US-Militärs gegen Einsatz von Bodentruppen
US-Bürger gehen davon aus, dass es nicht bei Luftschlägen gegen IS bleiben wird, 45 Prozent würden die Entsendung von Bodentruppen befürworten
US-Präsident Obama hatte letzte Woche Entschlossenheit demonstriert und versucht, die Amerikaner hinter sich zu holen, indem er herausstellte, dass die USA weiterhin die führende Supermacht ist. Bei seiner Ansprache am Wochenende sagte er, die Welt würde erwarten, dass die USA die Führung übernehmen, gleich ob es gegen Russland, den Islamischen Staat, Ebola oder die Klimaerwärmung geht. Was den Krieg gegen den IS betrifft, hat Obama mit seiner Kehrtwende zum erneuten offenen Krieg gegen den Terror bislang immer wieder betont, dass keine US-Soldaten am Boden eingesetzt werden.
Die US-Bürger mögen Obamas Versprechen nicht glauben. Bei einer Umfrage von NBC/WSJ/Annenberg, die zwischen dem 19. und dem 25. September stattfand, also noch vor Obamas Anspruch auf die globale Führung, waren 72 Prozent überzeugt, dass letztlich doch wieder US-Bodentruppen im Irak und in Syrien eingesetzt werden.
Die Amerikaner sind vermutlich realistischer, als dies Obama kurz vor den Kongresswahlen zugestehen möchte. Das Weiße Haus setzt darauf, die irakische Armee zu stärken, die kurdischen Peshmerga zu unterstützen und "gemäßigte" syrische Rebellen auszubilden und aufzurüsten, die am Boden kämpfen sollen, da Luftangriffe alleine nicht ausreichen werden, den IS zu zerschlagen. Zwar hat Obama erreicht, dass sich bislang 5 arabische Länder an den Angriffen mit Kampfflugzeugen und Drohnen in Syrien und Australien, Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Belgien und die Niederlande an den Luftschlägen im Irak beteiligen, aber Bodentruppen will niemand senden.
Deutschland hat 6 Soldaten nach Erbil zur Ausbildung der Kurden entsandt, Kanada 70 Soldaten als Berater für die irakische Armee. Im Irak befinden sich allerdings bereits um die 1600 US-Soldaten. Sie sollen die irakische Armee und die Kurden beraten, die Botschaft im Irak und die Amerikaner in Erbil schützen, aber auch Geheimdienstarbeit und Aufklärungsflüge durchführen und die Kommandostelle leiten. Damit ist schon der erste Schritt gemacht, um die USA wieder in einen umfassenden Krieg hineinzuziehen. US-General Martin Dempsey hatte vor kurzem auch schon erklärt, dass dann, wenn das Vorgehen der internationalen Koalition nicht erfolgreich ist, er dem Präsidenten die Entsendung von US-Bodentruppen empfehlen würde. US-Militärberater könnten auch irakische Truppen bei Kämpfen begleiten.
Für den Eintritt der USA in den völkerrechtswidrigen Krieg gegen IS in Syrien, der damit enden könnte, das von Iran und Russland gestützte Assad-Regime zu stärken, waren Exekutionen von zwei amerikanischen Journalisten der Auslöser. Wenn bereits im Irak befindliche US-Soldaten getötet werden sollten, könnte dies auch zur Entsendung von mehr Bodentruppen führen. Immerhin 45 Prozent der Befragten würden auch zustimmen, Bodentruppen zu entsenden, wenn die US-Kommandeure dies als bestes Mittel für die Zerschlagung von IS empfehlen sollten. Nur 37 Prozent sind prinzipiell dagegen.
Anders denkt man freilich beim Militär. Military Times hat 2.200 aktive US-Soldaten befragt. Ausgewertet wurde eine Umfrage unter Lesern, die die Fragen beantwortet haben. Danach sprachen sich 70 Prozent gegen eine Entsendung von Bodentruppen aus. Allerdings war die Frage anders formuliert. Beantwortet wurde nicht, ob die Soldaten die Entsendung einer "substantiellen Zahl von Kampftruppen" in den Irak befürworten, wenn dies die Kommandeure empfehlen. Dann wäre vermutlich das Ergebnis etwas anderes ausgefallen. So aber wurden sie gefragt, ob sie im Prinzip die Entsendung von Bodentruppen zur Unterstützung der irakischen Sicherheitskräfte befürworten würden. Zudem wurde die Umfrage bereits im August abgeschlossen, als Obama erst den Luftkrieg gegen IS im Irak begonnen hat.
Nach Military Times zweifeln allerdings viele Soldaten an der Verlässlichkeit der irakischen Truppen, zudem ist man ausgebrannt und will nicht schon wieder zurück in den Irak. Entscheidend ist wohl, dass die Mehrzahl der Soldaten den Irak-Krieg nicht als erfolgreich bewertet. Fast 60 Prozent sind der Meinung, davon sagen 31,2 Prozent, er sei überhaupt nicht erfolgreich gewesen. 2011 waren erst 9 Prozent dieser Meinung. Die Ansicht, dass der Irak-Krieg sehr erfolgreich war, teilen nur 4,5 Prozent (2011 waren es noch 9,9 Prozent). Besonders markant ist der Schwund der Überzeugung, dass der Irak-Krieg ein wenig erfolgreich war. Im Jahr, als die Kampftruppen vom Irak abgezogen wurden, waren noch 53,9 Prozent der US-Soldaten der Meinung, dass der Krieg nicht ganz umsonst war, den sie im Irak geführt haben. Jetzt sagen dies gerade noch 25,5 Prozent. Mehr als 60 Prozent sagen, dass die aktuellen Ereignisse im Irak, d.h. der Vormarsch der IS, die Eroberung von Mossul und die Flucht des irakischen Militärs ihre Meinung beeinflusst habe.