereinten Nationen samt ihren Unterorganisationen sind. Mal sehen, ob Donald Trump den Zusammenhang verstanden hat.