US-Konjunkturpaket: Stimulus und Stuss

Donald Trump mit Finanzminister Steven Mnuchin (rechts) / Bild: The White House via Flickr

Hilfe in Zeiten der Corona-Pandemie: Blanko-Schecks für Unternehmen, sechs Billionen Dollar Steuerlast und "temporärer" Stopp von Umweltschutzauflagen

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"Laut eines Berichts des US-Handelsministeriums kommen 78% der amerikanischen Unternehmen kaum über die Runden und leben nur von Geldern der Regierung," schrieb diese Woche das Satire-Magazin The Hard Times. Überflüssig zu sagen, dass es einen solchen Bericht nicht gibt. Doch ist da was Wahres dran: Die US-Regierung macht derzeit den Unternehmen des Landes viele Geschenke. Das betrifft nicht nur das Konjunkturpaket.

Präsident Donald Trump unterzeichnete am Freitag das Zwei-Billionen-Dollar-Konjunkturpaket "Coronavirus Aid, Relief, and Economic Security" (CARES), das einige der wirtschaftlichen Folgen abfedern soll, die in den USA durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus verursacht werden. Es garantiert vielen Familien direkte Barzahlungen, erweitert die Arbeitslosenversicherung und stellt Kleinunternehmen Kredite zur Verfügung. Heikel ist dabei das Darlehensprogramm für große Unternehmen.

Eine Regelung zur Aufsicht der Vergabe von Geldern aus dem Topf für Unternehmenskredite lockerte Trump Stunden nach der Unterzeichnung in Eigenregie. In der im Fernsehen übertragenen Zeremonie im Oval Office sagte er, er habe die Macht, zu entscheiden, welche Informationen der Sondergeneralinspektor, der den Fonds überwachen soll, dem Kongress mitteilen kann.

Das von Senat und Repräsentantenhaus abgesegnete CARES-Gesetz, sieht vor, dass im Finanzministerium die Stelle eines neutralen Sondergeneralinspektors (special inspector general for pandemic recovery, SIGPR) eingerichtet wird, der die Kreditvergabe für Unternehmen prüft und untersucht. Das Gesetz ermächtigt dieses Amt, "Informationen von anderen Regierungsbehörden anzufordern" und verlangt, "dass der Sondergeneralinspektor dem Kongress 'unverzüglich' jede Ablehnung eines solchen Antrags melden muss, die 'nach Ansicht des Sondergeneralinspektors' unangemessen ist."

Trump nahm diese Bestimmung zurück und sagte, dass sie "verfassungsrechtliche Bedenken" aufwerfe. Seine Administration werde den Forderungen eines Sondergeneralinspektors nach Herausgabe von Informationen nicht nachkommen. Trump fügte dem Gesetzestext hinzu:

Ich verstehe diese Bestimmung nicht, und meine Administration wird sie nicht so behandeln, dass sie es dem Sondergeneralinspektor erlaubt, dem Kongress ohne die in der 'Take-Care'-Klausel vorgeschriebene Aufsicht des Präsidenten Berichte zu übermitteln.

Die Take Care-Klausel verlangt einerseits, dass der Präsident alle Gesetze befolgt und durchsetzt, räumt ihm andererseits einen Ermessensspielraum bei der Auslegung und Bestimmung der Gesetze ein. Dies deutet darauf hin, dass Trump der Ansicht ist, dass es die Pflicht des Präsidenten sein sollte - und nicht die eines Generalinspektors - , über die Informationshoheit zu verfügen, die sicherstellt, dass die Mittel gemäß den gesetzlichen Bestimmungen verteilt werden. Kurz: Trump entscheidet selbst, welche Informationen über die Mittelverwendung an den Kongress zur Aufsicht weitergegeben werden.

Finanzminister Mnuchin verwaltet 6 Billionen Dollar-Hilfe

Das Hilfspaket für Unternehmen in Höhe von 500 Mrd. US-Dollar ist eigentlich zehnmal größer. Von den 500 Mrd. Dollar gehen 75 Milliarden an die Luftfahrtindustrie und die "für die nationale Sicherheit kritischen Unternehmen" (sprich: Boeing). Die restlichen 425 Milliarden Dollar dienen als Sicherheit bei der Kapitalisierung von 4,25 Billionen Dollar bei der Federal Reserve, die zur Darlehensvergabe verwendet werden dürfen. Insgesamt handelt es sich bei dem Konjukturprogramm nicht um 2 Billionen Dollar, sondern eher um 6 Billionen Dollar (Englisch: trillion). Alles in dem Gesetz wird letztlich vom Steuerzahler finanziert, der einmalig einen Scheck über 1.200-Dollar erhält.

Dementsprechend war das der größte Streitpunkt zwischen Demokraten und Republikanern während des gesamten Verhandlungsprozesses des Konjunkturpakets, wie die Aufsicht über die Verwaltung und Verteilung der Gelder gestaltet werden soll. Anfang der Woche blockierten Demokraten eine Version des Gesetzesentwurfs, die keine Maßnahmen zur Aufsicht der Gelder durch den Kongress enthielt. Sie verhinderten auch, dass Trump für seine eigene Hotelkette Gelder einheimst.

Am Mittwoch wurde die verbesserte Fassung des Gesetzes im Senat von beiden Parteien einstimmig verabschiedet. Die Befugnisse des Sondergeneralinspektors hätten ein Mindestmaß an Transparenz gewähren können. Doch Trump düpiert nun alle jene Demokraten, die aufgrund der Transparenzbestimmung überhaupt für das Gesetz gestimmt hatten und unterwandert mit seiner Erklärung vom Freitag das Bestreben der Demokraten, die vor allem um eins gekämpft hatten: Dass das Gesetz eine Vorkehrung enthält, die Alarm schlägt, wenn der Verdacht besteht, dass Steuergelder veruntreut werden.

Die Pflicht, Alarm zu schlagen, obliegt nun Trump selbst. Wie und wofür die Mittel des durch Steuergelder abgesicherten Fonds ausgegeben werden, könnten damit im Dunklen bleiben. Trumps Finanzminister Steven Mnuchin, ein ehemaliger Goldman Sachs-Banker, den Trump einen "fantastischen Kerl" nennt, darf nun nach eigenem Ermessen die Verwendung und Auszahlung der Mittel bestimmen.

"Die größte Einkommenskluft in unserer Zukunft"

Die Washington Post schreibt, Mnuchin werde dadurch zu einem "der mächtigsten Kabinettsmitglieder, mit einem weiten Ermessensspielraum bei enormen Finanzierungsbeträgen, die für Millionen amerikanischer Haushalte und Unternehmen während einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen seit Generationen entscheidend sind."

Die demokratische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez reagierte am Samstag auf Twitter: "Dies ist eine erschreckende Menge öffentlicher Gelder, die einem korrupten Administrator ohne Rechenschaftspflicht zur Verfügung gestellt wird." Vor der Verabschiedung im Repräsentantenhaus hatte "AOC" das Gesetz verurteilt. Sie sagte, es sei "in der amerikanischen Geschichte eine der größten Rettungsaktionen mit jedoch den wenigsten Bedingungen für Unternehmen." Das werde "die größte Einkommenskluft in unserer Zukunft verursachen."

"Dies ist ein Raubüberfall, der im Gange ist", schreibt David Dayen, leitender Redakteur des The American Prospect. "Und es ist keine Rettung für das Coronavirus. Es ist eine Rettungsaktion für zwölf Jahre unternehmerischer Verantwortungslosigkeit."

Kritik am Gesetz kommt auch von Reichen. "Die Demokraten im Senat haben gesagt, dass sie erfolgreich eine angemessene Aufsicht über dieses Geld ausgehandelt haben, doch ich habe eine andere Definition von angemessen", sagte Morris Pearl, Vorsitzender der Patriotischen Millionäre und ehemaliger Geschäftsführer von BlackRock.

Pearl, der sich für höhere Steuern für Reiche einsetzt, wies auf Mnuchins Rolle bei der Durchsetzung von massiven Steuererleichterungen für amerikanische Unternehmen und die Reichen im Jahr 2017 hin und fügte hinzu: "In welcher Welt scheint es eine gute wirtschaftliche Praxis zu sein, eine halbe Billion Dollar an Steuergeldern an Minister Mnuchin zu übergeben, einen Mann, dessen einzige bisherige politische Leistung darin bestand, eine Steuersenkung von fast zwei Billionen Dollar für Millionäre, Milliardäre und Unternehmen durchzusetzen?"

Umweltauflagen gestoppt

Ein weiteres Geschenk, das die Trump-Regierung großen Unternehmen macht: Die US-Umweltschutzbehörde (EPA) erlaubt es Unternehmen, während der Coronavirus-Pandemie gegen Umweltgesetze zu verstoßen, solange sie nachweisen können, dass diese Verstöße in irgendeiner Weise durch die Covid-19-Pandemie verursacht werden. Diese "temporäre" Regelung gelte rückwirkend ab dem 13. März 2020 und für eine unbefristete Zeit.

Kraftwerke, Raffinerien und Fabriken sollen selbst bestimmen können, ob sie in der Lage sind, die gesetzlichen Anforderungen zur Meldung von Luft- und Wasserverschmutzung zu erfüllen, berichtet die New York Times. Im Falle einer unmittelbaren Bedrohung der öffentlichen Gesundheit werde die EPA "die Umstände prüfen" und dann erst entscheiden, "ob sie eingreifen soll". Damit wird den Unternehmen signalisiert, dass ihnen keine Sanktionen wegen Luft- oder Wasserverschmutzung drohen.

Beispielsweise werden Ölraffinerien nun nicht gezwungen sein, über karzinogene Benzol-Emissionen zu berichten und diese zu reduzieren, schreibt The Guardian. Zehn Raffinerien, die meisten davon in Texas, hätten die Grenzwerte bereits überschritten.

Laut The Hill, habe das American Petroleum Institute (API) Anfang dieser Woche in einem 10-seitigen Brief an die EPA eine Aussetzung der Regeln gefordert, die eine Reparatur undichter Gerätschaften verlangen als auch eine Überwachung von Sicherheitsmaßnahmen, die die Verschmutzung nahe gelegener Gewässer betreffen.

Andere Industrien sollen ebenfalls darum gebeten haben, die "Höhere Gewalt"-Klauseln aller gesetzlichen Regelungen, die sie mit der EPA unterzeichnet hatten, anwenden zu dürfen, um eine Verlängerung der Fristen zur Erfüllung verschiedener Umweltziele angesichts unvorhergesehener Umstände zu ermöglichen.

"Die EPA sollte niemals ihr Recht und ihre Verpflichtung aufgeben, sofort und entschieden zu handeln, wenn eine Bedrohung der öffentlichen Gesundheit besteht, egal aus welchem Grund. Mir ist kein Fall bekannt, in dem die EPA jemals diese grundlegende Autorität aufgegeben hätte," sagte Cynthia Giles, die unter Obama die EPA leitete.