US-Botschafter Grenell: "Nord Stream 2 geht zu weit"
Der Vertreter der Trump-Regierung in Deutschland macht darauf aufmerksam, dass die Pipeline Russland und dessen "bösartigen Aktivitäten" neuen Einfluss einräumt
US-Botschafter Richard Grenell macht gerne Plakataussagen. Mit dem Erdgas aus Nord Stream 2 räume Deutschland und die EU "den Russen" mehr politischen Einfluss ein, sagt er. Und: Angesichts russischer Nuklearwaffen sollte Deutschland, wenn es denn wirklich besorgt ist, auf den Kauf russischen Erdgases verzichten.
Zwei Mal betont der oberste diplomatische US-Vertreter in Deutschland in einem Interview mit der Springerzeitung Die Welt am Sonntag den Zusammenhang zwischen der Pipeline und der Stärkung des politischen Einflusses Moskaus.
Im Schwesterblatt der WamS, der Bild-Zeitung, schreibt man von der "Putin-Pipeline". Grenell erklärt dem Publikum, warum das so ist. Zunächst setzt sich Grenell dafür nicht nur mit den USA, sondern mit der Nato in eins: "Russland steht vor unserer(!) Haustür." Das Bündnis müsse jetzt gestärkt werden, Deutschland sei dafür sehr wichtig.
Die Deutschen haben einen Hebel gegenüber Russland. Stellen Sie sich vor, die Bundeskanzlerin würde aufstehen und sagen: So wie sich jetzt die Russen benehmen, wegen all dieser bösartigen Aktivitäten und der sich häufenden Vergehen, können wir ihnen nicht mehr Einfluss einräumen, indem wir ihr Gas kaufen.
Richard Grenell, Interview Welt am Sonntag, 10. Februar 2019
Rhetorisch auffällig ist die Neigung zum pathetischen "wir", wo faktisch Interessenunterschiede vor allem im Verkaufsgeschäft vorliegen. Am Auffälligsten ist auch bei diesem Interview, wie plakativ Grenell vorgeht.
Er planiert vieles weg, was in der Realität eine Rolle spielt, so etwa die Geschäftsinteressen der US-Rüstungsindustrie und der US-Fracking-Förderung von Erdgas, die in Konkurrenz zum russischen Gas aus der Nord Stream 2 stehen. Der Zug zum Ausblenden der Interessen, wie sie sich in der Wirklichkeit zeigen, und dem Glätten dessen, was sich nicht fügt, ist an seiner Antwort auf die Frage danach, ob die USA eigene Wirtschaftsinteressen verfolgen, überdeutlich ablesbar:
Amerika wird natürlich immer versuchen, eine Vielzahl von Produkten zu verkaufen. Wir lieben nun einmal Handel und Kapitalismus. Das dürfte niemanden überraschen. Um eines klarzustellen: Europa ist unser Partner. Wir haben dasselbe Weltbild. Wir glauben beide an Demokratie, Kapitalismus und Menschenrechte.
Richard Grenell, Interview Welt am Sonntag, 10. Februar 2019
Nur zur Erinnerung: Eine der spektakulärsten Erklärungen zur Außenpolitik unter Trump lief darauf hinaus, Menschenrechte bei der Verfolgung eigener politischer Interessen zu degradieren; ganz offiziell wurde erklärt, dass sie "keine Hürden" mehr darstellen sollen. Sie seien zwar Werte, wie der damalige Außenminister Tillerson im Mai 2017 verkündete, aber "nicht unsere Politik". Die Werte sollten von der Politik getrennt werden. So sieht die Realität aus (Abschied vom Menschenrechtsimperialismus?).
Auch zum "Zweiprozentziel" beim Verteidigungshaushalt gibt es eindeutige Interessen der USA, wie zum Beispiel in der Zeit vom Februar 2017 nachzulesen. Dort ist die Rede von einem Angebot aus Washington: Es sehe vor, dass Deutschland mehr amerikanische Rüstungsgüter einkaufe, um seinen Exportüberschuss abzubauen.
Grenell geht im Interview auch auf die Verteidigungsausgaben Deutschlands ein. Er macht dies auf eine Weise, für die es im Französischen ein neues Verbum gibt: "cheffer" (nach dem Substantiv "Le Chef"): "Deutschland hat nach wie vor keinen überzeugenden Plan vorgelegt, der einen Weg zum Zweiprozentziel vorgibt. Und damit sind die Nato-Anforderungen nicht erfüllt." (vgl. Deutschland rüstet auf)
Interessant ist, dass Grenell bei seiner Antwort andeutet, dass Deutschland amerikanische Rüstungsgüter einkaufen könnte, da die USA anderseits so viel in die deutsche Sicherheit investieren. Er weiß natürlich, dass die russische Gefahr, von der er ständig spricht, ein gutes Geschäft für die Rüstungsindustrie zu Hause in den USA ist. Nur deutlich sagt er das natürlich nicht, obwohl ihm sonst doch so viel an einem direkten Stil liegt.
Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass die deutsche Bevölkerung es bevorzugen würde, wenn deutsches Steuergeld zu Hause ausgegeben wird, statt den Militärhaushalt aufzustocken. Den amerikanischen Steuerzahlern geht es da genauso.
Aber Amerikaner bezahlen für 33.000 US-Soldaten, die in Deutschland stationiert sind. Weil es in den USA also auch die Forderung gibt, Steuergeld eher zu Hause als für die Verteidigung auszugeben, haben wir in Amerika dieselbe Debatte.
Richard Grenell, Interview Welt am Sonntag, 10. Februar 2019
Die russische Bedrohung ist Kern seiner Aussagen. Nord Stream 2 treibe die Partner der USA in die Abhängigkeit zu Russland, davon, dass dies eine geschäfltiche Konkurrenz bedeutet, ist ganz oft nicht die Rede . "Wir (diesmal sind nur die USA gemeint, Anm. d. A.) sind nicht grundsätzlich gegen russisches Gas in Europa. Wir sind aber gegen zu viel russisches Gas, das unsere Partner in die Abhängigkeit treibt. Wir waren einverstanden mit Nord Stream 1, aber Nord Stream 2 geht zu weit. Und auch da teilen 16 EU-Staaten unsere Meinung."
Es wird nach diesen Einschätzungen kaum überraschen, wenn Grenell künftig erneut die an der Finanzierung der neuen Ostsee-Pipeline beteiligten Unternehmen mit Sanktionen bedroht, wie er dies schon Mitte Januar zum Ausdruck brachte. Damals sprach er von einem "erheblichen Sanktionsrisiko".
Auch in seinem aktuellen Sonntagsinterview betonte der US-Botschafter die Relevanz von Sanktionen für die Trump-Regierung. Man müsse sämtliche Hebel nutzen. Dabei warnte er Frankreich, Großbritannien und Deutschland, die versuchen Geschäfte mit iranischen Unternehmen so abzuwickeln, dass sie von Sanktionen unbehelligt bleiben.
Ja, ich betrachte das als Missachtung. Amerikanische Sanktionen zu umgehen, ist nicht ratsam.
Richard Grenell