Türkisches Sondierungsschiff mit Piratennamen erneut auf Erdgassuche
Nachdem sie im September kurzzeitig nach Antalya abgezogen wurde ist die Oruç Reis wieder in Gewässer aufgebrochen, die Zypern und Griechenland als ihre ansehen
Oruç Reis, der von 1474 bis 1518 lebte, war ein osmanischer Korsar, der nach dem Verlust eines Arms eine silberne Prothese trug. Neben zahlreichen Schiffen der Spanier, Engländer, Italiener und Johanniter erbeutete er auch das davor von den Spaniern eroberte Algier, das er danach als Gouverneur des Sultans verwaltete. Nach dem auf Lesbos geborenen albanischstämmigen Janitscharensohn ist ein "Sondierungsschiff" benannt, mit dem die türkische Staatsführung nach Erdgas suchen lässt.
Begleitschiffe "Hauptmann" und "Dschingis Khan"
Bis zum 20. Oktober macht das die Oruç Reis erneut in Gewässern südlich der griechischen Insel Kastelorizo, die von Griechenland und Zypern beansprucht werden. Dabei wird sie von den Schiffen Ataman ("Hauptmann") und Cengiz Han ("Dschingis Khan") begleitet. Das gab die türkische Marinebehörde heute früh über einen NAVTEX-Navigationssicherheitshinweis bekannt.
Mitte September hatte die türkische Staatsführung die Oruç Reis von einer im August begonnenen Expedition in diese Gewässer abgezogen. Daraufhin setzte sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei den EU-Ratsverhandlungen am 2. Oktober gegen die Regierungen von Griechenland, Zypern und Österreich durch, die Sanktionen gegen die Türkei gefordert hatten. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte in diesem Zusammenhang gemeint, es sei "notwendig", dass man "nicht wegsieht, sondern dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan "rote Linien" aufzeigt (vgl. EU-Gipfel: Merkel setzt sich durch).
"Provokationen und Druck"
Statt dieser Sanktionen beschloss man in Brüssel einen "Dialog" mit der türkischen Staatsführung, um "die Provokationen und den Druck" auf die EU-Mitgliedsländer Zypern und Griechenland zu beenden, wie die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen danach ausführte. Erst "im Falle solcher erneuter Aktionen durch Ankara" kämen andere "Instrumente und Optionen" in Betracht. Darüber entschieden werde dann im Dezember.
Gleichzeitig hatte der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekannt gegeben, man habe Griechenland und die Türkei dazu überredet, die 2016 unterbrochenen bilateralen Gespräche wieder aufzunehmen. Außerdem hätten sich die Staatsführungen der beiden NATO-Länder bereit erklärt, eine "Hotline" einzurichten, mit der militärische Zusammenstöße verhindert werden sollen.
Auf Konfrontationskurs mit mehreren Ländern
Die Erdgasfrage ist nicht die einzige, mit der die türkische Staatsführung derzeit einen Konfrontationskurs mit anderen Ländern fährt: Im Nordwesten Syriens errichtete sie gegen den Willen der von Russland unterstützten syrischen Regierung und trotz Spannungen mit den USA ein faktisches Protektorat, in dem von ihr unterstützte Islamisten herrschen. In Libyen unterstützt sie die Hukumat al-Wifaq al-Watani von Fayiz as-Sarradsch gegen Chalifa Haftar, hinter dem unter anderem Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate stehen. Über letztere meinte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, sie hätten - anders als die Türkei - gestern nicht existiert und würden wahrscheinlich morgen nicht mehr existieren.
Hintergrund der Äußerung könnte neben einer Unterstützung Zyperns und der indirekten Konfrontation in Libyen auch die Annäherung der Emirate an Israel sein (vgl. "Vorbote einer neuen Friedensdämmerung"). In jedem Fall verlautbarte Erdoğan in derselben Rede zur Parlamentseröffnung in Ankara außerdem, Jerusalem sei "unsere Stadt, eine Stadt von uns", der man unter Suleiman dem Prächtigen ihr architektonisches Gesicht gegeben habe und die man "während des Ersten Weltkriegs in Tränen verlassen musste". Kurz vorher war bekannt geworden, dass Funktionären der im Gazastreifen herrschenden terroristischen Hamas türkische Papiere mit falschen Namen ausgestellt bekommen hatten.
Außerdem gilt die türkische Staatsführung als wichtigste Unterstützerin des sprachlich gesehen türkischen Aserbaidschan gegen Armenien. Neben Dschihadisten aus dem syrischen Bürger- und Stellvertreterkrieg (vgl. Armenien vs. Aserbaidschan: Gestern Tschetschenen, heute Syrer?) lieferte sie der Staatsführung in Baku auch türkische Bayraktar-Drohnen.
Außer diesen Drohnen verfügt Aserbaidschan aber auch über israelische Orbiter 1K, die dem Land (ebenso wie die türkischen Modelle) bei den Auseinandersetzungen in den letzten Wochen wesentliche militärische Vorteile verschafft zu haben scheinen. Dass Israel einem so engen Verbündeten einer ihm eher feindlich gesonnenen Staatsführung diese und viele weitere Waffen verkaufte, könnte auch mit der langen Grenze zwischen Aserbaidschan und einem Land mit einer dem Judenstaat noch feindlicher gesonnenen Staatsführung liegen: dem Iran. Über eventuelle nichtmonetäre Leistungen in diesem Zusammenhang schweigt man aber sowohl in Baku als auch in Jerusalem weitgehend.
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