Türkei - das historische Gedächtnis von Minderheiten wird ausradiert

Seite 3: Aleviten sind beunruhigt

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Die rasante Entwicklung der Türkei in ein diktatorisches, islamistisches Regime beunruhigt nun auch die Aleviten. Die Aleviten stellen die zweitgrößte Religionsgruppe der Türkei (mit schätzungsweise 15% der Bevölkerung) dar. Sie betrachten Ali, den Schwiegersohn Mohammeds, als rechtmäßigen Nachfolger. Das Alevitentum wird zwar dem Islam zugeordnet und ist in der Türkei offiziell anerkannt, wird aber von Teilen der türkischen Bevölkerung nicht akzeptiert und besonders in der muslimisch-traditionellen Bevölkerung diskriminiert.

Viele Kurden sind auch Aleviten. Sie sind bis zum heutigen Tag Zielscheibe zahlreicher Anschläge und Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheitsgesellschaft der Türkei. Genannt seien hier nur die Pogrome von Çorum 1980 und Kahramanmaraş 1978 sowie der Brandanschlag von Sivas 1993.

Zur Staatsgründung der Türkei unter Kemal Atatürk unterstützten die Aleviten das laizistische Modell von Atatürk. Noch heute unterstützen viele Aleviten die national-kemalistische Partei CHP, obwohl diese sich rigoros gegen Minderheitenrechte ausspricht. Nun mehren sich wieder die Übergriffe auf Aleviten und auch die türkische Regierung gießt kräftig Öl ins Feuer.

Ende März diesen Jahres wurden in Erzincan 16 Personen, die der in Erzincan ansässigen alevitischen Pir Sultan Abdal Culture Association (PSAKD) angehören, wegen "Unterstützung einer terroristischen Organisation" in Untersuchungshaft genommen. In einer Erklärung teilte die Organisation mit: "Wir machen Aktivitäten zugunsten des alevitischen Glaubens zusammen mit NGOs in der Region. Wir sind eine Organisation des Glaubens."

Ihre Aktivitäten würden sich auf die Erhaltung und den Schutz der alevitischen Kultur beschränken. Angesichts der sich rapide verschlechternden ökonomischen Lage der Bevölkerung in der Türkei ist die Unruhe in der alevitischen Bevölkerung durchaus berechtigt.

Sollte Erdogan die Wahl zum Alleinherrscher gewinnen, haben wir es mit einem islamistischen Diktator zu tun, der mit der faschistischen MHP wahrscheinlich die Todesstrafe wieder einführt und der innenpolitisch rigoros gegen Minderheiten vorgehen wird.