Türkei wird Afrin nicht Damaskus übergeben
Angeblich wurde mit der US-Regierung vereinbart, eine "sichere Zone" um Manbidsch zu erreichen, aus dem die kurdischen YPG bzw. SDF abziehen sollen
Aus der Türkei hört man weiterhin Siegesnachrichten. Die Sprache ist die der Unmenschen. Der Krieg gegen die syrischen Kurden, die ähnlich wie die Separatisten in der Ukraine als Terroristen und damit irgendwie als böse und lebensunwert dargestellt werden, wird in der Terminologie der Säuberung von Schädlingen durchgeführt, die "eliminiert" werden. Der offizielle, den türkischen Medien vorgeschriebene Sprachgebrauch ist "neutralisieren". Damit soll gesagt sein, dass die Gegner - und jeder Tote ist wahrscheinlich ein "Terrorist", wie das auch schon im Kampf gegen die Kurden in Anatolien gemacht wurde -, getötet oder gefangen worden sein oder sich ergeben hätten. Allerdings vermeiden es die türkische Behörden, darüber Aufschluss zu geben oder zu erklären, wie viele Gefangene gemacht und ob Zivilisten, auf deren Wohlbefinden man angeblich mit größtmöglicher Aufmerksamkeit achte, getötet wurden.
Afrin sei umzingelt, heißt es, man werde auch bald die Stadt erobert haben, 70 Prozent des Gebiets seien bereits eingenommen, im türkischen Sprachgebrauch "gesichert" worden. Erdogan-Sprecher Ibrahim Kalin wird von türkischen Medien zitiert: "Der Kreis um die Terroristen wurde vollständig geschlossen. Wir sagen vorher, dass das Zentrum von Afrin in kurzer Zeit vollständig von Terroristen gesäubert sein wird." Allerdings hatte Erdogan am Mittwoch noch gesagt, dass die Route aus und nach Afrin demnächst geschlossen würde, was hieße, dass der Einschluss noch nicht vollständig ist.
Über die Mühen, die türkische Truppen bereits bei der "Säuberung" von Städten im eigenen Land hatten, berichtete gestern bereits Thomas Pany. Hinterlassen wurden auch große Zerstörungen.
Zwar sind bereits Tausende aus Afrin geflohen, weil sie nicht von den türkischen Truppen und ihren Milizen "befreit" werden wollen, denen versprochen wurde, sich in Afrin ansiedeln zu können. Wie viele Menschen sich noch in Afrin aufhalten, ist nicht bekannt. Klar ist jedoch, dass die Türken keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nehmen. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurde die Stadt schon vor einer Woche vom Trinkwasser abgeschnitten.
Der Erdogan-Sprecher betonte auch nach der Entlassung von Rex Tillerson und der Ernennung des Geheimdienstchefs Mike Pompeo, dass mit der US-Regierung eine Einigung über Manbidsch (Manbij) erzielt worden sei. Die würde auch Bestand haben, auch wenn sich der neue US-Außenminister mit der Lage noch nicht auskenne und sich daher das gemeinsame Vorgehen um ein oder zwei Wochen verzögern werde. Suggeriert wird damit, dass Ankara nicht nur mit Moskau, sondern auch mit Washington eine Übereinkunft erzielen konnte, dass die türkischen Truppen Afrin erobern und sich dort auch erst einmal niederlassen. Man werde Afrin nach Beendigung der Operation nicht Damaskus übergeben, erklärte Kalin.
Vereinbart worden sei mit der US-Regierung, dass türkische und amerikanische Verbände um Manbidsch eine sichere Zone errichten und gemeinsam den Abzug der amerikanischen Verbündeten der YPG bzw. SDF überwachen. Gemeinsam würde dann auch die kleine Stadt verwaltet. Deren Eroberung durch die von den USA unterstützten Verbände der SDF hatten zu einer schweren Krise zwischen Washington und Ankara geführt. Ankara hatte darauf bestanden, dass die SDF nicht über den Euphrat westlich bis Manbidsch vorrücken werden, um den Korridor zu Afrin nicht zu schließen, was die USA auch zusagten. Die SDF hat sich dann angeblich zurückgezogen und die Kontrolle einem lokalen Militärrat überlassen. In der Region sind auch US-Soldaten stationiert.
Das wurde allerdings bislang von Washington nicht bestätigt, nach der Washington Post erklärten auch kurdische Quellen, dass es keine solche Vereinbarung gebe. Die kurdischen SDF-Verbände hätten sich kurz nach der Eroberung der Stadt vom Islamischen Staat wieder zurückgezogen.