US-Klimagesetz vom Tisch?

Klimaskeptiker kommen aus der Deckung

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Die Wirtschaftskrise und der Widerstand aus dem republikanischem Lager setzen derzeit das US-Klimaschutzvorhaben ernsthaft aufs Spiel. Die Gerüchteküche in Washington brodelt: Abgeordnete aller Parteien basteln an einem neuen Entwurf für ein Klimaschutzgesetz. Senator John Kerry kündigte allen Unkenrufen zum Trotz an, es werde schon bald einen völlig neuen Vorschlag geben.

In den letzten Monaten wurde immer deutlicher, dass der bereits vom Repräsentantenhaus angenommene „American Clean Energy and Security Act“ (ACES) den Senat nicht passieren würde. Zumal der bereits von Kerry und Barbara Boxer eingebrachte Entwurf im Senat noch engagierter ist als der ACES: Er sieht ein Reduzierungsziel von 20 Prozent bis 2020 gegenüber 2005 vor, das Repräsentantenhaus hatte sich auf 17 Prozent festgelegt. In Kopenhagen wurde von zahlreichen Ländern allerdings kritisiert, dass beide Ziele nur einer Reduktion von rund vier Prozent gegenüber 1990 – der Messlatte des Kyoto-Protokolls – entsprechen.

Doch selbst die vier Prozent sind in Gefahr, wenn sie nicht bald nationales Recht werden. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise, der schwindende „Zauber“ des Präsidenten sowie anstehende Kongress- und Senatswahlen im Herbst gefährden ein US-Klimaschutzgesetz ernsthaft. Bis heute wurde dessen Verabschiedung immer wieder hinausgezögert.

Deshalb denkt die politische Klimaavantgarde im Senat nun über Alternativen nach. Wie diese aussehen könnten, damit sich genügend republikanische Stimmen finden, darüber wird noch heftig spekuliert. Denn für eine Verabschiedung im Senat werden 60 von 100 Stimmen gebraucht – die Demokraten haben zwar die Mehrheit, liegen aber unter der notwendigen Stimmenanzahl.

Abgespeckter Emissionshandel – aus den Fehlern Europas lernen?

Die neue Klima-Arbeitsgruppe ist dementsprechend parteiübergreifend: Kerry sitzt zusammen mit der republikanischen Senatorin Lindsey Graham und dem parteilosen Joe Lieberman an einem Kompromissentwurf. Nachdem Graham in der amerikanischen Presse verlauten ließ, dass der Emissionshandel tot sei, fragt sich nun, was die drei Politiker als Maßnahmen für eine CO2-Reduktion vorschlagen. Die Washington Post will wissen, dass ein abgespeckter Emissionshandel im Gespräch sei, bei dem nur die Emissionen der fossilen Kraftwerke gedeckelt und gehandelt werden.

Die Industrie bliebe erst einmal außen vor -emissionsintensive Wirtschaftszweige sollen erst nach der Krise mit ins Boot geholt werden. Im Verkehrssektor soll es dagegen eine CO2-Steuer geben. Der eigentliche Wermutstropfen für Umweltschützer ist aber die geplante Unterstützung für den Bau neuer Atomkraftwerke und die Installation unterirdischer Kohlendioxidspeicher (Carbon Capture and Storage).

Eine atomfreundliche Politik ist klar als Zugeständnis an die Republikaner zu verstehen. Auch US-Präsident Barack Obama hatte sich - entgegen seinen Äußerungen im Wahlkampf - in den letzten Wochen bereit erklärt, den Zubau von Atomkraft zu fördern und sagte bereits staatliche Kreditbürgschaften in Höhe von umgerechnet 5,9 Milliarden Euro zu. Auch der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner, John McCain, hatte angekündigt, er könne sich eine Unterstützung des Klimagesetzes nur vorstellen, wenn die Atomenergie einbezogen werde.

Neue Vorschläge für einen kompromissfähigen Klimaschutz kommen unter Mithilfe der Republikaner zustande. So haben die republikanische Senatorin Susan Collins und die demokratische Senatorin Maria Cantwell einen Entwurf eingebracht, der vorsieht, die Verbraucher auszuzahlen, um sie für steigende Energiekosten zu entschädigen. Emissionsrechte sollen nach dem Cantwell-Collins-Modell an die fossilen Energieproduzenten versteigert werden. Die Erlöse sollen als Energiegeld teilweise an die Bevölkerung ausgezahlt und in neue Technologien investiert werden.

Cantwell sagte bei der Vorstellung der Idee im Senat, dass man die Fehler des Emissionshandels in Europa nicht in den USA wiederholen solle. Es müsse stattdessen nach einer Lösung gesucht werden, die Verbraucher entlaste. Laut Washington Post steht auch die Republikanerin Lisa Murkowski dem Ansatz aufgeschlossen gegenüber.

Ihr Sprecher ließ verlauten, dass diese sich wiederum eine CO2-Steuer vorstellen könnte, deren Erlöse ebenfalls an die Konsumenten zurückgezahlt würden. Ihre Haltung ist nicht überraschend: Murkowski sitzt für Alaska im Senat und hat mit Ausschüttungen dieser Art gute Erfahrungen gemacht. Seit 1976 gibt es in dem Bundessstaat den Alaska Permanent Fund, der jedem Bewohner, der länger als 12 Monate dort seine Residenz hat, eine jährliche Dividende aus den abgebauten fossilen Ressourcen sichert.

Klimaskeptiker wollen „Clean-Air Act“ wieder rückgängig machen

Doch auch wenn es einige engagierte Republikaner und Demokraten gibt, fühlen sich die Klimaskeptiker in Washington durch die jüngsten Ereignisse bestärkt. Sie ziehen aufgrund der wissenschaftlichen Fehlereingeständnisse des Weltklimarates (IPCC) die gesamte Klimaforschung in Zweifel. So hatte sich zuletzt die Ankündigung, dass die Himalaya-Gletscher bis 2035 verschwinden würden, als nicht belegbar herausgestellt.

Dies nutzen klimaskeptische Demokraten wie auch Republikaner, um den von der US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) eingebrachten „Clean-Air Act“ wieder rückgängig zu machen. Kurz vor dem Weltklimagipfel in Kopenhagen hatte die Behörde Kohlendioxid als gesundheitsschädlich eingestuft und sich damit Möglichkeiten einer staatlichen Regulierung zur Reduzierung offen gehalten. Sollte ein Klimagesetz im Senat scheitern, so die Strategie, hätte man mit der Verordnung der EPA noch ein Türchen offen. Das wollen nun die 40 Abgeordneten, die einen Antrag gegen die Verordnung unterstützen, verhindern.

Auch die republikanische Senatorin Lisa Murkowski hat einen weiteren Antrag eingebracht, um zu verhindern, dass zukünftig die EPA den Kohlendioxidausstoß reguliert. Die EPA-Gegner haben die Befürchtung, dass es bei dem Scheitern eines Klimagesetzes am Ende zu einer rigiden Ordnungspolitik kommen könnte.

Todd Stern: Schwellenländer müssen mit ins Boot

Trotz der nationalen Widerstände macht die US-Regierung auf internationaler Ebene weiter Druck. US-Chefunterhändler der internationalen Klimaverhandlungen, Todd Stern, erklärte diese Woche, dass sich Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien und Südafrika zu Reduktionen verpflichten müssten. Andernfalls sei der "Copenhagen Accord" – der erreichte Minimalkonsens der letzten Klimakonferenz – nichts als eine „Totgeburt“.

Die Forderung an die Schwellenländer war auch auf dem Klimagipfel in Kopenhagen der Grund, warum die Verhandlungen scheiterten. Die USA forderte eine Aufkündigung des derzeitigen Kyoto-Protokolls, was die Schwellen- und Entwicklungsländer aber geschlossen ablehnten. Denn unter dem jetzigen Vereinbarungen sind nur die Industrieländer zu verbindlichen Reduktionen verpflichtet. "Wir werden nichts unterschreiben, was auf dem Kyoto-Protokoll fußt, wie das Kyoto-Protokoll aussieht oder ein Kyoto-Protokoll mit anderem Namen ist“, so Stern in Kopenhagen. Man brauche einen Systemwechsel.

Die großen Schwellenländer hatten dagegen freiwillige Ziele angeboten – für die USA ist das mit Hinblick auf ihren größten wirtschaftlichen Konkurrenten China aber nicht genug. So sieht es derzeit nicht danach aus, als ob sich die Fronten auf internationaler Ebene in den nächsten Monaten aufweichen und es auf dem nächsten Klimagipfel in Mexiko zu einer Einigung kommt.

Ein weiteres Signal für die internationale Ratlosigkeit war der Abgang des Chefdiplomaten des UNFCCC, Ivo de Boer. Seit 2006 leitete er die UN-Klimaverhandlungen – sein Rücktritt kann nur als Eingeständnis seines Scheiterns verstanden werden. Auch von der Politik scheint er genug zu haben: Boer hat einen neuen Job als Unternehmensberater bei KPMG, einem internationalen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungskonzern. Als Grund nannte er die Notwendigkeit, „neue Bündnisse mit der Wirtschaft“ zu schmieden. Boer ließ zudem verlauten, dass er keine großen Chancen sehe, dass Mexiko zu einen Erfolg werde.