USA: Demokratie oder Faschismus?
Seite 2: Wahlen auf Messers Schneide: Droht ein Bürgerkrieg?
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Laut einer aktuellen US-Umfrage halten vor diesem Hintergrund mehr als zwei Fünftel der Amerikaner einen Bürgerkrieg in den nächsten zehn Jahren für einigermaßen wahrscheinlich – eine Zahl, die sich bei den überzeugten Republikaner-Anhängern auf mehr als die Hälfte erhöht.
Kritiker:innen von Trump und des Coup-Versuchs sind innerhalb der Republikaner zudem komplett isoliert. Die Tochter des früheren US-Vizepräsidenten Dick Cheney Liz Cheney, eine der wenigen prominenten Republikaner:innen, die sich gegen Trump ausgesprochen hat, konnte sich bei den parteiinternen Vorwahlen um einen Sitz im Repräsentantenhaus nicht durchsetzen.
Bei den Demokraten gibt es demgegenüber zumindest die Hoffnung, dass sie durch Druck von außen dazu gebracht werden können, die Situation innenpolitisch zu stabilisieren und einige Verbesserungen auf den Weg zu bringen.
Dafür gibt es auch Anhaltspunkte. Der sogenannte Inflation Reduction Act, eine abgespeckte Version des eigentlich versprochenen Infrastrukturprogramms, enthält einige sinnvolle Elemente wie ein Investitionspaket auch für Erneuerbare Energien und die Beseitigung von Missständen im Gesundheitssystem.
Allerdings stößt das Gesetz auch auf Kritik. Denn aufgrund der Intervention des Kohlebarons und Senators Joe Manchin aus West Virginia sollen zugleich Genehmigungen für Energieinfrastrukturen wie Gaspipelines und fossile Exporte erleichtert werden, während fossile Energien weiter staatlich subventioniert werden sollen. Biden hat dem gemäß seine Unterstützung für Offshore-Fracking-Projekte vor der Küste Kaliforniens angekündigt – gegen die Kritik und Proteste von Umweltschützer:innen und progressiven Demokrat:innen.
Doch insgesamt ist das Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung, was sich für die Demokraten bei den anstehenden Wahlen positiv auswirken könnte. Gleichzeitig scheint der Vorstoß von US-Präsident Joe Biden, Millionen von Studierenden ihre Studienschulden zu erlassen, eine große Zahl von Wähler:innen zu motivieren, im Herbst zur Wahl zu gehen, wie neue Umfragen zeigen. Wähler:innen aus dem gesamten politischen Spektrum sagen danach, dass sie bei den diesjährigen Zwischenwahlen aufgrund Bidens Schuldenerlass für Studierende eher bereit sind, zur Wahl zu gehen.
Doch die Umfragewerte für Biden sind weiter extrem schlecht, während die Durchschnittsverdiener:innen aufgrund der Inflation kaum über die Runden kommen. 59 Prozent der US-Bevölkerung leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck, während die Unternehmensgewinne auf ein Allzeithoch steigen. Sie haben im zweiten Quartal einen Rekord von zwei Billionen Dollar erreicht, während sich viele Arbeitnehmer:innen nicht einmal eine 400-Dollar-Notfallzahlung leisten können.
Die Lage in den USA ist extrem angespannt. So wurde gerade vermeldet, dass es einen historischen Rückgang der Lebenserwartung in den USA gegeben habe. Die Amerikaner:innen werden im Durchschnitt nach heutigem Stand fast drei Jahre weniger leben als noch im Jahr 2019. Verantwortlich gemacht werden dafür die Reaktion auf die Pandemie, das nicht funktionierende, profitorientierte Gesundheitssystem sowie Luft- und Umweltverschmutzungen verschiedener Art. Die Demokraten haben jedoch bisher nicht gezeigt, dass sie diesen fatalen Entwicklungen mit einer entschlossenen Politik entgegentreten. Das könnte ihnen bei den Wahlen auf die Füße fallen.
Doch es gibt auch positive Meldungen. Mary Peltola, eine ehemalige Abgeordnete des Bundesstaates Alaska, besiegte bei Nachwahlen Sarah Palin, die ehemalige Gouverneurin dieses Bundesstaates und frühere republikanische Vizepräsidentschaftskandidatin, in einer Stichwahl um einen freien Sitz im Repräsentantenhaus.
Peltola ist die erste Frau, die jemals den einzigen Sitz im Repräsentantenhaus von Alaska gewonnen hat. Sie ist auch die erste Ureinwohnerin Alaskas (Yup'ik), die aus diesem Bundesstaat in den Kongress der Vereinigten Staaten gewählt wurde, und die erste Demokratin, die den Sitz im Repräsentantenhaus gewann, seit Alaska ein Bundesstaat ist.
Wie die Schicksalswahlen entschieden werden, ist kaum vorherzusehen. Sie stehen auf Messers Schneide. Robert Reich von der University of California in Berkeley und ehemaliger Arbeitsminister in der Clinton-Regierung – die er wegen Meinungsverschiedenheiten über den ökonomischen Kurs allerdings frühzeitig verließ –, warnt angesichts der instabilen Lage in den Vereinigten Staaten:
Die wesentliche politische Entscheidung in Amerika lautet daher nicht mehr Republikaner oder Demokrat, rechts oder links, konservativ oder liberal. Sie lautet Demokratie oder autoritärer Faschismus. Es kann keinen Kompromiss zwischen diesen beiden geben – keinen Mittelweg, keine "gemäßigte Mitte", kein "Gleichgewicht". Sich klar auf die Seite der Demokratie zu stellen, heißt nicht, "parteiisch" zu sein. Es bedeutet, patriotisch zu sein. Wie Adam Wilkins gestern andeutete, hat die heutige republikanische Partei zwar keine eigenen paramilitärischen Einheiten wie die Braunhemden der Nazis, aber die republikanische Partei lagert diese Aktivitäten effektiv an gewalttätige Randgruppen wie die "Proud Boys", "Oathkeepers" und andere aus, die am 6. Januar 2021 auf das Kapitol stürmten und weiterhin mit Gewalt drohen.