USA: Mehr Geld für Atomwaffen
US-Präsident Obama will für das Haushaltsjahr 2016 die Rüstungsausgaben wieder erhöhen und 10 Prozent mehr für die Modernisierung des Atomwaffenarsenals ausgeben
Die vom Bulletin of Atomic Scientists nach dem ersten Einsatz von Atomwaffen und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs konzipierte "Weltuntergangsuhr" - Doomsday Clock - wurde gerade wieder einmal auf 3 Minuten vor 12 vorgestellt - es ist also noch Zeit zu handeln. Der Weltuntergang ist damit nach Ansicht der Wissenschaftler so nah, wie er seit 1984 im Kalten Krieg nicht mehr gewesen ist. Ein wenig untergangsfixiert und warnungsbesessen war man seit 1947, weiter als 17 Minuten wurde die Uhr nie zurückgestellt. Das war 1991, als der Kalte Krieg offiziell zu Ende ging. 1995 stellte man die Uhr schon wieder vor, nachdem die Atomwaffenarsenale nicht wirklich abgebaut wurden und es weiterhin 40.000 Atomwaffen weltweit gab.
Für die Uhrensteller, die Herausgeber der Zeitschrift und den wissenschaftlichen Beirat, zu dem 17 Nobelwissenschaftler gehören, waren die Gründe für das Vorstellen der Uhr von 5 (2012) auf 3 Minuten vor Mitternacht die weiter voranschreitende Klimaerwärmung, die Modernisierung von Atomwaffen und zu große Atomwaffenarsenale. Das würde "für das Fortleben der Menschen außerordentliche und unleugbare Bedrohungen" darstellen. Die führenden Politiker der Welt hätten nicht in der erforderlichen Zeit oder dem notwendigen Ausmaß gehandelt, um der möglichen Katastrophe zu entgehen. Russland und die USA haben die Abrüstung beendet und eine Modernisierung der Atomwaffen gestartet, an dem Rüstungswettlauf, der dem im Kalten Krieg mit dem Höhepunkt 1984 gleicht, nehmen auch die anderen Atommächte teil. Die Politiker dringend die Treibhausgasemissionen und die Atomwaffen reduzieren. Die Menschen werden aufgefordert, dementsprechend Druck auf die Regierenden auszuüben.
Aber mit dem über die Ukraine ausgebrochenen, aber schon länger schwelenden Konflikt zwischen der von den USA geführten Nato mit Russland wird nichts dergleichen geschehen, sondern es wird, um die jeweils vom Anderen ausgehende Bedrohung einzudämmen, wie eh und je aufgerüstet. Während in Russland der Patriotismus gegen den Westen geschürt wird, pflegt man im Westen die Angst vor Russland. Die im Hinblick auf die Ukraine - Fuck Europa - weiten Kreisen bekannt gewordene Staatssekretärin Victoria Nuland sieht gar eine "Transatlantische Renaissance" dank dem Islamischen Staat und vor allem der "russischen Aggression in der Ukraine". Man sei jetzt in den Fragen der Werte, der Wirtschaft, der Energiesicherheit und der Verteidigung näher zusammengerückt, die Staaten würden brav ihre Rüstungsbudgets erhöhen und neue Waffen kaufen. Aber das sei erst der Anfang, die Nato-Staaten müssten noch mehr in die Verteidigung stecken - und natürlich muss auch TTIP möglichst schnell umgesetzt werden.
Den USA ist es jedenfalls ernst mit der Aufrüstung und mit der Zuspitzung des Konflikts mit Russland, mit der "russischen Aggression", wie es rituell heißt. Die geforderte Lieferung von Waffen an die Ukraine stellt die Nato vor einer Entscheidung und könnte zu einem Riss der transatlantischen Einheit führen. Bundeskanzlerin Merkel hat schon einmal verkündet, Deutschland werde keine Waffen liefern. Klar ist, dass mit der direkten amerikanischen militärischen Hilfe der Konflikt kaum mehr einzudämmen sein wird, denn dann würde Russland auch ganz offen und offiziell die Separatisten hochrüsten.
Gerade hat das Weiße Haus auch den Haushaltsentwurf für 2016 vorgelegt, stolze 4 Billionen US-Dollar dick. Einiges wird die Kongressmehrheit sicher abschmettern, die Steuererhöhungen für die Reichen und für multinationale Konzerne oder Mehrausgaben für soziale Sicherheitsprogramme oder Medicare, für Infrastruktur und Verkehr. Aber mit der Erhöhung des Verteidigungsetats trotz vieler automatischer Sparmaßnahmen (sequestrials) dürfte Obama durchkommen, die Republikaner wollen für die Verteidigung und damit für die Rüstungsindustrie sowieso eine Aufhebung der Ausgabenstopps. Um 26 Milliarden US-Dollar soll das Pentagon-Budget wieder anwachsen auf dann 612 Milliarden, inklusive 534 Milliarden für das Pentagon und 51 Milliarden für Operationen im Ausland (Afghanistan, Syrien, Irak, Afrika etc.). Die "globale Führerschaft" und die technische Überlegenheit sollen gesichert werden. 2010 war das Budget auf der Rekordhöhe von 716 Milliarden gestanden und ist dann vor allem mit dem Ende des Irak-Einsatzes zurückgefahren worden. Die Steigerungen sind natürlich wie immer auch ein Konjunkturprogramm für die Rüstungsbranche, für 107 Milliarden werden neue Waffen gekauft. Besonders ausgebaut wird die Luftwaffe.
"Countering Russian Pressure and Aggressive Action" ist ein Block umschrieben, in dem noch nichts von Waffenlieferungen steht, aber von 117 Millionen, die "direkt zur Abwehr von aggressiven Handlungen Russlands gegen die Ukraine" gerichtet sind, 51 Millionen will man zur Abwehr des "russischen Drucks und der Destabilisierungsbemühungen" für Moldawien und Georgien. Damit sollen neben dem Militär Demokratie und "good governance" gestärkt werden, aber auch die EU-Integration befördert werden. 16 Millionen sollen in Medienaktivitäten fließen, um die richtigen Nachrichten zu verbreiten. 789 Millionen sind für mehr Truppen, Training und Stärkung der Einsatzbereitschaft der Nato-Truppen in Europa vorgesehen.
Die Modernisierung des gesamten Atomwaffenarsenals durch US-Präsident Obama, der eigentlich einmal für eine nukleare Abrüstung eingetreten ist, dürfte wohl mit der heikelste Punkt sein. Weitgehend zuständig dafür ist die im Energieministerium ausgelagerte Nuclear Security and National Nuclear Security Administration (NNSA), für die 12,6 Milliarden vorgesehen sind, 10 Prozent mehr als im Haushaltsjahr 2015. Generalleutnant Frank Klotz, Chef der NNSA, begründet dies damit "unser Land zu sichern und unsere Alliierten zu schützen", fragt sich nur, gegen wen. 8,8 Milliarden sind für Atomwaffenbeschaffungen markiert, 7,5 Prozent mehr als 2015, 2,5 Milliarden für die Modernisierung der Infrastruktur. Nach Klotz sei das auch wichtig, um möglichen Cyberbedrohungen begegnen zu können. Ob damit gemeint ist, dass das Atomwaffenarsenal besser geschützt oder ob eventuell auch bei einem Cyberangriff mit der nuklearen Abschreckung gewunken werden soll, bleibt offen.
Man braucht mehr Plutonium, zudem soll Uran angereichert werden, um in den USA Tritium herstellen zu können. Für die atomgetriebenen 73 U-Boote und 10 Flugzeugträger sind alleine 1,4 Milliarden veranschlagt, um deren Betrieb auch durch Austausch der Reaktoren zu garantieren.
Das gesamte Atomwaffenarsenal soll erhalten bleiben, die B61-12-Atomwaffen sollen bis 2020 modernisiert, die W76-1-Sprengköpfe bis 2019 und die W76-1-Sprengköpfe bis 2020 produziert werden. Es soll eine Strategie erstellt werden, um ab 2026 jährlich 30 Plutonium-Pits, also die Kerne eines nuklearen Sprengkopfes, herstellen zu können. Ab 2027 soll demonstriert werden, dass sich 50-80 herstellen ließen. An eine Reduktion der Atomwaffen wird also gar nicht mehr gedacht.
Nach Stephen Young von der Union of Concerned Scientists würde der Plan der Obama-Regierung, das gesamte Atomwaffenarsenal mit den Sprengköpfen, den Raketen, den Flugzeugen und U-Booten zu ersetzen, in den nächsten Jahren nach einer Schätzung des Congressional Budget Office 348 Milliarden US-Dollar verschlingen, in 30 Jahren könnten die Kosten - aber wer will für eine so lange Zeit ernsthafte Schätzungen anstellen? - eine Billion US-Dollar betragen. Atomwaffen, so Young, helfen aber nichts gegen die realen Bedrohungen, beispielsweise gegen den Terrorismus, gegen den Islamischen Staat oder gegen Cyberangriffe. Auch Russland hätte das amerikanische Atomwaffenarsenal nicht abgeschreckt. Die konventionellen Streitkräfte der USA und der Alliierten würden ausreichen, um jede russische Provokation zu beantworten. Jetzt haben die USA 2000 einsatzbereite Sprengköpfe, Young argumentiert, es würden auch für eine nukleare Abschreckung ein paar hundert reichen, neue brauche es nicht. Zudem würde eine Abrüstung die USA sicherer machen: "Nuclear weapons are the only threat to the survival of the United States."