Trump und Thunberg - zwei Gesichter des Kapitalismus
Die Inszenierung in Davos zeigte, wie in Zeiten des Ökologismus radikale Kritik und Opposition gegen die herrschenden Verhältnisse marginalisiert wird. Wie werden die linken Klimaaktivisten darauf reagieren?
Jahrelang sorgte das Welt-Economic-Forum in Davos für wenig Interesse. Das änderte sich im Zuge der globalisierungskritischen Bewegung Ende der 1990er Jahre. Mehrere Jahre dominierten die Proteste gegen das WEF und die staatliche Repression dagegen die Berichterstattung so sehr, dass auch in der Schweiz über das Ende dieses Elitenmeetings nachgedacht wurde.
Nach dem islamistischen Anschlag von 2001 zog das WEF tatsächlich für ein Jahr in die USA, offiziell aus Solidarität mit den Anschlagsopfern. Doch es ging dem WEF-Organisator Klaus Schwab auch darum, die Kritiker in der Schweiz zu besänftigten, die sich fragten, warum dieses hochkarätige Privattreffen von einer massiven Polizeiarmada geschützt werden muss.
Die Mehrheit der WEF-Kritiker lehnte damals jeden Dialog mit den Organisatoren ab und forderte ein Ende des Meetings. Dabei verwendeten sie nicht selten Argumente einer verkürzten Kapitalismuskritik, die gelegentlich ins Antisemitische changierte, wenn da der Tanz um ein goldenes Kalb in Davos inszeniert wurde (Ein Sheriffstern mit sechs Zacken).
Die WEF-Organisatoren bemühten sich hingegen schon früh, Teile der Kritiker als Zivilgesellschaft einzugemeinden. Es passt schließlich zum Selbstverständnis von Schwab und Co., dass die Eliten aus Wirtschaft und Politik auch mal die kritischen Stimmen hörten. Erst mit dem Niedergang der globalisierungskritischen Bewegung kamen diese Stimmen des Dialogs mit der Macht zum Zuge. Sie hatten keinerlei Einfluss, aber durften mal den Herren und Damen mit Macht die Meinung sagen.
Thunberg-Auftritt: Erfolg für WEF
In diesem Jahr können die WEF-Macher besonders zufrieden sein. Mit dem Auftritt von Greta Thunberg noch vor der Rede von Donald Trump ist ihre Strategie voll aufgegangen. Dabei hätte es auch keine Rolle gespielt, ob Thunberg in ihrer Rede auch die Mächtigen angreift. Es ist ja gerade deren Strategie auf solchen Treffen, ihre Kassandras als eine Art moderne Hofnarren und -närrinnen einzuladen, die ja auch ganz unkonventionelle Gedanken äußern, die dann vom kapitalistischen Apparat verdaut werden und die Flexibilität des Systems steigern.
Aber Thunberg äußerte nichts in dem Sinne Kritisches. Mit ihrer Erklärung, ihr ginge es nicht um links und rechts, beide hätten versagt, recycelte sie den reaktionären Grundkonsens der Grünen, weder rechts noch links, sondern vorn zu sein. Dagegen haben bereits in den frühen 1980er Jahren zeitweise erfolgreich linke Ökologen und Ökologinnen angekämpft.
Wenn Thunberg vor dem WEF solche Parolen zum Besten gibt, dann stärkt sie die Rufe nach einer Herrschaft der Technologen, die natürlich völlig ideologiefrei die kapitalistische Logik verinnerlicht haben. Nur erscheint ihnen das nicht etwa als Ideologie, sondern als Naturgesetz. In diesem Zusammenhang steht auch das ständige Sich-Berufen auf die Wissenschaft, das Thunberg und ihre Epigonen im Munde führen. Denn hier wird schlicht die Vermittlung von Wissenschaft in Politik unterschlagen und auch das ist Bestandteil einer kapitalistischen Ideologie.
Wenn sich vor 120 Jahren Linke in der Bremer Sozialdemokratie auf die Wissenschaft berufen haben und so gegen ein reaktionäres preußisches Schulgesetz protestierten, mit dem klerikale Riten und deutscher Untertanengeist kombiniert wurden, haben sie eben nicht die Herrschaft der Wissenschaft das Wort geredet. Sie propagierten die Stärkung der Arbeiterbewegung, konkret des linken Flügels der Bremer Sozialdemokratie, die spätere Keimzeile der Bremer Linksradikalen, die bereits vor dem Spartakusbund die Trennung von der SPD propagierte.
Wenn Thunberg und Co. auf einem Elitentreffen für die ideologiefreie Wissenschaft eintreten, ist das eine Einladung an die Kapitalvertreter, sich als die Stimme der Vernunft und Rationalität auszugeben. Trump gibt das Gesicht des fossilen Kapitalismus mit nationalistischem Einschlag und Thunberg steht für den modernen, nichtfossilen Kapitalismus, der Umweltbewusstsein auf seine Fahnen schreibt. Dabei geht es beiden Formen des Kapitalismus natürlich um Mehrwertproduktion und Ausbeutung von Arbeitskraft.
Radikaler WEF-Kritik in den Rücken gefallen
Nun könnte man einwenden, heute gibt es eben keine relevanten Organisationen der Arbeiterbewegung mehr, die den Anspruch haben, den Kapitalismus zu überwinden, und daher bleibt die Rolle der Kassandra oder, weniger freundlich formuliert, der Hofnärrin der Eliten als einzige Rolle.
Das unterschlägt aber, dass Thunberg mit ihren Auftritt beim WEF selber zur Delegitimierung grundsätzlicher Kritik am WEF beiträgt. Und das gleich in zweifacher Hinsicht. Ganz praktisch gibt es auch in diesem Jahr Proteste von WEF-Kritikern in der Schweiz, die keinen Dialog mit dem Forum suchen, sondern es grundsätzlich kritisieren.
Durch den Thunberg-Auftritt werden diese Initiativen weiter marginalisiert. Auf einer grundsätzlicheren Ebene soll der Auftritt einer prominenten Galionsfigur der Klimajugendbewegung auf dem WEF jede generelle Kritik an der Gesellschaft, für der das WEF steht, delegitimieren.
Wie reagieren die linken Klimaaktivisten?
Andererseits könnte der Auftritt auch zu Klärungsprozessen in der Klimabewegung führen. Es gab in den letzten Monaten auch Erklärungen von linken Klimaaktivisten, die allerdings meist betonten, sie wollen Thunberg keineswegs kritisieren und die Bewegung spalten.
Damit nahmen sie eine Position ein, wie sie die Zentristen in der Sozialdemokratie vor 120 Jahren vertraten. Sie kritisierten an bestimmten Punkten die Verbürgerlichung der Parteistrukturen, scheuten aber eine klare Auseinandersetzung, ja eine Trennung von den Revisionisten vehement. Die schon erwähnten Bremer Linksradikalen waren in der SPD vor dem 1. Weltkrieg eine der wenigen linken Zusammenschlüsse, die eine solche Trennung für unausweichlich hielten.
Spätestens mit dem prominenten Thunberg-Auftritt in Davos stellt sich für die Linken in der Klimaumweltbewegung die Frage, ob sie sich als Feigenblatt für einen Kapitalismus mit ökologischem Anstrich hergeben oder auch zu einer Trennung bereit sind. Dabei würden sie auf linke Zusammenhänge stoßen, die bereits seit Jahren die ökologische Frage von links stellen. Ich nenne hier nur mal stichpunktartig so unterschiedliche Gruppierungen wie die Ökologische Linke, die Umweltgewerkschaft oder das Netzwerk Ökosozialismus.