US-Regierung beschließt Ausbau des Drohnenkriegs im Jemen
Getötet werden dürfen nun wie in Pakistan auch verdächtige, namentlich unbekannte Militante
Die vom Friedensnobelpreisträger Barack Obama geführte US-Regierung baut den unerklärten, seit Jahren geführten Drohnenkrieg im Jemen aus. Bislang wurden vereinzelt Stellungen und Personen angegriffen, die al-Qaida zugerechnet werden. Im letzten Jahr hatte Obama erstmals die Genehmigung erteilt, einen US-Bürger, den im Jemen untergetauchten al-Qaida-Imam al-Awlaki, gezielt aus der Ferne zu töten. Erst diese Tötung hatte die Diskussion in den USA über den Drohnenkrieg ein wenig verstärkt, allerdings wird das Töten mit Robotern aus der Ferne weitgehend und stillschweigend in den USA wie in Europa geduldet oder akzeptiert.
Wie das Wall Street Journal und die Washington Post berichten, wurde nun vom Weißen Haus beschlossen, den Drohnenkrieg auszuweiten, um zu verhindern, dass sich al-Qaida im Jemen (AQAP), die man als besonders gefährlich für Angriffe in den USA erachtet, weiter ausbreitet, dort das schon bestehende "Sicherheitsvakuum" zusammen mit anderen islamistischen Kräften wie Ansar Al-Sharia vergrößert und ähnlich wie einst in Afghanistan und derzeit in Somalia einen "sicheren Hafen" erhält. Im Jemen werden bewaffnete Drohnen sowohl von der CIA als auch von den Spezialeinheiten geflogen. Kritiker warnen, dass Drohnenangriffe ähnlich wie in Pakistan die antiamerikanische Stimmung nur steigern wird. Allerdings sollen im Unterschied zu den Tötungseinsätzen in Pakistan etwas schärfere Kriterien für die Auswahl der Todeskandidaten gelten.
Wie sich kürzlich herausgestellt hat (USA erwägen vermehrten Einsatz von Kampfdrohnen im Jemen), werden mit Drohnen in Pakistan nicht nur verdächtige und hochrangige Militante getötet, deren Identität zuvor eingehend geprüft wurde, wie dies noch vor wenigen Wochen der US-Justizminister Holder sagte (Die USA haben "das Recht und die Pflicht", Terrorverdächtige weltweit zu jagen und zu töten), sondern auch namentlich nicht bekannte Personen, wenn es entsprechende verdächtige Hinweise zu beobachten gibt. Das wird "signature strikes" genannt. Hinweise stammen nicht nur von Informanten oder Spionen vor Ort, sondern auch von Drohnen- oder Satellitenkameras, die verdächtige Versammlungen, eine Häufung von bewaffneten Wächtern an einem Ort oder Be- und Entladen von Waffen zeigen.
Im Jemen sollen nun zwar auch "hochrangige Terroristen" gezielt getötet werden dürfen, selbst wenn ihre Namen nicht bekannt sind, oder solche Personen, die verdächtigt werden, eine Gefahr für die USA darzustellen. Das klingt schon als Grundlage für ziemlich willkürliche Entscheidungen und scheint nur als Legitimationsattrappe zu dienen, selbst wenn angeblich Angriffe auf einfache Militante, die gegen die jemenitische Regierung kämpfen, unterbleiben sollen. "Signature lite" wird angeblich dieses Vorgehen genannt
Der Einfluss von al-Qaaida und Islamisten hat im Jemen aufgrund der Proteste im letzten Jahr zugenommen. Sie haben dazu geführt, dass der damalige Präsident Ali Abdullah Salih zurücktreten musste. Im Frühjahr wurde der bisherige Vizepräsident Abed Rabbo Mansur Hadi gewählt, der eine Verfassungsreform realisieren soll. Allerdings werden nun schon größere Teile des Landes nicht mehr von der Regierung kontrolliert. Daher übte, wie ein jemenitischer Geheimdienstmitarbeiter dem WSJ sagte, die US-Regierung erheblichen Druck auf den neuen Präsidenten aus, dem Ausbau des Drohnenkriegs zuzustimmen. Die US-Regierung will mit dem Einsatz ferngesteuerter Drohnen vermeiden, direkt in den Bürgerkrieg als Partei hineingezogen zu werden, aber so die Militanten effektiv wie in Pakistan bekämpfen zu können. Angeblich hat die Regierung Jemens auf strenge Einschränkungen gedrungen, die allerdings nach den Angaben des WSJ sehr dehnbar sind. Für den Geheimdienstmitarbeiter ist es schon unmöglich, "verdächtige Militante von bewaffneten Jemeniten" unterscheiden zu wollen, weil jeder Jemenit bewaffnet ist.
Am letzten Sonntag hat eine CIA-Drohne ein Fahrzeug beschossen, in dem AQAP-Mitglieder vermutet wurden. Jetzt würden Geheimdienstmitarbeiter versuchen, die Getöteten zu identifizieren. Offenbar hat man spätestens seitdem damit aufgehört, nur bekannte, hochrangige Verdächtige nach ausgiebiger Prüfung zu töten, sofern dies nicht länger schon nur eine vorgeschobene Legitimation war.