Türkei: UN untersucht Foltervorwürfe
Nach den Massenverhaftungen seit dem Putschversuch im Juli mehren sich Berichte über Folter in türkischen Gefängnissen
Im Jahr 2004 hatte die Türkei unter dem Druck der EU nicht nur die Todesstrafe abgeschafft, sondern auch versprochen, die bis dahin gängige Praxis der Folter zu beenden. Mehr als zehn Jahre lang scheint man sich daran weitestgehend gehalten zu haben. Im Zuge der Verhaftungen zehntausender Menschen nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli mehrten sich allerdings die Gerüchte wieder.
Nur wenige Tage nach der Putschnacht tauchten Bilder von Militärs in Polizeigewahrsam auf, die offensichtlich geschlagen worden waren. Der türkische Justizminister Bekir Bozdag hatte die Anschuldigungen mehrfach zurückgewiesen und gesagt, es handele sich dabei um eine Schmutzkampagne gegen die Türkei.
Inzwischen sind die Vorwürfe allerdings konkret geworden. Die Anwältin Selcan Bayun berichtete der BBC über die Erlebnisse eines ihrer Mandanten. Man habe ihn verprügelt und seinen Kopf gegen eine Wand geschlagen. Er habe gebrochene Rippen und Schädelverletzungen. Zudem sei es kaum möglich, offen mit ihrem Mandanten zu sprechen, da bei jeder Unterredung Polizeibeamte anwesend seien und sich einmischen würden. Die Gefangenen hätten zu große Angst, offen mit ihren Anwälten zu sprechen.
Die BBC berichtet außerdem von einem Kurden, dem PKK-Mitgliedschaft vorgeworfen wurde. Er sagte demnach: "Sie hatten 200 Bilder von Leuten, die wir als PKK-Kämpfer identifizieren sollten. Als ich mich weigerte begann die Folter. Sie hängten Gewichte an unsere Hoden. Den Schmerz spüre ich noch immer. (…) Sie brachten uns hinterher ins Krankenhaus und wiesen die Ärzte an, keine Berichte zu schreiben." Der Mann berichtet außerdem von Vergewaltigungen mit Schlagstöcken.
Die Vereinten Nationen haben inzwischen einen Sonderberichterstatter in die Türkei geschickt, der die Lage vor Ort untersuchen soll. Er wird sich vor Ort mit den Behörden und mit Menschenrechtsorganisationen treffen. Zugang zu den betreffenden Gefängnissen wird er wohl nicht erhalten.
Derweil wurde gegen die vor drei Wochen verhafteten Abgeordneten der prokurdischen HDP Anklage erhoben. Die Staatsanwaltschaft fordert für die Politiker, darunter die Parteichefs Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag, bis zu fünf Jahre Haft wegen angeblicher Unterstützung einer Terrororganisation. Bei seiner ersten Anhörung vor wenigen Tagen hatte Demirtas gesagt, das Gericht habe keinerlei Recht, gegen ihn vorzugehen. Er zweifelte daran, dass das Verfahren fair und rechtsstaatlich geführt werde.