UK-Wahl: Tories und SNP klare Sieger [2. Update]
Labour verliert - EU-euphorische Liberaldemokraten stürzen ab
Den aktuell bekannten Teilergebnissen und Prognosen nach ging die gestrige Wahl in Großbritannien anders aus, als die Meinungsumfragen der letzten Wochen vorhersagten: Nach der Auszählung von 633 der insgesamt 650 Wahlkreise liegen die Tories nicht gleichauf mit Labour, sondern könnten auf 329 Sitze kommen. Das wäre ein Zugewinn von 27 Sitzen - und die absolute Mehrheit (die praktisch etwas unter der mathematischen Hälfte der Sitze liegt, weil die nordirische Katholikenpartei Sinn Féin ihre voraussichtlich vier Abgeordneten nicht nach London schickt).
Der zweite Wahlgewinner ist die Scottish National Party (SNP): Sie könnte in 56 der insgesamt 59 schottischen Wahlkreise gesiegt haben - bei der letzten Wahl war ihr das nur in sechs gelungen, obwohl sie im schottischen Regionalparlament schon damals die Mehrheit hatte.
Klarster Wahlverlierer sind die EU-euphorischen Liberaldemokraten, deren Mandatsanteil sich von 56 auf 8 verringern könnte. Das wäre ein Siebtel ihrer bisherigen Sitze. Die BBC schätzt, dass Cameron die Liberaldemokraten selbst dann nicht mehr benötigt, wenn ihm Stimmen fehlen, und im Bedarfsfall lieber auf die wahrscheinlich acht Abgeordneten der nordirischen Protestantenpartei DUP setzt, die den Tories politisch näher steht.
Die Labour Party hätte mit aktuell prognostizierten 234 Sitzen gegenüber der letzten Wahl 22 Sitze verloren und keine Chance, den Premierminister zu stellen. Ihr schadete womöglich, dass Spitzenkandidat Ed Milliband zuletzt nicht nur eine förmliche Koalition, sondern jede Zusammenarbeit mit der Scottish National Party ausschloss. Und, dass Ed Milliband eine Volksabstimmung über die EU als "Gefährdung" ablehnte.
Premierminister David Cameron hatte dagegen am Sonntag noch einmal betont, dass er keine Regierung anführen werde, die sich gegen dieses für 2017 versprochene Referendum stellt. Dieses Versprechen brachte wahrscheinlich viele Anhänger der EU-kritischen UKIP (die bei der Europawahl im letzten Jahr stärkste Kraft wurde) dazu, im britischen Mehrheitswahlsystem auf das kleinere Risiko zu setzen und diesmal die Tories zu wählen.
Eine weitere denkbare Ursache für den Überraschungserfolg der Tories sind die Pläne für eine deutliche Kürzung bei der Subvention von Kindern, die der liberaldemokratische Finanzstaatssekretär Danny Alexander voriges Wochenende an die Öffentlichkeit gebracht hatten: Ihm zufolge verhinderten die Liberaldemokraten in der letzten Legislaturperiode, dass die Tories das Kindergeld auf höchstens zwei Kinder pro Familie beschränkten und die Subvention nur mehr bis zum 16. (und nicht mehr bis zum 19.) Lebensjahr auszahlten.
Die Tories bestritten konkrete Pläne dazu, sagten aber nicht, wie sie ohne diese 8 Milliarden Pfund umfassenden Kürzungen auf ihre 12 Milliarden Pfund Sparvolumen kommen wollen. Alexander könnte damit - ohne es zu wollen - eine Gruppe von Wählern aktiviert haben, die von der Politik bislang vollständig vernachlässig werden: Kinderlose, die vorher vielleicht zuhause blieben und die jetzt gerade deshalb die Tories wählten, weil sie ihrem Dementi keinen Glauben schenken.
Die UKIP behält wahrscheinlich die beiden Sitze, die sie im letzten Jahr bei Nachwahlen errang, gewinnt aber trotz eines Stimmenanteils von 12,2 Prozent und eines Gewinns von 9,3 Prozentpunkten gegenüber 2010 keine neuen hinzu. Ebenso geht es der walisischen Regionalpartei Plaid Cymru mit ihren drei Sitzen und den Grünen mit ihrem einen. Die moderate nordirische Protestantenpartei Ulster Unionist Party könnte nach einer fünfjährigen Abstinenz wieder zwei Abgeordnete nach Westminster entsenden; die moderat-katholische Social Democratic & Labour Party wie bisher drei. Die überkonfessionelle Alliance Party, die den Liberaldemokraten nahesteht, verlor ihren nordirischen Wahlkreis.
Update: Nach Auszählung von 643 der 650 Sitze haben die Tories 326 Sitze (und damit die absolute Mandatsmehrheit) sicher. Sie können noch mit drei zusätzlichen Mandaten rechnen. UKIP kommt - entgegen der Prognosen - nicht auf zwei, sondern nur auf einen Sitz, weil Mark Reckless seinen Wahlkreis wieder verlor. Nick Clegg, der Vorsitzende der Liberaldemokraten, der Labour-Vorsitzende Ed Milliband und der UKIP-Vorsitzende Nigel Farage sind inzwischen von ihren Ämtern zurückgetreten. Bei Farage, dessen Partei deutlich an Stimmen zulegte, wird jedoch damit gerechnet, dass er bei der Neuwahl des Vorsitzenden wieder antritt.
2. Update: Das Endergebnis steht jetzt fest. Die Tories bekamen mit 331 Sitzen noch zwei mehr als zuletzt prognostiziert. Und Labour schnitt mit nur 232 noch schlechter ab.