USA: Die vertane letzte Chance
Seite 2: Die letzte Option für eine progressive Richtung
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Das Problem dabei besteht nur darin, dass er gegen die Zeit verliert. Diese sozialdemokratische Strategie wird ja nicht in einem statischen Gesellschaftszustand realisiert, sondern in einer krisengeschüttelten spätkapitalistischen Gesellschaft. Diese mannigfach sich äußernde kapitalistische Krisendynamik - von der Wirtschafts- bis zur Klimakrise - wird nicht stehen bleiben, sie wird an Intensität gewinnen, stärkere Erschütterungen und Verwerfungen zeitigen, die das gesamte Gesellschaftsgefüge auch in den Zentren des Weltsystems bis ins Mark erschüttern werden.
Sanders stellte eine letzte politische Option dar, den nun voll ausbrechenden systemischen Krisenprozess, der in eine chaotische und brandgefährliche Transformationsphase eintritt, doch noch in eine progressive Richtung zu lenken und den Durchbruch zur Barbarei zu verhindern. Der Vergleich zu Roosevelt, der die USA vor dem Abdriften in den Faschismus während der letzten großen Systemkrise in den 30ern des 20. Jahrhunderts bewahrte, ist hier durchaus angebracht.
Diese Option ist nun den Wählern in den USA verbaut. Sie können zwischen Donald Trump wählen, einem sich zum Faschisten ausformenden Rechtspopulisten, und Hillary Clinton, die wohl als die zentrale Symbolfigur des verhassten Politestablishments und der Oligarchie der USA gilt. Wie wird ein Donald Trump, wie wird eine Hillary Clinton auf die kommenden krisenbedingten Verwerfungen und Umbrüche reagieren, auf Wirtschaftszusammenbrüche, geopolitische Krisen und Klimaumbrüche?
Clinton ist nicht "harmloser" als Trump
Hier ist Clinton gerade nicht "harmloser" als Trump, der die innere Faschisierung der USA forcieren dürfte. Hillary Clinton ist eine knallharte, von den Neocons unterstützte Imperialistin, die bereits jetzt breite Unterstützung innerhalb des republikanischen Establishments genießt.
Der von Clinton an den Tag gelegte Enthusiasmus für militärische Abenteuer kann angesichts der eskalierenden Krisendynamik zu einer militärischen Katastrophe führen. Hillary Clinton bedeutet Krieg - ein Großkrieg, der als letzte weltzerstörerische Flucht nach vorn vor den zunehmenden inneren Verwerfungen in den Zivilisationsbruch führt. Trump als labiler Präfaschist mit starken isolationistischen Tendenzen könnte für das Establishment hingegen schwerer zu "managen" sein, wenn es darum geht, Großkriege vom Zaun zu brechen.
Doch selbstverständlich ist er Teil der herrschenden Oligarchie, und selbstverständlich würde er in ein entsprechendes "Team" von Außen- und Geopolitikern "eingebettet", wenn es darum gehen sollte, den Kurs der US-Außenpolitik zu bestimmen. Der Politapparat der USA hat große Erfahrung im Managen von Darstellern im Weißen Haus - siehe Ronald Reagan.
Der Parteitag der Demokraten ist somit eine politische Katastrophe, die alle kommenden Katastrophen mit zusätzlicher Sprengkraft versehen wird. Die Wählerschaft der USA soll zwischen einem "Halbnazi" und einer Imperialistin wählen. Mit dem Ende des Parteitages in Philadelphia verlassen die USA auch einen historischen Scheideweg, an dem der weitere Krisenverlauf bestimmt werden konnte. Auch in den USA wurde der Weg in die Barbarei eingeschlagen.
Hier können Parallelen zu dem reaktionären Schlüsselmoment bei der Krisenverarbeitung in Europa gezogen werden, als das Schäublerische Krisendiktat gegenüber Hellas im Sommer 2015 (vgl. Willkommen in der Postdemokratie) jeglicher progressiven Krisenpolitik in der EU den Weg versperrte - und Nationalismus, Chauvinismus sowie Rechtsextremismus auf dem gesamten Kontinent ungeheuren Auftrieb verschaffte.
Der "barbarische Weg"
Selbst bei geringen Erfolgsaussichten - angesichts der zunehmenden Krisenverwerfungen war es ein strategischer Fehler der Sanders-Kampagne, die Konfrontation mit dem Establishment zu vermeiden und auf eine langfristige, reformistische Strategie zu setzen. Diese Bemühungen werden vom Krisenprozess hinweggespült werden. Die USA werden bei dieser sich nun voll entfaltenden Krise keinen neuen Roosevelt bekommen. Die Wähler haben keine Wahl, sie sollen zwischen einem faschistischen Polizei- und Abschottungsstaat (Trump), oder einem imperialistischen Amoklauf (Clinton) wählen.
Wohin nun der barbarische Weg - sowohl in Europa wie den USA - konkret führt, ist inzwischen ebenfalls überdeutlich: in den molekularen Bürgerkrieg, wie er sich in der Inflation von terroristischen Amokläufen ankündigt, die entweder von Islamisten (Orlando) oder Rechtsextremisten (München) verübt werden. Die zunehmenden Verwerfungen des in offensichtliche Agonie übergehenden kapitalistischen Weltsystems werden sich in blinden, massenmörderischen Gewaltausbrüchen äußern, die in einen Großkrieg zu münden drohen - gerade weil der politische Apparat es in den USA wie Europa vermochte, die krisenbedingt zunehmende progressive Opposition zu marginalisieren.