Türkei: So wurde das Referendum manipuliert

Seite 2: Der Wahltag

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Am 16. April sollten die Wahlurnen unter intensiver Beobachtung sein. Neben den Oppositionsparteien stellten auch die OSZE und die Initiative Hayir ve Ötesi Wahlbeobachter. Wenige Tage zuvor war 164 Wahlbeobachtern der HDP die Zulassung entzogen worden. Während der Abstimmung wurden folgende Manipulationen mehrfach und von unterschiedlichen Quellen dokumentiert und berichtet:

  • In Wahllokalen dürfen keine Parteiabzeichen gezeigt werden. Die Wahlbeobachter-Ausweise der Parteien zeigen aber das jeweilige Parteilogo. Die Beobachter trugen diese Ausweise in ihren Taschen, nicht offen. Die Polizei nahm zahlreiche Wahlbeobachter vor allem der HDP stundenweise fest und begründete dies mit dem "Zeigen von Parteiabzeichen" in Bezug auf diese Ausweise. Dadurch waren die Urnen zeitweise unbeobachtet.
  • In mehreren kurdischen Städten und Dörfern zwangen die von der AKP eingesetzten bewaffneten Dorfschützer die Wähler, offen abzustimmen.
  • Auf mehreren Videos ist zu sehen, wie reihenweise Wahlzettel mit Ja abgestempelt werden.
  • In mindestens einem Fall hat eine Person mehrere Wahlzettel in die Urne geworfen.

Als die Auszählung begann, orientierten sich türkische Medien an den Zahlen, die die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu lancierte. Zu Beginn der Zählung hatten die Ja-Stimmen einen immensen Vorsprung von 66 Prozent. Dieser schrumpfte fortan aber minütlich zusammen. Als er nur noch bei 53 Prozent stand, waren laut Anadolu bereits 95 Prozent der Stimmen ausgezählt.

Die staatliche Wahlkommission YSK sprach zu diesem Zeitpunkt hingegen von einem Anteil von nur siebzig Prozent ausgezählter Stimmen. Wenig später ging die YSK-Website offline. CHP und HDP riefen ihre Wahlbeobachter auf, unbedingt bis ganz zum Schluss in den Wahllokalen zu bleiben. Im Laufe des Abends kam es dann mehrfach zu dokumentierten Angriffen auf Auszähler und Wahlbeobachter, die Manipulationen zu verhindern versuchten.