USA: Streben nach militärischer Vorherrschaft obsolet
Der Vorsitzende des Kontroll-Ausschusses für die Streitkräfte sieht den Anspruch durch preisgünstige, "winzige kleine Drohnen" unterminiert
"Die USA sollten ihr Streben nach militärischer Vorherrschaft aufgeben", das ist ein ungewöhnlicher Satz in diesen Tagen. Kürzlich erst errechnete das schwedische Sipri-Institut (Stockholm International Peace Research Institute) einen neuen Höchststand bei den weltweiten Investitionen in die militärische Schlagkraft. Sage und schreibe 1.981 Milliarden US-Dollar sollen 2020 weltweit in die Aufrüstung gesteckt worden sein. Spitzenreiter waren die USA mit 778 Milliarden Dollar. Das entspricht 39 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben (Aufrüsten trotz Pandemie).
Die anfangs erwähnte Aussage kam dieser Tage von David Adam Smith (meist nur Adam Smith), einem Politiker der Demokraten, der dem Kontroll-Ausschuss für die Streitkräfte und das Militärbudget vorsitzt: dem House Armed Services Committee. Originär pazifistische Motive kann man Smith nicht unterstellen. Er stimmte 2001 für den Patriot Act und 2003 für den Einmarsch von US-Truppen in den Irak. Aber seiner Auffassung nach ist es nun Zeit, dass die USA ihre militärischen Ziele an einer neuen Wirklichkeit ausrichten.
Das US-Militär muss sich der Tatsache bewusst werden, dass globale Dominanz keine brauchbare Strategie zur Landesverteidigung mehr ist, weil die Verfolgung dieses unrealistischen Ziels das Land unsicherer macht.
Adam Smith
Smith, der in seinen Tweets für eine Politik gegen Ungleichheit eintritt, rät nicht aus humanitären Gründen dazu, militärische Ansprüche neu zu kalibrieren, sondern weil die Maschinerie, mit der die militärische Vormacht behauptet wird, zu anfällig ist für den Einsatz von vergleichsweise billigen Drohnen. Dafür hat er den Kinofilm-Satz:
"Du kannst nicht einfach so groß und böse sein, dass es niemand mit dir aufnimmt, weil sie es mit einer winzig kleinen Drohne aufnehmen können."
Smith schließt damit an eine Aussage des US-Central-Command-Chefs General Kenneth F. McKenzie Jr. an, der Anfang Februar davon sprach, dass die USA sich "im Moment auf der falschen Seite der Kosten- und Positionskurve befinden", da die Drohnen-Technologie den Angreifer begünstige und nicht den Verteidiger.
Die Drohnen-Systeme seien kostengünstig, leicht an Gegebenheiten und Erfordernissen anzupassen, waffentauglich zu machen und zu verbreiten, so Kenneth F. McKenzie Jr. , der davor warnte, dass die Drohnen den Gegnern die operative Möglichkeit bieten, "Einrichtungen der USA und ihrer Partner zu überwachen und ins Visier zu nehmen". Zugleich sei es leicht, die Sache plausibel abzustreiten, was in der Summe auf "eine unverhältnismäßige Rendite zugunsten unseres Gegners" hinauslaufe.
Ich argumentiere ständig gegenüber meinen Air Force-Kollegen, dass die Zukunft der Lufteinsätze (i.O. "future of flight") vertikal und unbemannt ist, und ich glaube, dass wir jetzt anfangen, dies wahrzunehmen. Die wachsende Bedrohung durch diese Systeme, gepaart mit unserem Mangel an zuverlässigen Netzwerkfähigkeiten, um ihnen entgegenzuwirken, ist die besorgniserregendste taktische Entwicklung seit dem Aufkommen der improvisierten Sprengsätze im Irak.
General Kenneth F. McKenzie Jr.
Der Vorsitzende des Kontrollausschusses rechnete die Rendite jetzt um: Drohnenschwärme würden so gut wie nichts kosten, aber mehr Feuerkraft liefern als eine F-35, die wegen der Flugabwehrsysteme Schwierigkeiten habe, in eine bestimmte Zone einzudringen. Adam Smith warnte vor einer Situation, "in der wir vielleicht Flugzeuge im Wert von 100 Milliarden Dollar haben, die in die Zonen unserer Gegner nicht eindringen können, aber sie können uns mit Drohnen im Wert von 75.000 Dollar die Scheiße aus dem Leib treten."
Diesem anschaulichen Satz fügte er nach Informationen des Airforce Magazins noch einen weiteren Faktor hinzu, der den Anspruch der weltweiten Dominanz des US-Militärs erschwere: die asymmetrischen strategischen Fähigkeiten Russlands durch Hacker und "Desinformationskampagnen", die ebenfalls vergleichsweise preisgünstig seien, so dass die Schwellen im globalen Wettbewerb nicht mehr die alten sind:
"In der Welt, in der wir heute leben, wird keine einzige Nation dominieren, weil die Eintrittsbarrieren so niedrig sind. Man muss also viel flinker, viel klüger und viel diversifizierter sein, wenn man seine nationalen Sicherheitsziele erreichen will."
Noch dominiert aber die alte Schule "viel Geld für hochkarätige Prestige-Waffen", wie Bloomberg vor zwei Tagen meldete: Fast eine halbe Milliarde US-Dollar pro Abfangrakete ("Interceptor"), um die USA vor herankommenden Nuklearraketen aus Nordkorea und Iran zu schützen. In Planung sei ein System aus 31 solcher Interceptors, wobei zehn für Tests vorgesehen seien und 21 für echte Einsätze.
Dazu macht der stets US-kritische Blog Moon of Alabama (von dem man solche Analysen auch gerne mal zu den US-Konkurrenten im Wettbewerb lesen würde) auch eine Rechnung auf: Drei "Interceptors" brauche es, um eine ankommende Rakete zu treffen. Demnach wären die 21 Interceptors für sieben Angriffe ausgerichtet. Allerdings könnte Nordkorea seine Raketen mit MIRV (Multiple Independent Reentry Vehicles) ausstatten und damit jede Rakete mit mehreren unabhängigen Wiedereintrittskörpern versehen.
"Sie brauchen keine teuren Atomsprengköpfe zu tragen. Eine Rakete mit sieben Täuschkörpern würde ausreichen, um alle Silos der Ground Based Missile Defense (GMD) zu leeren" - keine unbedingt guten Aussichten für die Sicherheit der USA, aber allemal ein gutes Geschäft für die Rüstungsindustrie, so der Ausblick von Moon of Alabama.