US-Centcom: Schäbige, mörderische Geheimdienstarbeit
Neues Beweismaterial: Der Vergeltungsschlag gegen den IS in Afghanistan traf eine Familie, die in die USA ausreisen wollte, und ihre Nachbarn
Der Drohnen-Angriff, den das US-Militär am 29. August 2021 in Kabul durchführte, um sich am IS in Afghanistan zu rächen, war ein Desaster. US-Präsiden Biden hatte Rache verkündet, die Hellfire-Rakete, abgeschossen von einer Predator-Drohne, tötete 10 Unschuldige, darunter sieben Kinder.
Das mag Abgebrühte, die sich daran erinnern, dass US-Drohnenangriffe bei Hochzeitsgesellschaften irrtümlich Zivilisten töteten, nicht weiter schockieren, schaut man allerdings auf die Reaktion des US-Militärs und die Hintergründe des "Vergeltungs-, bzw. Präventivschlags", so tun sich Abgründe auf.
Dass sich das US-Militär selbst zur Polizei und zum Richter in eigener Sache erklärt, da man Untersuchung des Falles in die eigenen Hände nimmt, ist schon fragwürdig genug. Wird dies von gegnerischen oder rivalisierenden Streitkräften so gehandhabt, dann werden die Zweifel an der Glaubwürdigkeit einer solchen Vorgehensweise auch geäußert.
Doch kommt in diesem speziellen Fall noch etwas hinzu: Die Militärführung hält nach Angaben der New York Times bislang an einer Version fest, die der Faktenlage widerspricht und ihre Schuld minimiert.
Sie behauptet, dass die Toten auf das Konto von weiteren Explosionen gehen, die nicht von der Hellfire-Rakete stammen, sondern von mutmaßlichen Sprengstoffen, die in der Nähe des Ziels gelagert waren, was letztlich auch den Angriff rechtfertigte.
Unbestrittener Fakt ist, dass die Zielperson, die die Reaper-Drohne an diesem Tag stundenlang verfolgte, ein Mann war, der nichts mit dem IS in Afghanistan zu tun hatte, dafür aber sehr viel mit den USA. Zemari Ahmadi war ein Ingenieur, der seit 2006 für die kalifornische Hilfsorganisation Nutrition and Education International in Afghanistan arbeitete. Eine "Ortskraft", wie das seit Kurzem so genannt wird, die sieben Kinder, die von der Rakete getötet wurden, stammten aus Ahamadis Familie, es waren drei seiner Kinder und Verwandte. Sie liefen wie gewöhnlich zum Auto, als es nachhause kam.
Der Geheimdienst hat sich getäuscht, wie ein zehnminütiges Video der New York Times anhand verschiedener Aufnahmen von Überwachungskameras und anderem Videomaterial dokumentiert.
Diejenigen, die die Reaperdrohne steuerten, haben das Auto verwechselt. Sie suchten nach einem weißen Toyata. Das wurde den 10 Unschuldigen zum Verhängnis. So wurden, wie das Video veranschaulicht, aus Wasserkanistern, die ins Auto und aus dem Auto getragen wurden und Computern, die in Plastiktüten herumgetragen wurden, verdächtige Gegenstände, die den Anfangsverdacht verstärken. Ganz offensichtlich spielen Kontrolle und Validierungsprozesse keine große Rolle, wenn es darum geht, der Welt zu beweisen, wie hart und schnell das US-Militär zuschlagen kann.
Das Video führt vor, wie sich, wenn denn einmal ein Verdacht gefasst wird, sich alles nach dieser Erzählung bündeln kann, wie bei einem Verschwörungsnarrativ: Aus dem Alltag eines pro-amerikanischen Mitarbeiters einer Hilfsorganisation werden Bilder, die offenbar nahtlos zum Alltag eines IS-Terroristen passen. Acht Stunden hat der Reaper den Mann beobachtet, so die New York Times.
US-Präsident Biden schwor Rache, als 13 US-Soldaten bei einem IS-K-Anschlag am Kabuler Flughafen ums Leben kamen "Wir werden euch jagen, und wir werden euch dafür bezahlen lassen." Das stand denn auch im Mittelpunkt der Medienberichterstattung zu dem Anschlag, der über 100 Todesopfer unter Afghanen zur Folge hatte.
Später gab es Hinweise von Augenzeugen und Klinikmitarbeitern darauf, dass die Panik von US-Soldaten, die aufgrund der Explosion wild herumschossen, viele Todesopfer und Verletzte gefordert hat. Von einer klärenden Untersuchung hat man bisher nichts gehört.
Nach dem Anschlag ist vor dem Anschlag: Die US-Führung hatte vor dem tödlichen Reaper-Angriff auf die Familie und ihre Nachbarn angeblich Informationen darüber, dass der IS noch weitere Anschläge plane.
Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III und General Mark A. Milley, der Vorsitzende der Generalstabschefs, erklärten, die (Hellfire-)Rakete sei abgefeuert worden, weil dem Militär Informationen vorlagen, die auf eine glaubwürdige, unmittelbare Bedrohung des internationalen Flughafens Hamid Karzai in Kabul hindeuteten, wo US-amerikanische und verbündete Truppen verzweifelt versuchten, Menschen zu evakuieren. General Milley bezeichnete den Angriff später als "gerechtfertigt".
New York Times, Pentagon verteidigt tödlichen Drohnenangriff in Kabul
Die Familie von Zemari Ahmadi hatte vor, in die USA zu gehen, heißt es am Ende des NYT-Videos. " Es ist an der Zeit, die Drohnenangriffe zu beenden, die zu Morden einladen", so der unabhängige US-Journalist Gareth Porter. Auch nach seinen aktuellen Infos zeigt man bei Centcom noch keine Einsicht, dass man einen tödlichen Fehler begangen hat.
Wir wissen, dass es nach der Zerstörung des Fahrzeugs zu erheblichen und starken Explosionen kam, was auf eine große Menge an explosivem Material im Inneren des Fahrzeugs hinweist, das möglicherweise weitere Opfer gefordert hat. Es ist unklar, was passiert sein könnte, und wir ermitteln weiter.
Capt. Bill Urban, Centcom-Sprecher
Laut NYT gab es nur die Wasserkanister und Spuren, die eindeutig auf einen Einschlag einer Hellfire-Rakete zurückzuführen sind.