US-Gerichtsakten: Saudis enger als bekannt in Terroranschläge vom 11. September 2001 verstrickt

Stelen aus Licht: Gedenkstätte am "Ground Zero" in New York

Stelen aus Licht: Gedenkstätte am "Ground Zero" in New York. Bild: Keith Burke, Shutterstock.com

Terroristen sollen direkte Unterstützung von Funktionären aus Riad erhalten haben. Welche Rolle spielte die Botschaft? Und vor allem: Wird all das Folgen haben? Ein Gastbeitrag.

Laut neuen US-Gerichtsakten war Saudi-Arabien stärker in die Anschläge vom 11. September 2001 verwickelt als bisher bekannt. Laut einer neuen Klage, die von den Familien der Opfer der Terroranschläge angestrengt wurde, erhielten Al-Qaida-Aktivisten bei ihren Vorbereitungen für die Anschläge erhebliche Unterstützung von Mitgliedern der saudischen Führung.

Wie Daniel Benjamin, Präsident der American Academy in Berlin, und Steven Simon, Senior Fellow des Quincy Institute, in der US-Zeitschrift The Atlantic schreiben, werfen die Kläger saudischen Vertretern vor, an der "Spitze einer Verschwörung" gestanden zu haben. Auch die saudische Botschaft in Washington und hochrangige Regierungsbeamte in Riad seien involviert gewesen.

Wenn die Anschuldigungen wahr sind, hat dies wichtige Auswirkungen auf unser Verständnis der Anschläge und der Arbeitsweise internationaler Terrorgruppen und gibt den USA einen weiteren Grund, eoinen bestehenden Sicherheitspakt mit Saudi-Arabien infrage zu stellen.

Hinweise auf Beteiligung Riads

Bereits in der Vergangenheit hatte es Hinweise auf geheime Absprachen zwischen saudischen Beamten und den Flugzeugentführern vom 11. September 2001 gegeben. Die neuen Beweise deuten aber darauf hin, dass die Handlungen zweier saudischer Beamter, die in den USA arbeiteten, um die Flugzeugentführer zu unterstützen, "absichtlich, nachhaltig und sorgfältig mit anderen saudischen Beamten koordiniert waren".

Daniel Larison ist regelmäßiger Kolumnist bei unserem US-Partnerportal Responsible Statecraft.

Sollte das belegt werden, wäre das Versäumnis der US-Regierung, die Saudis für die Rolle ihrer Beamten bei den Anschlägen zur Rechenschaft zu ziehen, unentschuldbar. Erschwert wird das durch die fortgesetzte Nachsicht Saudi-Arabiens durch aufeinanderfolgende Washingtoner Regierungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

Unglaubwürdiges Dementi

Die saudische Regierung streitet die Anschuldigungen natürlich ab, aber das ist es, was Riad immer tut, wenn es glaubwürdige Anschuldigungen gegen das Land gibt. In den Wochen nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 behauptete die saudische Regierung, sie habe ihm nichts angetan, und setzte sogar ein schlecht getarntes Double ein, um die falsche Geschichte zu verbreiten, er habe das Konsulat in Istanbul freiwillig verlassen.

Die saudische Regierung leugnete routinemäßig die Verantwortung für Luftangriffe auf zivile Ziele im Jemen, obwohl ihre Streitkräfte die Einzigen waren, die sie hätten ausführen können. Saudische Dementis zählen nicht viel. Man sollte deswegen auch im vorliegenden Fall nicht auf den Wahrheitsgehalt der Aussagen aus Riad wetten.

Krieg gegen Terror diskreditiert

Benjamin und Simon legen überzeugend dar, dass die Beweise für eine tiefere saudische Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 Washingtons militärische Antwort im Zuge des "Kriegs gegen den Terror" diskreditieren.

Die Vorstellung, al-Qaida hätte solch spektakuläre Anschläge ohne staatliche Unterstützung und ein Unterstützungsnetzwerk innerhalb der USA durchführen können, verleitete politischen Entscheidungsträger dazu, die angebliche Bedrohung durch den Terrorismus bis zu einer entscheidenden Bedrohung unserer Zeit aufzubauschen.

Besseres Verständnis hätte Fehler vermieden

Hätten die USA besser verstanden, wie es zu den Anschlägen kam, so Benjamin und Simon, "hätten wir vielleicht die Zuversicht gehabt, Afghanistan schnell zu verlassen, anstatt 20 Jahre lang im Land zu verweilen". Die USA hätten auch keinen Grund gehabt, sich im Namen der Terrorismusbekämpfung in Konflikte in Afrika zu verwickeln.

Es stimme zwar, dass das "Saudi-Arabien von 2001 nicht mehr existiert", schreiben Benjamin und Simon. Aber die Beweise für eine erhebliche offizielle saudische Mitschuld an den schlimmsten Terroranschlägen in der US-Geschichte müssen berücksichtigt werden, wenn man über die Zukunft der Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien nachdenkt.

Wie hätte Washington bei anderem Player reagiert?

Wären Elemente einer anderen Regierung in einen größeren Anschlag auf die Vereinigten Staaten verwickelt, würden unsere politischen Führer wohl kaum auf die Idee kommen, ihnen eine Sicherheitsgarantie und Nukleartechnologie zu geben. Doch genau das wird nun im Rahmen einer neuen Vereinbarung der USA mit Saudi-Arabien vorgeschlagen.

Es gibt viele Gründe, warum der von der Biden-Regierung vorgeschlagene Sicherheitspakt und der Atomdeal mit Riad für die Vereinigten Staaten nicht wünschenswert sind.

Aber die Beweise für eine tiefere saudische Verwicklung in den 11. September sollten die Idee politisch so indiskutabel machen, dass niemand etwas damit zu tun haben will.

Warum die Annäherung an Riad?

Trotz des Kriegs in Gaza ist die Regierung Biden nach wie vor entschlossen, ein Normalisierungsabkommen mit Saudi-Arabien und Israel anzustreben. In letzter Zeit häufen sich die Berichte, dass die Verhandlungen über den US-saudischen Teil des "Mega-Deals" kurz vor dem Abschluss stehen.

Die Saudis haben sich gerne auf ein Arrangement eingelassen, bei dem die USA ihnen viele teure Geschenke machen und von ihnen im Gegenzug fast nichts erwartet wird. Wie schon von Anfang an ist die mangelnde Bereitschaft Israels, den Palästinensern in allen Bereichen echte Zugeständnisse zu machen, das Haupthindernis für den Abschluss des größeren Abkommens. Die USA sollten sich nicht an einem Abkommen beteiligen, das ihnen zusätzliche Lasten aufbürdet, ihnen aber nichts bringt.

Saudis lassen sich nicht an USA binden

Das Beharren des US-Präsidenten auf dieses Abkommen hat viele Regional- und Außenpolitikexperten verprellt. Sie können sich nicht erklären, warum die USA so viel Zeit und Energie auf eine Initiative verwenden, die keines der Probleme in der Region lösen wird.

Eine Erklärung dafür ist, dass die Regierung glaubt, die Saudis würden sich dadurch im Rahmen der Rivalität mit China enger an die USA binden, aber das ergibt wenig Sinn.

China wird Kontakte ausbauen

Die Saudis werden ihre Geschäftsbeziehungen zu China weiter ausbauen, egal, was die USA ihnen anbieten. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Präsident ein saudi-israelisches Abkommen für ebenso überholt hält wie seine Einstellung zur gesamten Region und glaubt, dass es mit dem Camp-David-Abkommen gleichzusetzen ist. Die einfachste Erklärung ist vielleicht, dass Biden Trump darin übertreffen will, Israel einen Gefallen zu tun.

Was auch immer der Grund dafür sein mag, die USA werden für jedes Abkommen einen unannehmbar hohen Preis zahlen müssen. Unsere Regierung sollte auf keinen Fall eine engere Bindung an die Saudis anstreben. Die jüngsten Enthüllungen über eine möglicherweise größere saudische Komplizenschaft bei 9/11 sollten der letzte Tropfen sein, der das Gerede über einen Sicherheitspakt mit Riad beendet.

Daniel Larison ist regelmäßiger Kolumnist bei Responsible Statecraft, beitragender Redakteur bei Antiwar.com und ehemaliger leitender Redakteur der Zeitschrift The American Conservative. Er hat einen Ph.D. in Geschichte von der University of Chicago. Er schreibt regelmäßig für seinen Newsletter Eunomia auf Substack.

Der Kommentar erschien zuerst auf Englisch bei Responsible Statecraft.