USA: Konzerne als Polit-Akteure?

Bild: Sam/Flickr/CC BY-SA 2.0

Wahlmaschinenhersteller und Bud Light als Vertreter liberaler Werte? US-Unternehmen wird oft eine politische Rolle zugemessen. Warum das falsch ist.

Während in der US-Politik sowohl Liberale als auch Konservative in ihren jeweiligen Rollen gefangen zu sein scheinen, projizieren US-Amerikanerinnen und -Amerikaner ihren Wunsch nach politischem Wandel und demokratischer Teilhabe immer wieder auf die ihnen so vertraute Sphäre des Marktes.

So werden Unternehmen zu aktivistischen Entitäten verklärt, dabei wird aber ignoriert, dass diese oft nur anhand einer Maxime agieren, dem finanziellen Interesse der "Shareholders", der Anteilseigner.

In den USA haben Unternehmen über Jahre für Persönlichkeitsrechte gekämpft und diese auch erhalten. Das führt zu bemerkenswerten Resultaten. Mit dem Supreme-Court-Urteil "Citizens Unite" im Jahr 2009/10 wird das Recht von Unternehmen auf die Finanzierung von TV-Sendungen zur Beeinflussung von Wahlkämpfen als politische Rede eingestuft.

Damit fällt das Recht von Unternehmen unter den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung. Wenn Firmen schon vom höchsten Gericht des Landes als politische Akteure mit Persönlichkeitsrechten angesehen werden, ist es kaum verwunderlich, dass ihnen im aktuellen politischen Klima in den USA durch die Öffentlichkeit immer öfter politische Identitäten zugeschrieben werden.

Fox-News: 787 Millionen US-Dollar an Dominion Voting Systems

Dies passiert oft zu Unrecht, wie die außergerichtliche Einigung des Wahlmaschinenherstellers Dominion Voting Systems mit dem konservativen Nachrichtensender Fox zeigt. Dominion hatte von Fox eine Schadenszahlung und eine öffentliche Entschuldigung dafür verlangt, dass der Sender Dominion fälschlicherweise bezichtigt hatte, 2020 an einer Verschwörung zum Wahlbetrug an Donald Trump beteiligt gewesen sein.

Fox weigerte sich vehement, jegliches Fehlverhalten zuzugeben, – und so sah zeitweilig alles danach aus, dass es in dem politisch aufgeladenen Rechtsstreit tatsächlich zum Prozess kommen würde. Dominion wurde damit in den Augen vieler Liberaler zum Verfechter demokratischer Werte.

Nun haben Dominion und Fox aktuell doch noch eine außergerichtliche Einigung erzielt. Zu der unerwarteten Entscheidung in dem zweijährigen Rechtsstreit kam es, nachdem Lachlan Murdoch seinem Anwalts-Team grünes Licht gegeben hatte, Dominion eine so hohe Summe Geld zu bieten, dass diese das Angebot unmöglich ablehnen konnten.

Mit 787 Millionen US-Dollar handelt es sich um den höchsten öffentlich bekannten Betrag, der jemals von einer US-Medien-Gruppe im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs ausgezahlt wurde.

Dominion nahm das großzügige Angebot der Mediengruppe an und gab im Gegenzug seinen Anspruch auf ein Eingeständnis von Fehlverhalten seitens Fox auf. Jedoch musste Fox einräumen, dass die Verschwörungstheorien bezüglich eines Wahlbetrugs mit Beihilfe von Dominion, die Fox nach der Wahl Joe Bidens 2020 ausgestrahlt hatte, falsch waren.

Das klingt zwar nach einem Schuldeingeständnis vonseiten des Senders, ist es aber nicht. Fox gesteht nur eine falsche Information verbreitet zu haben, nicht aber sich der gezielten Desinformation schuldig gemacht zu haben. Wie auch - ein solches Geständnis würde das Hauptgeschäftsmodell des Senders gefährden.

Das Missverständnis

Dominion ist kein liberaler politischer Akteur, dessen Ziel es gewesen ist, dem konservativen Medienimperium möglichst großen Schaden zuzufügen. Im besten Fall ging es Dominion um den guten Ruf ihres Produktes, wahrscheinlicher ist es aber, dass die von Fox gebotenen 787,5 Millionen Dollar die Hauptrolle in der Entscheidung zum Vergleich gespielt haben. Immerhin behauptete das Anwalts-Team von Dominion nach Abschluss, dass Geld Rechenschaft bedeute.

Wie das US-Medium The Intercept berichtet, widersprechen einige kritische Stimmen dieser Sichtweise der Anwälte. Der Vergleich wurde nur wenige Augenblicke vor der Eröffnung des Prozesses in Delaware geschlossen, der wahrscheinlich sechs Wochen gedauert und eine Menge Licht in die inneren Strukturen des Fox-Imperiums geworfen hätte.

Der Vergleich und das vorzeitige Ende des Prozesses wurde von vielen Fox-Kritikern, die glaubten, ein Schuldspruch hätte dem Ruf von Fox News einen tödlichen Schlag versetzen können, mit Enttäuschung aufgenommen. Doch vielleicht ist es etwas viel verlangt, dass Firmen wie Dominion demokratische Werte oder liberale Ideologie über die eigenen Interessen stellen.

Dominion ist ein gewinnorientiertes Unternehmen im Besitz von Staple Street Capital, einer kleinen Private-Equity-Firma mit weniger als 50 Mitarbeitern und einem verwalteten Vermögen von 900 Millionen Dollar. Obwohl die Klage des Unternehmens enorme Aufmerksamkeit erregt hat, handelt es sich also nicht um ein großes Unternehmen.

Dominion erwartete Einnahmen für das Jahr 2022 betrugen gerade einmal 98 Millionen Dollar. Die Höhe der Vergleichszahlung stellt also einen erheblichen Gewinn für die Shareholder bei Staple Street dar, vor allem da sie ihre Mehrheitsbeteiligung an Dominion im Jahr 2018 nur 38,3 Millionen Dollar gekostet hatte. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass die Eigentümer von Staple Street und John Poulos, der CEO von Dominion, vor dem Geldsegen knapp bei Kasse waren, – jetzt sind sie ganz bestimmt nicht mehr.

Unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten kann man den Anteilshabern und der Firmenleitung ihr Gebaren in den Verhandlungen mit Fox nicht übel nehmen. Denn trotz aller Beweise und Argumente konnten die Dominion-Anwälte nie sicher sein, ob ein Geschworenengericht ihnen die geforderte Summe auch zusprechen würde, und vor allem wie schnell sie überhaupt einen Schiedsspruch erhalten würden.

Denn Fox hätte jede gerichtliche Entscheidung wahrscheinlich ewig und immer wieder durch das Einlegen von Berufungen verzögern können. Unter diesen Umständen war ein politischer Kreuzzug der kleineren Firma gegen Fox immer unwahrscheinlich.

Im Grunde ist also passiert, was zu erwarten war: Zwei Unternehmen haben sich im Sinne ihrer direkten monetären Interessen geeinigt. Und so findet der angebliche Kampf um die Demokratie ein passendes Ende, indem eine Private Equity Firma einen hohen Gewinn einstreicht und eventuell den Ruf eines Wahlmaschinenherstellers rettet.

Fox-News muss ihrerseits eingestehen, dass sie die Gerichtsentscheidungen als richtig anerkennen, "in denen bestimmte Behauptungen über Dominion als falsch bezeichnet werden", kommt aber ansonsten mit einem blauen Auge davon.

Warum mit so viel politischer Bedeutung aufgeladen?

Wenn es hinsichtlich dieses Ausgangs einigen Beobachtenden so vorkommen sollte, dass hier keineswegs die Guten über die bösen Demokratiefeinde triumphiert hätten, dann mit Grund. Dies zwingt allerdings die Frage auf, warum Verhandlungen um eine Verleumdungsklage zwischen zwei Firmen in der öffentlichen Debatte überhaupt mit so viel politischer Bedeutung aufgeladen werden.

Es ist sicherlich verständlich, in dem Wahlmaschinenhersteller einen natürlichen Interessenvertreter des demokratischen Systems sehen zu wollen, und in Fox den bösen konservativen demokratiefeindlichen Medienapparat.

Doch Fakt ist, dass beide am Ende dem wirtschaftlichen Interesse ihrer Shareholder dienen müssen, auch wenn dies angeblich nicht rechtlich festgelegt ist.

Das gilt auch für das Medienunternehmen Fox, wie die durch die Dominion-Klage öffentlich gewordenen Nachrichtenverläufe zwischen prominenten Fox-News Persönlichkeiten offenbart haben. Die Verläufe zeigten, dass Nachrichtensprecher wie Tucker Carlson die Wahlbetrugs-Lüge überhaupt erst verbreiteten, da sie Angst hatten, dass Illoyalität zu Trump dem Sender Zuschauer und damit Werbeeinnahmen kosten könnte.

Und der Vergleich hat gezeigt, dass Dominions Wille zum politischen Kampf für die Demokratie nur so weit geht, wie er sich mit der Verfolgung direkter finanzieller Interessen deckt.

Wenn politische Interessen den ihrigen entsprechen, treten US-Firmen als politische Akteure in Erscheinung. Doch heißt dies nicht, dass diese Körperschaften irgendwelche politischen Ideale oder gar eine politische Identität besitzen.