US-Krieg gegen IS stärkt das Assad-Regime
Das Assad-Regime greift verstärkt Städte an, die von nicht dem IS zugehörigen Rebellen kontrolliert werden - die syrische Opposition kritisiert zunehmend die US-Regierung
Wie das Pentagon mitteilt, fanden gestern 6 Luftangriffe auf IS-Ziele bei Kobane statt. Danach wurden ein gepanzertes Fahrzeug, fünf Fahrzeuge mit Waffen und zwei Artilleriesysteme zerstört. Die jetzt vermehrten Luftangriffe haben den Verteidigern von Kobane etwas Luft verschafft.
Pentagon-Sprecher John Kirby hat aber erneut klar gemacht, dass Kobani nicht durch Luftschläge gerettet werden könne. Das Pentagon werde immer gefragt, warum nicht mehr getan werde. Kirby erklärte mit Blick auf die Türkei, es fehle ein "williger, fähiger, effektiver Partner auf dem Boden in Syrien. Das ist eine Tatsache. Ich kann das nicht ändern." Die gemäßigten Rebellen, die in Saudi-Arabien ausgebildet werden sollen, stünden bestenfalls in Monaten zur Verfügung.
Die türkische Regierung will weiterhin angeblich alle Terrororganisationen bekämpfen, wozu sie auch die kurdischen Kämpfer der YPG zählt, die der PKK nahestehen. Offenbar hält man dem Islamischen Staat die Grenzen offen, während Kobane auf der türkischen Seite von türkischem Militär und Panzern abgeriegelt ist. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte in einer Pressekonferenz anlässlich des Besuchs des neuen Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg, es sei nicht "realistisch", dass die Türkei alleine den Bodenkampf führen könne. Auch er sagte, Luftschläge alleine könnten den IS nicht besiegen, es müsse eine Bodenoffensive bedacht werden, es gelte die Kämpfer der Freien Syrischen Armee zu unterstützen, überdies gebe es ohne den Sturz des Assad-Regimes keinen Frieden.
Während die USA mit Unterstützung der Nato Druck auf die Türkei zur Beteiligung am Krieg gegen den IS in Syrien ausübt, aber nicht gegen das Assad-Regime vorgehen will, fordert die türkische Führung just dies. Im Augenblick profitiert das Assad-Regime, das die Luftangriffe auf Stellungen des IS in Syrien duldet, von diesen. Man braucht nicht mehr selbst gegen den IS vorgehen, wie man dies lange Zeit auch aus taktischen Gründen nicht gemacht hat, sondern kann erneut gegen die anderen oppositionellen Gruppen vorgehen und von diesen besetzte Städte mit Artillerie und aus der Luft angreifen. Dabei werden neben normalen Bomben auch weiterhin von Hubschraubern verheerende Barrel-Bomben, gefüllt mit Öl, Sprengstoff und Nägeln, auf Städte und Dörfer etwa in der Provinz Aleppo abgeworfen.
Nach Informationen der New York Times wird nun zunehmend Kritik unter den Oppositionsgruppen gegen Assad laut, weil die USA dessen Regime, das für den Tod von bislang mehr als 200.000 Zivilisten und die Flucht von Millionen verantwortlich ist, im Krieg gegen den IS entlastet und freie Hand im Kampf gegen die Opposition gewährt. Die ist zwar auch zum großen Teil islamistisch oder gehört wie die al-Nusra-Front al-Qaida an, aber sei doch gemäßigter als der IS.
Auch ein Mitarbeiter der Regierung sagte der NYT, dass das Assad-Regime seit Beginn der Luftangriffe der USA selbst wieder stärker mit Kampfflugzeugen und Hubschraubern gegen Idlib, Aleppo und Vorstädte von Damaskus vorgeht, die von nicht dem IS angehörigen Oppositionsgruppen kontrolliert werden. Es wäre "dumm" für sie, wenn sie die Chance nicht nutzen würden: "Sie haben sich auf den Westen konzentriert und den Osten ausgelassen, wo wir operieren. Letztlich haben wir es ihnen ermöglicht, militärische Gewalt ökonomisch einzusetzen."
Das Problem wird auch sein, dass mit wachsender Kritik der syrischen Opposition - und der syrischen Kurden sowieso - der Plan scheitern könnte, gemäßigte syrische Oppositionelle auszubilden und als Bodentruppen gegen den IS einzusetzen. Unterstellt wird der US-Regierung nicht nur, dass der Luftkrieg dem Assad-Regime indirekt hilft, sondern dass sie möglicherweise mit Assad kooperiert, auch wenn dies US-Präsident Obama weit von sich gewiesen hat. Es gab auch bereits Proteste in Syrien.
Für die Syrer könnte der Luftkrieg der USA, der Assad stärkt, so erscheinen, als wäre der Schutz der Zivilisten und die Unterstützung der Opposition kein Ziel. Verstärkt wurde der Zweifel überdies durch die Luftschläge gegen die ominöse Khorassan-Gruppe in der Provinz Idlib, die nach Angaben des Weißen Hauses al-Qaida angehört und Anschläge gegen den Westen geplant haben soll. Nach Angaben von Rebellen und Bewohnern seien aber nur normale al-Nusra-Stellungen bombardiert worden. Al-Nusra bekennt sich zu al-Qaida, hatte früher mit dem IS kooperiert, gilt nach dessen Erstarken als gemäßigter und kooperiert teilweise mit vom Westen unterstützten Gruppen.