Über dreckige Bomben und Saubermänner

Was steckt hinter der Erfolgsmeldung Ashcrofts vom Montag?

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Die Bush-Regierung gerät zunehmend unter Erklärungszwang. In den USA wird längst nicht mehr jeder als Verschwörungstheoretiker verschrieen, der fragt, was Bush vor dem 11.9. wusste. Genauso werden Stimmen in den USA lauter, die darauf hinweisen, dass die Bush-Regierung Kapital aus den Angriffen vom 11.9. schlägt. Da kommt die Meldung eines erfolgreich abgewendeten terroristischen Angriffs gerade rechtzeitig (Endlich ein Erfolg für US-Justizministerium, CIA und FBI).

Update: Donna Newman, die Verteidigerin von Muhajir, hat in inzwischen bei einem Gericht in New York einen Antrag auf Freilassung eingereicht. Da bislang gegen den US-Bürger offiziell noch keine Klage erhoben worden ist, sei dessen Überführung in ein Militärgefängnis und seine Behandlung als "feindlicher Kämpfer", der ohne Prozess und ohne Anspruch auf den Beistand eines Anwalts auf unbegrenzte Zeit festgehalten werden kann, unzulässig.

Newman sagte, dass der Vorgang, dass jemand aufgrund von Informationen, deren Stichhaltigkeit unbekannt ist, verfassungsrechtlich bedenklich sei. Sie beschwerte sich überdies, dass sie nach einer richterlichen Anordnung nichts über den Fall sagen dürfe, während die Regierung Mujahir öffentlich verurteilt habe.

Der New Yorker Bundesrichter hat für Mittwoch eine Anhörung zu dem Fall festgesetzt, erklärte aber bereits, dass es ungewiss sei, ob das Gericht überhaupt noch für Muhajir zuständig ist.

Der Richter enthielt sich nach der Anhörung einer Entscheidung und setzte der Regierung den 21. Juni als Termin, um auf die Petition der Verteidigerin zu antworten. Die Verteidigung hat dann mit ihrer Antwort bis zum 2. Juli Zeit. In ihrer Petition erklärte Newman, dass die Beweislage zu dürftig sei, um für ihren Klienten eine Anklage zu rechtfertigen. Die Regierung habe mit der Festnahme die Verfassung gebrochen: "Among the rights which the government has violated are: his right to due process, his right to be free from unreasonable seizure, his right to counsel and his right to a grand jury."

Die Meldung von John Ashcroft am Montag schlug selbst wie eine Bombe ein: "Wir haben einen bekannten Terroristen verhaftet, der an einem Plan gearbeitet hat, ein radioaktives Dispersionsgerät - eine sogenannte 'schmutzige Bombe' - in den Vereinigten Staaten explodieren zu lassen."

Diese Bombenmeldung veränderte sich allerdings schnell in eine weitaus vorsichtigere Formulierung: Der festgenommene Mann - ein Amerikaner namens Abdullah al Muhajir - soll selbst kein radioaktives Material gehabt haben. Und das Komplott, so Verteidigungsminister Paul Wolfowitz kurz nach der Meldung Ashcrofts, sei erst in der Planungsphase gewesen. Unbestritten ist jedoch, daß al Muhajir sich im Dezember 2001 mit Abu Zubaydah traf, einem Topterroristen im al-Qaida-Netzwerk, der am 28. März in Faisalabad festgenommen wurde und seitdem als "feindlicher Kämpfer" (enemy combatant) an einem geheimen Ort verhört wird. Die Annahme der terroristischen Betätigung seitens al Muhajir scheint derzeit alleine auf den Aussagen von Zubaydah zu beruhen. Im Gegensatz zu den "Schläfern" vom 9.11. hat Al Muhajir aber eine kriminelle Vergangenheit. So saß er in einem US-Gefängnis, als er seinen christlichen Namen Jose Padilla aufgab und sich zum Islam bekehrte.

Niemand bezweifelt, daß al-Qaida solche "dreckigen" Bomben relativ leicht bauen könnte. Robert Nelson vom Science and Global Security Program der Princeton University (USA) erklärte gegenüber Telepolis, dass Terroristen sehr wohl an leicht radioaktives (z.B. medizin-technisches) Material gelangen könnten, doch stark radioaktiver Müll wie der aus Atomkraftwerken sei in den USA besser gesichert. Solche schmutzigen Bomben seien deshalb vor allem "psychologisch wirksame Terrorwaffen", denn der Schaden wäre vor allem finanziell, wenn ganze Stadtteile entsorgt werden müßten.

Dieser Padilla ist eine von vielen Personen, die wir gefangen genommen haben. Die von uns gebildete Koalition hat 2.400 Menschen festgesetzt. Und jetzt könnte man von 2.401 Menschen sprechen. Es gibt jetzt eine auf allen Ebenen erfolgende Menschenjagd ... Wir werden jeden Hinweis, jede Spur verfolgen. Dieser Padilla ist ein böser Mensch, und er ist jetzt, wo er sein sollte: im Gefängnis." - Präsident Bush am 11. Juni

Doch die Zeiten, in denen Ashcroft mit einer solchen Erfolgsmeldung alle Amerikaner hinter sich bringen konnte, sind vergangen. Die New York Times weist darauf hin, dass al Muhajir bereits vor 5 Wochen am Flughafen in Chicago in Gewahrsam genommen worden war und sieht die späte Meldung Ashcrofts schlicht als eine "Warnung an alle Abgeordneten, die darauf erpicht sind, das Versagen der US-Intelligenz unter Bush auf dem politischen Parkett zu beleuchten". Neben der Möglichkeit, dass Bush & Co. diese "Erfolgsmeldung" tatsächlich als Ablenkungsmanöver jetzt nötig gehabt haben, gibt es für Lloyd J. Dumas, Professor für Politikwissenschaft an der University of Texas at Dallas und Author von Lethal Arrogance, eine zweite mögliche Erklärung: "Die Bush-Regierung könnte einen Monat lang versucht haben, stichhaltige Beweismittel gegen diesen Mann zu finden - ohne Erfolg."

Auch Ari Fleischer, Pressesprecher des Weißen Hauses, konnte solchen Mutmaßungen nicht ausweichen und sah sich gezwungen zu dementieren, dass Ashcrofts Meldung aus Moskau politisch motiviert sei. Mittlerweile berichtet die Presse in den USA fast einhellig von einem "angeblichen Komplott" - ganz so, als müßte Ashcroft noch alles beweisen.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren, daß al Muhajir nicht nur seit 5 Wochen inhaftiert ist, ohne dass ihm konkret etwas vorgeworfen wird, sondern auch, dass er ohne Anwalt verhört wird - ein klarer Verstoß gegen US-Gesetze. Aber sein Fall ist nur die Spitze des Eisbergs, denn von den im September 2001 rund 1.200 festgenommenen Menschen sitzen noch immer einige Hundert an geheimen Orten hinter Gittern - ohne Anwälte, ohne konkrete Vorwürfe, und ohne dass das US-Justizministerium ihre Namen bekanntgibt (US-Justizminister übt sich in Verschwiegenheit).

"Schmutzige" Bomben gegen "sauberen" Atommüll

Atombombengegner wie Jay Truman von Downwinders weisen darauf hin, dass die Atommacht USA mit ihren "sauberen" Atombomben viel mehr Schaden anrichten könnte, als Terroristen dies mit "schmutzigen Bomben" tun könnten. Manche sehen auch einen Widerspruch in diesem Kampf gegen den Atomterror, denn die Bush-Regierung setzt sich beispielhaft für die Atomkraft und Atomwaffen ein. Außerdem setzt sich Bush sehr stark für die Bestrahlung von Lebensmitteln ein. Dem Kongress liegt zur Zeit ein Gesetzentwurf vor, der es Lebensmittelherstellern erlauben würde, bestrahltes Essen als "pasteurisiert" zu etikettieren. Bereits Mitte März 2002 versuchten die USA beim 34. Treffen des CCFAC in den Niederlanden, die zulässigen Grenzwerte für Lebensmittelbestrahlung weltweit zu erhöhen, was der Bush-Regierung vorerst mislang, unter anderem wegen des Widerstands der EU und Polens. Die zulässige Grenze für Lebensmittelbestrahlung in den USA liegt derzeit bei rund 7.5 kiloGray (kGy), was etwa 240 Millionen Röntgenaufnahmen des Brustkorbs beim Arztbesuch entspricht.

Außerdem berichtete Wenonah Hauter, Director of Public Citizen's (http://www.citizen.org/index.cfm) Critical Mass Energy and Environment Program, im März 2002, dass die Bush-Regierung es der Atomindustrie ermöglichen wollte, Atommüll zu "recyceln" - "in Bratpfannen, Kinderwagen, usw." (. Dann würden die US-Verbraucher unter der Leitung von George W. Bush immerhin ihr ohnehin schon "heißes" Kochgeschirr nicht erst durch ihr bestrahltes Essen kontaminieren.

Man sollte jedoch keineswegs davon ausgehen, dass Terroristen niemals in der Lage wären, eine echte Atombombe zu bauen. Lloyd J. Dumas weist daraufhin, daß es in einem Experiment bereits vor 20 Jahren einem 20-jährigen Chemistudenten des Massachusetts Institute of Technology (MIT) gelungen ist, eine "echte" Atombombe zu bauen, die laut schwedischen Experten "wahrscheinlich" funktioniert hätte, und zwar mit einer Sprengkraft von 100 bis 1000 Tonnen TNT. Zur Erinnerung: die Sprengkraft der Bombe, die 1993 im WTC hochging, hatte etwa die Sprengkraft von 2 Tonnen TNT. Das Experiment wurde nach Dumas ein Jahr später an der Princeton University wiederholt. Das Ergebnis: eine Bombe mit der Sprengkraft von rund 5000 Tonnen TNT, die laut Experten "sehr wahrscheinlich hochgehen würde".

The hard data for how big the plutonium core should be and how much TNT I needed to use I got from Los Alamos reference books [purchased for about $5 each] and also other reference books I checked out of the library. ... I was pretty surprised about how easy it is to design a bomb. When I was working on my design, I kept thinking there's got to be more to it than this, but actually there isn't.

Der MIT-Student über seine selbstgebastelte Atombombe

Und selbst wenn er nicht leicht zu haben ist, stellt natürlich Atommüll aus Kernkraftwerken nach wie vor eine große Gefahr dar. Karl Grossman, Author von "Cover Up: What You ARE NOT Supposed to Know About Nuclear Power", sagte gegenüber Telepolis, "Wir müssen - und können - die Atomtechnik mit sauberen Technologien ersetzen, die nicht zu terroristischen Zwecken missbraucht werden können.... Die Alternative wäre weitaus schwieriger: immer mehr Atommüll zu sichern."