USA: Die vertane letzte Chance
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Die Nominierung Hillary Clintons zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten ist eine politische Katastrophe
Bernie Sanders outete sich beim Nominierungsparteitag der US-Demokraten als ein politischer Masochist. Die Nackenschläge des neoliberalen demokratischen Establishments, das dem verhassten linken Hoffnungsträger reihenweise politische Niederlagen zufügte, schienen kein Ende nehmen zu wollen.
Das Wahlprogramm der Demokraten konnte weitgehend von der rechten Fraktion um Hillary Clinton diktiert werden, während dem linken Flügel nur ein paar kosmetische Zugeständnisse gemacht wurden. Die Wahlplattform der Demokraten sei "ein Sieg für Clinton, nicht für Sanders", tönte gehässig die Washington Post, eins der zuverlässigsten Propagandaorgane Clintons.
Offener Affront gegen die linke Parteibasis
Die Nominierung des konservativen Südstaatendemokraten Tim Kaine zum Vizepräsidenten wurde von der progressiven Basis der Demokraten - deren Kandidat nur durch massive Manipulationen der Vorwahlen knapp Clinton unterlag - als ein offener Affront gewertet, als ein gigantisches "Fuck you" des Establishments gegenüber der linken Parteibasis, wie es das Nachrichtenportal Commondreams formulierte.
Kurz vor dem Parteitag in Philadelphia belegten die von Wikileaks publizierten Emails des Democratic National Committee (DNC), was bereits seit Monaten offensichtlich war: Das offiziell bei Vorwahlen zur Neutralität verpflichtete oberste Parteigremium betätigte sich faktisch als ein Organ der Wahlkampagne Clintons, indem es alles daran setzte, die Kandidatur von Bernie Sanders zu delegitimieren.
Nach diesen Enthüllungen musste die Vorsitzende des DNC, Debbie Wasserman Schultz, tatsächlich ihren Hut nehmen - nur um sofort von der Clinton-Kampagne wieder als "Ehrenvorsitzende" angestellt zu werden.
Die Unterstützung Sanders
Und dennoch blieb Bernie Sanders bei seiner Unterstützung für Hillary Clinton, obwohl seine zahlreich bei dem Parteitag anwesende Anhängerschaft bereit war, eine offene Revolte - und einen eventuellen Bruch - zu wagen. Nach der offiziellen Nominierung Clintons hat ein großer Teil der Sanders-Delegierten den Parteitag sogar unter Protest verlassen.
Als Sanders in einer rund halbstündigen Rede zur Wahl von Hillary Clinton aufrief, wurde er massiv ausgebuht - von seinen Anhängern. (Eigentlich überflüssig, noch zu erwähnen, dass diese Rebellion auch im deutschen Medienmainstream nicht beachtet wurde, stattdessen lag der Akzent auf Jubel und Einigkeit.)
Angesichts dieses Vorgehens des einstmaligen Hoffnungsträgers der amerikanischen Linken scheint eine alte Parole wieder brandaktuell: "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!" Hat Sanders die sich formierende amerikanische Linke bei irgendwelchen Deals mit dem DNC einfach ausverkauft? Hierfür gibt es aber keine klaren Anhaltspunkte. Dies scheint auch angesichts der dargelegten massiven politischen Niederlagen der Parteilinken und der anhaltenden Provokationen des Establishments gegenüber Sanders eher unwahrscheinlich.
Es gibt hier keine reellen Zugeständnisse der Parteirechten, die es Sanders ermöglichen würde, die Linke hinter Clinton im Wahlkampf gegen Trump zu einen. Im Gegenteil: Der Krieg des Establishments gegen die Linke geht auch auf dem Parteitag weiter. Die prominente linke US-Demokratin Nina Turner, die als eine Nachfolgerin von Sanders gehandelt wurde, musste den Parteitag verlassen, ohne die vorgesehene Parteitagsrede halten zu können.
Hier ist ein konkreter Anhaltspunkt für die Strategie zu finden, die Sanders dazu veranlasste, doch noch bei den Demokraten an Bord zu bleiben. Dem demokratischen Sozialisten geht es nicht um seine Person, um seine Präsidentschaft, sondern um eine langfristige sozialdemokratische Transformation der neoliberal deformierten US-Demokraten.
Hierbei sollen binnen der nächsten Jahre linke Kräfte bei Kampfkandidaturen sich gegen neoliberale Amtsinhaber durchsetzen um langsam die Ausrichtung der Partei zu verändern und diese zurück auf das sozialdemokratische Gleis zu führen, das die Demokraten unter dem neoliberalen Bill Clinton verließen. Deswegen wollte das Parteiestablishment diesen linken Rebellen - wie etwa Nina Turner - beim Parteitag kein Forum bieten.
Bernie Sanders ist somit aller Wahrscheinlichkeit nach kein "Verräter", sondern eine Art politischer Dinosaurier: ein ehrlicher, linker Sozialdemokrat, der tatsächlich bemüht ist, durch langfristige, reformistische Politik der Realisierung einer klassisch sozialdemokratischen Politik nahezukommen.