US-Syrien-Sanktionen setzen auf weitere Verarmung der Bevölkerung

Seite 2: Strategische Ansagen: Die Bevölkerung ist Mittel zum Zweck

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Darum kümmert sich in der Öffentlichkeitsarbeit der US-Sondergesandte für Syrien, James E. Jeffrey. Ihm geht es um die Frage, ob die "US-Sanktionen Syrien zerstören". Das ist die große Kritik, die den US-Sanktionen seit Monaten entgegengebracht wird. Seine Antwort hierzu lautet, dass es die "Grausamkeiten von Assad" sind, die Syrien zerstört haben, anderes wird ausgeblendet. Für wie einfältig halten Vertreter der US-Regierung die Öffentlichkeit?

Vor einem Think-Tank-Publikum war James E. Jeffrey vor einigen Monaten ehrlicher und direkter. Da gab er Bescheid, dass es politisch darum gehe, Assad mit allen Mittel daran zu hindern, dass er Syrien wiederaufbauen kann. Später sagte er, dass es den USA darum gehe, Russland das Leben in Syrien zu einem Schlamassel zu machen. Dazu gibt es die Allzeitforderung Jeffreys, Iran aus Syrien zu vertreiben.

Da sind strategische Ansagen, das ist keine Politik, die in irgendeinerweise artikuliert, dass es ihr um die Interessen der Bevölkerung geht. Da steckt keine politische Gestaltungsidee dahinter, nur ein strategischer Plan, der sich mit Einflusszonen befasst.

So geht es auch bei den "gezielten Sanktionen" nicht darum, nur den Assad-Kreis zu treffen.

Schließlich zielen sie (die Sanktionen) auf alle, die vom Krieg profitieren und die signifikante Dienste beim Aufbau für das syrische Regime leisten. Individuen und Geschäfte weltweit, die sich an Wiederaufbaumaßnahmen des Assad Regimes beteiligen, sehen sich jetzt einem verstärkten Sanktionsrisiko gegenüber.

James E. Jeffrey

Auch bei Pompeo findet sich ein Satz, der die Dimensionen angibt:

Jeder, der mit dem Assad-Regime Geschäfte macht, egal, wo immer in der Welt, setzt sich Reisebeschränkungen und finanziellen Sanktionen aus.

Michael R. Pompeo

Wie sind die beiden Aussagen mit dem Anspruch vereinbar, dass man doch nur eine begrenzte Zielgruppe im Visier hat und nicht die syrische Bevölkerung?

Die Erläuterung der Sanktionen durch das US-Schatzamt (Department of Treasury) liefert einige Details. Da erfährt der Leser, dass zum Beispiel die Damascus Cham Holding Company, deren Management Damascus Cham for Management LLC wie auch der Bürgermeister von Damaskus, Adel Anwar Al-Olabi, auf der Sanktionsliste stehen.

Begründet werden die Sanktionen damit, dass die mit Assad verbandelte Elite von einem großen Bauprojekt profitiert und für das Vorhaben Menschen enteignet wurden, die arm sind oder nicht über Mittel verfügen, um sich gegen den Staats-Businessapparat zu wehren sind, oft sind sie auch noch praktisch genug Gegner der Regierung. Das Bild ist nach einer Absicht gezeichnet, aber es ist trifft auch manches zu. Das Marota-Projekt sieht aus wie ein abgehobener Elite-Traum aus früheren Zeiten. Die Profiteure gehören zur Oberschicht.

Umstritten ist jedoch, ob das "Landnahme-Gesetz", mit dem die Enteignung begründet wird und über das an dieser Stelle auch schon berichtet wurde, so eindeutig als solches bezeichnet werden kann. Selbst in Damaskus-kritischen Publikationen, wie der saudischen Arab News, werden da auch andere Stimmen genannt, die sich dieser eindeutigen Zuweisung verwehren. Und es geht hier auch nicht darum, der Kehrseite der ideologischen Wahrnehmung Götzendienst zu leisten, und die Regierung Baschar al-Assad als Wohltäter der syrischen Bevölkerung darzustellen. Der Aufstand gegen die Baath-Herrschaft hatte seine tiefsitzenden Gründe.

Es geht darum, wohin die US-Sanktionen zielen. Wenn selbst die NZZ zu bedenken gibt, dass die Sanktionen die syrische Wirtschaft erschüttern, so ist das keine Propaganda von Assadisten, sondern bedeutet, dass eben nicht nur die Elite, sondern die ganze Bevölkerung von einem Wirtschaftskrieg getroffen wird, der das in Kauf nimmt. Anders gesagt, die US-Regierung weiß, dass ihre Sanktionen Angestellte, kleine und mittelgroße Unternehmen und die Bevölkerung treffen.

Die Arbeitslosigkeit ist dieses Jahr auf 83 Prozent angestiegen, die Armutsrate auf 93 Prozent, dabei verteuern sich die Lebensmittelpreise extrem. Wo gibt es Verdienstmöglichkeiten, die mit diesen Erschütterungen Schritt halten können? Wo sollen die Aufträge für Betriebe und Unternehmen herkommen? Woher das Öl, wenn große Ölfelder von den USA besetzt sind?

Die syrische Lira stürzt ab, die libanesischen Banken, oft Zuflucht nicht nur von reichen Syrern, sondern auch von kleineren Unternehmen und Angestellten, werden aus Angst vor US-Sanktionen nicht aushelfen, sie sind ohnehin ebenfalls in einer großen Verschuldungs- und Dollarkrise. Zu erwähnen ist, dass sich die Regierung Assad mit dem vor einigen Wochen verkündeten Verbot, mit US-Dollars zu handeln, selbst ein paar Schwierigkeiten mehr eingebrockt hat.

Auch Geldautomatenbetreiber stellen ihre Tätigkeit in Syrien ein. In den von der Türkei besetzten Gebieten Nordsyriens gibt es Anzeichen, dass die türkische Lira zur Währung wird (allerdings auch Hindernisse).

Und bei all diesen Scherben wird der nächste große Elefant im syrischen Raum ganz vergessen: Wie soll denn eine bessere Zukunft aussehen, was bieten die USA an positiven Ausblicken hinter all dem massiven, brutalen und zerstörerischen Druck an?