Über die ignorierten Kollateralschäden von Lockdowns

Seite 2: Eingeschränkte Schulbildung, steigender Alkoholkonsum

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Dass sich solche Effekte langfristig äußerst dramatisch auswirken können, legt eine in der Zeitschrift JAMA publizierte Studie nahe. Wie bereits in zahlreichen Studien nachgewiesen wurde, beeinflusst die Qualität und Quantität der Schulbildung die Lebenserwartung von Kindern. Längsschnittstudien haben gezeigt, dass ein Ausfall von Unterricht in der Größenordnung der Schulschließungen im Frühjahr die Anzahl von erfolgreichen Schulabschlüssen, die Abschlussnoten und das spätere Einkommen verringern kann, was sich negativ auf die spätere Lebenserwartung auswirkt.

Basierend auf solchen Daten wurde in der in JAMA publizierten Studie geschätzt, wie viele Lebensjahre in den USA durch die Schließung der Schulen für die betroffenen Kinder verloren gehen werden. Laut der Schätzung könnten die Schulschließungen für Grundschulkinder mit einem Verlust von 5,53 Millionen Lebensjahren verbunden sein, ein Effekt, der insbesondere Kinder aus benachteiligten Haushalten betrifft.

Im Vergleich dazu wurde geschätzt, dass angesichts von den in den USA bis Ende Mai knapp über 88.000 mit oder an Sars-CoV-2 verstorbenen Personen 1,5 Millionen Lebensjahre durch "Sars-CoV-2-Todesfälle" verloren wurden. Wichtig ist anzumerken, dass solche Schätzungen mit Unsicherheiten behaftet sind. Aber sie sind ein Hinweis darauf, dass mit gravierenden Auswirkungen zu rechnen ist, selbst wenn man diese noch nicht genau einschätzen kann. Die Autoren schließen aus diesem Ergebnis:

Die Ergebnisse dieser Modellierung legen nahe, dass der Versuch, Leben zu retten, indem Schulen geschlossen wurden, möglicherweise langfristig zu einem höheren Verlust an Lebensjahren führt, wenn man die potenziellen Schäden berücksichtigt, die mit dieser Intervention verbunden sind. Dieser Mangel an intergenerationeller Gerechtigkeit erscheint ungerecht und verdient eine sorgfältige gesellschaftliche Berücksichtigung.

Inzwischen ist auch in Studien belegt, dass ein Lockdown das Gesundheitsverhalten von Menschen beeinträchtigt. Laut einer Studie aus den USA gaben 28 Prozent der Personen mit normalem Trinkverhalten an, dass ihr Alkoholkonsum im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Krise zugenommen hat, bei Personen, welche zu Alkoholexzessen neigen, gaben das sogar 60 Prozent an.

Mit jeder Woche des Lockdowns erhöhte sich das Verhältnis von Personen, welche von Alkoholexzessen berichteten, zu Personen, welche von keinen Alkoholexzessen berichteten, um den Faktor 1,21 (sog. Odds Ratio). Die Autoren der Studie schreiben dazu (Übersetzung durch den Autor):

„Eine längere Zeit zu Hause ist ein Stressfaktor, welcher sich auf das Trinken auswirkt, und die Covid-19-Pandemie hat diesen Stress möglicherweise noch verstärkt.“

Hier ist wichtig zu wissen, dass bereits geringe Mengen an Alkohol das Sterberisiko erhöhen. Laut Meta-Analysen steigt das Sterberisiko bereits bei relativ geringem Alkoholkonsum pro Woche an. Für eine vierzigjährige Person sinkt beispielsweise die Lebenserwartung um sechs Monate, wenn sie mehr als 100 Gramm Alkohol pro Woche trinkt, um ein bis zwei Jahre, wenn sie mehr als 200 Gramm Alkohol pro Woche trinkt und um sechs Jahre, wenn sie mehr als 350 Gramm Alkohol pro Woche trinkt.

Da es aufgrund des Suchtpotentials von Alkohol nicht unwahrscheinlich ist, dass sich das Trinkverhalten durch Lockdowneffekte nachhaltig ändert, sind langfristige negative Effekte auf die Lebenserwartung sehr wahrscheinlich.

In Studien ist inzwischen auch bestätigt, dass sich die im Rahmen des Lockdowns verordneten Schließungen von Sportvereinen, Fitnessstudios, Schwimmbädern und öffentlichen Sportanlagen negativ auf die Sport- und Bewegungsaktivität in der Bevölkerung auswirken. In einer deutschlandweit repräsentativen Umfrage von Forschern der Justus-Liebig-Universität Gießen gaben 31 Prozent der befragten Personen an, dass sich ihre sportlichen Aktivitäten mit Beginn des Lockdowns sehr stark reduziert haben oder sie ganz mit dem Sporttreiben aufgehört haben. Laut der Studie waren damit negative Wirkungen auf die Stimmung verbunden. Die Autoren der Studie sagen dazu:

„Sport ist ein guter Puffer gegenüber Gefühlen wie Ärger und Einsamkeit und sollte deshalb während der Pandemie soweit wie möglich und im Einklang mit den geltenden Regeln beibehalten werden“.

Bewegungsaktivität gilt zudem als ein wichtiger Schutzfaktor vor vielen Krankheiten. Die WHO hat hierzu vor vier Wochen neue Empfehlungen herausgegeben, nach denen beispielsweise Erwachsene sich unabhängig vom Alter jede Woche mindestens zweieinhalb bis fünf Stunden mäßig anstrengend bewegen sollten. Die WHO schätzt dabei, dass im Jahr weltweit vier bis fünf Millionen vorzeitige Todesfälle verhindert werden, wenn Menschen körperlich aktiver wären. Sollten Lockdowns das Bewegungsverhalten von Menschen nachhaltiger verändern, sind langfristige negative Effekte auf die Lebenserwartung wahrscheinlich.

Sehr hohe Kollateralschäden sind zu erwarten, wenn Lockdowns mit einem Einbruch der Wirtschaft und dem Verlust von Arbeitsplätzen verbunden sind. Beispielsweise zeigt eine Studie, dass in der Folge der Weltfinanzkrise im Jahr 2008 – welche womöglich von der drohenden Wirtschaftskrise übertroffen werden wird – allein in den USA, Kanada und Europa 10.000 zusätzliche Suizide in den Jahren 2008-2010 zu verzeichnen waren. Wenn man sich klarmacht, dass hinter jedem Suizid viele weitere Menschen stehen, die ähnlich belastet sind aber keinen Suizid begehen, wird deutlich, wie viel Leid die getroffenen Maßnahmen mit sich bringen können.

Diesbezügliche Kollateralschäden riesigen Ausmaßes werden insbesondere in ärmeren Ländern erwartet, welche von der Wirtschaftskraft und dem Kaufverhalten reicherer Länder abhängig sind. Eine Hochrechnung der Weltbank kommt zum Ergebnis, dass als Konsequenz der Corona-Krise weltweit allein bis Ende dieses Jahres zwischen 88 und 115 Millionen Menschen in solch extreme Armut gestürzt wurden, dass ihr Überleben gefährdet ist, eine Zahl, welche im kommenden Jahr auf bis zu 150 Millionen Menschen steigen könnte.

Wichtig ist hier zu betonen, dass der Einbruch der Wirtschaft nicht allein auf Lockdowns zurückzuführen ist, solche negativen Konsequenzen kein Automatismus sind und man Gegenmaßnahmen ergreifen kann. Aber wenn man die Vergangenheit als Modell dafür nimmt, was womöglich in Zukunft passieren könnte – denn auch damals hat man ja versucht Gegenmaßnahmen zu ergreifen – ist mit äußerst drastischen Nebenwirkungen zu rechnen.

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist es angesichts der zahlreichen inzwischen empirisch bestätigten Kollateralschäden von Lockdowns absolut unzulässig, bei der Empfehlung oder Verordnung eines Lockdowns die Nebenwirkungen nicht zu betrachten und gegenüber dem erwarteten Nutzen abzuwägen. Dass in der Empfehlung einer großen wissenschaftlichen Fachgesellschaft zum Ergreifen von Maßnahmen die Kollateralschäden mit keiner Silbe erwähnt werden, ist dementsprechend als skandalös zu bewerten.

Ebenso ist es als hoch problematisch zu werten, dass bei den Entscheidungen der Regierungen zur Verordnung von Maßnahmen zumindest laut den Regierungserklärungen nur eine virologische Perspektive fokussiert auf ein einzelnes Virus eingenommen wurde und drohende Kollateralschäden komplett ausgeblendet wurden.

Dies ist umso fragwürdiger, da der Nutzen von Lockdowns zur Eindämmung der Virusausbreitung nicht durch überzeugende wissenschaftliche Nachweise belegt ist, wie im ersten Artikel dieser Serie zu den fehlenden wissenschaftlichen Begründungen des "harten Lockdowns" genauer dargestellt wird. Dieser Artikel ist hier zu finden. Im dritten Artikel dieser Serie wird anhand einer genaueren Analyse der vom RKI veröffentlichten Fallzahlen zu den Neuinfektionen, den Todesfällen und den Intensivpatienten gezeigt, dass die von den Regierungen, vielen Medien und manchen Wissenschaftlern verkündete dramatische Gefahrenlage in Wirklichkeit als deutlich geringer einzuschätzen ist.