US-Justizminister übt sich in Verschwiegenheit

Die Öffentlichkeit soll nicht erfahren, wie viele und wer im Zusammenhang mit den Anschlägen verhaftet wurde, allmählich mehrt sich die Kritik am Vorgehen der US-Regierung

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Nach den Anschlägen vom 11.9. wurden in den USA über Tausend Menschen verhaftet. Seit einiger Zeit schon hat das US-Justizministerium nicht einmal mehr die Zahl der Festgenommenen bekannt gegeben. Am 5.11. hatte das Justizministerium gesagt, es seien 1.182 Menschen im Zusammenhang mit den Anschlägen eingesperrt wurden. Ihre Identität will Justizminister weiterhin nicht bekannt geben. Inzwischen beginnen Polizisten sich zu weigern die vom Justizministerium angeordnete Überprüfung von mehr als 5.000 Menschen, die aus dem Mittleren Osten eingewandert sind, vorzunehmen.

Schon lange kritisieren Bürgerrechtsorganisationen das Wegsperren von so vielen Menschen über so lange Zeit, ohne bekannt zu geben, wer warum festgenommen wurde (Liberty Dies by Inches). Meist werden sie aufgrund von Übertretungen des Einwanderungsgesetzes festgehalten, wie die Einwanderungsbehörde auf eine Anfrage mitteilte. Dort hieß es auch, dass eine Bekanntgabe der Namen sich negativ auf die Untersuchungen auswirken könne. Ashcroft hatte in seinem Entwurf des Antiterrorpakets gefordert, dass Einwanderer, wenn sie als Terroristen verdächtigt werden, auf unbegrenzte Zeit festgehalten werden sollten. Der vom Senat und vom Kongress verabschiedete Patriot-Act legt zwar fest, dass Ausländer, die aufgrund irgendeiner Gefahr für die nationale Sicherheit, nach sieben Tagen einen Haftbefehl mit der Anklage erhalten müssen. Unter bestimmten Umständen können sie aber auch bis zu sechs Monaten festgehalten und schon bei einem Verdacht des Generalstaatsanwalts abgeschoben werden (Anti-Terror-Paket in den USA auch vom Senat verabschiedet).

Mittlerweile haben auch 7 US-Abgeordnete die Einrichtung von Militärgerichten durch den Präsidentenerlass und Aufklärung über die Eingesperrten und die rechtlichen Grundlagen der Festnahmen verlangt. Sie fordern, das Ashcroft sich vor dem Rechtssausschuss erklärt. Der Mehrheitsführer im Senat, Thomas A. Daschle, der zu den Unterzeichnern des Briefs an Ashcroft gehört, sagte, er sei sehr besorgt über manche Dinge. Man müsse sicherstellen, "nicht die Verfassungsrechte niederzutrampeln, für die wir 200 Jahre gekämpft haben". Der Republikaner Richard C. Shelby kritisierte, dass die Gespräche zwischen Anwälten und ihren Klienten abgehört werden dürfen.

Justizminister Ashcroft verweigert aber weiterhin jede Auskunft - und führt dafür ausgerechnet das Recht auf Schutz der Privatsphäre der Festgenommen an. Wie er auf einer Pressekonferenz gestern erklärte, würde dies die Schaffung einer "öffentlichen schwarzen Liste" der Gefangenen darstellen. Das würde nicht nur das Gesetz verletzen, sondern auch auf eine nicht näher ausgeführte Weise Usama bin Ladin helfen. Ashcroft sagte, mit der Festnahmewelle haben man potenzielle terroristische Aktivitäten in den USA gestört. Auch wenn über die meisten der Festgenommen nichts weiter bekannt ist, auch nicht wo sie sich befinden, ob sie einen Rechtsanwalt haben, ob sie korrekt behandelt werden oder wie es mit ihren Fällen steht, behauptet der Justizminister unverdrossen, dass all das nicht im Verborgenen abläuft. Niemand sei der Kontakt mit einem Rechtsanwalt verwehrt worden, allerdings können die Gespräche mit Rechtsanwälten seit Anfang November abgehört werden.

Es sei eine Ironie, so Lucas Guttentag von der Bürgerrechtsorganisation ACLU, "dass die Regierung sich nun auf das Recht beruft, wenn sie Hunderte von Menschen festgenommen und eingesperrt hat, ohne der amerikanischen Öffentlichkeit irgendeinen Beweise dafür zu geben, dass die Festgenommen korrekt behandelt werden."

Vielleicht um von diesem Problem ein wenig abzulenken gab Ashcroft eine Warnung des FBI bekannt, dass Terroristen Gasleitungen angreifen könnten, wenn bin Ladin oder Mohammed Omar getötet oder gefangen genommen werden sollten. Nach dem FBI wäre diese Anweisung von bin Ladin gekommen. Allerdings meinte Ashcroft, dass die Terroristen nicht notwendigerweise einen solchen Auslöser benötigen würden. Ashcroft hatte allerdings schon zwei Mal vor drohenden Terroranschlägen gewarnt, ohne dass etwas geschehen ist.

Andrew Kirkland von der Polizei in Portland war der erste Polizeichef, der sich der Anweisung des Justizministeriums widersetzte, dem FBI bei der Befragung von über 5.000 Menschen aus dem Mittleren Osten im Zusammenhang mit der Untersuchung der Anschläge zu helfen. Die Befragung bedeute eine ethnische Diskriminierung, wenn kein konkreter Tatverdacht genannt werde Die Bürgermeisterin der Stadt, Vera Katz, erklärte, dass es sich dabei um einige der Fragen handelt, die die Polizei stellen soll: "Das Gesetz erlaubt es uns nicht, loszumarschieren und willkürlich Menschen zu verhören, deren einzige Tat die Einwanderung oder Einbürgerung ist." Inzwischen haben sich auch andere Polizeichefs wie Charles Wilson in Detroit oder John Leavitt in Tucson dem Protest angeschlossen.