Türkei: Oppositionspartei HDP kurz vor dem Verbot?

Seite 2: Alte Praktiken gegen Oppositionelle werden wieder angewandt

Die Frankfurter Rundschau berichtete neulich, dass in der Türkei wieder vermehrt die Praxis des "Verschwindenlassen" zu beobachten sei.

Seit 2016 gäbe es zunehmend Fälle von auf mysteriösen Weise Vermissten. Dafür soll die Regierung verantwortlich sein. So ist der ehemalige Regierungsmitarbeiter Hüseyin Galip Kücüközyigit spurlos verschwunden. Seine Tochter vermutet, dass die türkische Regierung dahintersteckt. In den 1980er und 1990er Jahren war Verschwindenlassen eine gängige Praxis gegen oppositionelle Kurden gewesen. Die regelmäßigen Kundgebungen der Samstagsmütter mit den Fotos ihrer verschwundenen Söhne und Töchter sind noch heute traurige Zeugnisse dieser Praxis. Der Arbeiter Gökhan Türkmen war nach einem dpa-Bericht neun Monate verschwunden. Er berichtete, dass er von einer Gruppe entführt wurde, die sich als "die Unsichtbaren" bezeichnen. Nach seinen Angaben wurde er 271 Tage lang in einer Zelle mit verbundenen Augen und an Händen und Füßen gefesselt gefangen gehalten.

Human Rights Watch (HRW) berichtete, dass ihm die Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung vorgeworfen wurde und die Organisation vermutet, dass der türkische Staat hinter der Entführung steckte. Natürlich lässt sich das alles nicht beweisen und weshalb sollte sich die Erdogan-Regierung dann zur Praxis des "Verschwindenlassens" äußern.

Oppositionelle sind auch in Deutschland nicht sicher

Auch in Deutschland mehren sich Morddrohungen gegen türkische und kurdische Oppositionelle. Sie alle beinhalten die Botschaft "Der Tod wird dich finden" und allen Morddrohungen ist gemein, dass die Accounts, von denen die Morddrohungen verschickt wurden, einen Bezug zu "Jitem" haben.

Jitem hieß die Spezialeinheit der türkischen Gendarmerie, deren Todesschwadronen in den 1990er Jahren für zahlreiche Morde an kurdischen Oppositionellen verantwortlich waren. Auf Bildern, die den Drohungen beigefügt werden, sind häufig Patronen, Schusswaffen oder bewaffnete Personen zu sehen.

Kleine Anfrage der Linkspartei

In einer Kleinen Anfrage der Linkspartei von Anfang März wird gefragt, inwieweit die Bundesregierung Kenntnis von den vermehrten Morddrohungen mit Bezug zum türkischen Geheimdienst MIT hat und ob für den Schutz der betroffenen Personen gesorgt wird. Welche Antwort wird die Bundesregierung angesichts der ca. 8.000 in der Bundesrepublik vermuteten MIT-Agenten wohl geben?

Offensichtlich interessieren sich Bundesregierung und Behörden nur wenig für den Schutz der in Deutschland lebenden kurdischen Bevölkerung: Der Prozentsatz an Asylsuchenden aus der Türkei, die in Deutschland einen Schutzstatus erhalten, liegt bei rein türkischstämmigen Flüchtlingen um mehr als das Fünffache höher als bei Kurden.

Dies geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Ulla Jelpke hervor. Von den kurdischen Asylsuchenden aus der Türkei wurden 2020 nur 15,2% positiv beschieden, während 76,1% der türkischstämmigen Asylsuchenden anerkannt wurden. Vergleicht man das mit den Zahlen der Verfolgung und Diskriminierung der kurdischen Bevölkerung in der Türkei, die zu Tausenden festgenommen und inhaftiert werden, drängt sich der Eindruck auf, dass Bundesregierung und Behörden der Erdoganschen Repressionspolitik zuarbeiten.

Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen was abgelehnten kurdischen Asylbewerbern geschieht, wenn sie wieder in die Türkei zurückmüssen. Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Ulla Jelpke, fordert daher zurecht, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seine Entscheidungspraxis überprüfen und der Realität anpassen müsse. Diese Zahlen passen auch zur antikurdischen Politik der Bundesregierung, die im Einklang mit der türkischen Regierung die linke kurdische Community systematisch kriminalisiert und das Framing "Kurde=Terrorist" bewusst bedient.

Ganz anders ist der deutsche Umgang mit den Gülenisten. Obwohl auch die islamistische Sekte um den Prediger Fethullah Gülen in der Türkei als Terrororganisation gelistet ist, kommen deren Asylsuchende in den Genuss einer Asylanerkennung. Zudem gibt es auf Bundes- wie auch auf Landesebene eine rege Zusammenarbeit mit der Gülen-Sekte. In Berlin ist zum Beispiel der Imam des entstehenden und senatsgeförderten interreligiösen "House of One", vom "Forum für Interkulturellen Dialog", einer Einrichtung der Gülenisten.