Endlich ein Erfolg für US-Justizministerium, CIA und FBI

Ein zum Islam konvertierter US-Bürger wurde gefasst, der angeblich einen Anschlag mit einer "dirty bomb" ausführen wollte, die Beweise aber scheinen spärlich zu sein.

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Geheimdienste und das Justizministerium sind unter Druck, nach allen Versäumnissen und Pannen endlich auch Erfolge vorweisen zu können. Die US-Regierung, die den Krieg gegen den Terrorismus und ihre neue Strategie des präventiven Schlags vornehmlich auf die Gefahr von Massenvernichtungswaffen in den Händen von "Schurkenstaaten" und Terroristen stützt, benötigt ebenfalls endlich einen Beleg für eine konkrete Gefahr. US-Justizminister Ashcroft gab jetzt bekannt, dass man einen Mann festgenommen habe, der in den USA angeblich einen Anschlag mit einer "dirty bomb" ausführen wollte.

Fieberhaft hatte man in Afghanistan nach Beweisen gesucht, dass Bin Ladin und al-Qaida Anschläge mit Massenvernichtungswaffen planen oder gar in deren Besitz seien. Das würde die Gefahr, die von den Terroristen und ihren etwaigen staatlichen Unterstützern erhöhen und viele Maßnahmen zur Verteidigung und auch Vorwärtsverteidigung rechtfertigen. Bislang aber wurde, abgesehen von recht vagen Andeutungen, nichts gefunden (vgl. Im Krieg gegen die Wahrheit). Nicht einmal beim Erzfeind Irak konnte man Beweise vorlegen, dass hier Massenvernichtungswaffen noch vorhanden sind oder weiter entwickelt werden, auch wenn Vermutungen nicht unrealistisch sein dürften.

US-Verteidigungsminister Rumsfeld, der auf dem Weg nach Indien gerade die arabischen Staaten um den Irak herum bereist, betonte erst gestern in Kuweit wieder den Willen der US-Regierung, auch gegen Staaten mit Massenvernichtungswaffen vorgehen zu wollen:

The global war on terrorism began in Afghanistan to be sure but it will not end there. It will not end until terrorist networks had been routed out wherever they exist. And it will not end until state sponsors of terror are made to understand that abetting terrorism is unacceptable and will have deadly consequences for the regimes that do so. It will not end until terrorist states developing weapons of mass destruction -- and some listed terrorist states indeed already have weapons of mass destruction and are developing more advanced weapons --and they do need to be stopped so that they cannot threaten or hold free people hostage, to blackmail or terror."

Heute bestätigte er, dass Irak zumindest zu den Ländern gehört, denen man Einhalt gebieten müsse. Auf die Versicherung der irakischen Regierung, dass sie über keine Massenvernichtungswaffen verfüge, antwortete er: "Sie lügen. Das ist einfach falsch, nicht wahr, unrichtig und typisch. ... Sie haben (Massenvernichtungswaffen) und fahren fort, sie zu entwickeln, und sie haben einsetzfähige chemische Waffen. Wir wissen das. Sie hatten ein aktives Programm zum Bau von Atomwaffen. Es ist auch klar, dass sie aktiv biologische Waffen entwickeln." Beweise dafür legte er allerdings keine vor.

US-Justizminister Ashcroft gab heute bekannt, dass man am 8. Mai Jose Padilla, einen amerikanischen Staatsbürger, der zum Islam übergetreten sei und den Namen Abdullah al-Mudschahir angenommen habe, nach einem Flug von Pakistan in Chicago festgenommen hat. Der möglicherweise auch durch das geplante Home-Security Ministerium und den Supergeheimdienst unter Druck stehende Ashcroft dankte jedenfalls der CIA, dem FBI und dem Verteidigungsministerium für ihre vorzügliche Arbeit und der engen Zusammenarbeit (Und die Lösung ist: ein neues Ministerium.

Mudschahir, der "eng mit al-Qaida verbunden" sein soll, sei "beim Feind" ausgebildet worden. Dazu habe auch gehört zu lernen, wie man Bomben und Radioaktivität streuende Explosivwaffen herstellt. Gerüchteweise, so meldet MSNBC, stamme der Hinweis - was eine weitere "Erfolgsmeldung" wäre - von Abu Zabaydah, der als ranghöchster al-Qaida-Gefangener gilt und schon einmal gesagt haben soll, dass al-Qaida "dirty bombs" einsetzen will. Ashcroft betonte allerdings, ohne genauer zu werden, dass die Informationen über die Pläne von Mudschahir aus "vielen, unabhängigen und zuverlässigen Quellen" stammen sollen.

Offenbar weiß man sehr viel Genaues nämlich nicht, was aber Ashroft nicht daran hinderte, den Beitrag für die der US-Regierung so wichtige "Home Security" gebührend in einer Fernsehübertragung aus Moskau herauszustreichen:

"Wir haben einen sich entwickelnden terroristischen Plan verhindert, die Vereinigten Staaten durch die Explosion einer radioaktiven schmutzigen Bombe anzugreifen."

Eine "dirty bomb" wäre eine konventionelle Bombe, bei deren Explosion auch radioaktives Material abgegeben würde, das beispielsweise an einem stark belebten Ort vielen Menschen sofort den Tod bringen könnte, die Verstrahlung in der weiteren Umgebung könnte zusätzlich viele Menschen erkranken lassen. Für die "schmutzigen Bombe" würde man keine waffenfähiges Plutonium benötigen, sondern es reichen hoch radioaktive Materialien, wie sie etwa in der Industrie oder in den Medizin genutzt werden. Es gab zahlreiche Berichte, dass radioaktives Material in den Staaten, aber vor allem in Ländern wie in Russland abhanden gekommen sei.

Mudschahir muss zu Beginn der 90er Jahre in den USA eine Gefängnisstrafe abgesessen haben und 1991 nach Pakistan und Afghanistan gereist sein. Dort soll er sich mit al-Qaida-Angehörigen getroffen und Waffenkenntnisse erworben haben. Anscheinend hat man bei ihm aber kein entsprechendes Material gefunden. Auch AP hat Quellen in der amerikanischen Regierung, die nicht weiter genannt werden wollen, und so gerüchteweise ausstreuen, dass Mudschahir womöglich Washington im Visier hatte, aber dass sich sein Plan ganz im Frühstadium befand, also die Absicht nur schwer nachweisbar, aber auch schwer abweisbar sein dürfte. FBI-Chef Mueller unterstützte jedenfalls die Vagheit der Beschuldigungen. Mudschahir habe Diskussionen mit al-Qaida-Führern über einen Plan geführt, eine "schmutzige Bombe" explodieren zu lassen, aber "das ist nicht sehr viel über diesen Diskussionsstand hinausgegangen."

Trotz dieser doch etwa dürftigen Beweislage fackeln auch die deutschen zuverlässigen Medien und die Nachrichtenagenturen nicht groß herum, um aufmerksamkeitsheischende Titel wie diese zu finden: "USA: Anschlag mit radioaktiver Bombe vereitelt" (AFP), Terrorist plante Anschlag mit radioaktiver Bombe in USA (dpa), "USA: Anschlag mit "schmutziger Bombe" vereitelt" (Reuters), "Ermittler decken Terrorplan mit radioaktiver Bombe auf" (Spiegel), Schmutzige Bombe: Anschlag verhindert (Tagesthemen), "US-Fahnder vereiteln Anschlag mit 'schmutziger Atombombe' (ZDF Heute), "US-Bürger plante Anschlag mit radioaktiver Bombe" (Die Welt), "Vereitelt" (FAZ) etc.

"From information available to the United States government, we know that Abdullah Al Mujahir is an Al Qaeda operative and was exploring a plan to build and explode a radioactive "dirty bomb." Let me be clear: We know from multiple independent and corroborating sources that Abdullah Al Mujahir was closely associated with al Qaeda and that as an al Qaeda operative he was involved in planning future terrorist attacks on innocent American civilians in the United States." - US-Justizminister Ashcroft

Sicherheitshalber wurde Mudschahir heute vom Gefängnis in New York in ein Militärgefängnis in Charleston verlegt und - für zur "Sicherheit aller Amerikaner aus Interessen der nationalen Sicherheit" - als "feindlicher Kämpfer" eingestuft, der vor ein Militärgericht gestellt werden könnte. US-Präsident Bush habe auf Anraten des Justiz- und Verteidigungsministeriums diese Entscheidung am Sonntag getroffen. Vizeverteidigungsminister Wolfowitz sagte, Mudschahirs Verhaftung würde unter "Kriegsrecht" fallen. Mehr an Beweisen als Ashcroft konnte er auch nicht bieten. Der angebliche Plan habe noch kein Ziel gehabt, Mudschahir - ein US-Bürger! - habe aber einige Kenntnis von Washington gehabt:

"Es gab keinen aktuellen Plan. Wir stoppten diesen Mann in den anfänglichen Planungsphasen, aber das unterstreicht die weiter Wichtigkeit, besonders die Menschen im Auge zu behalten, die chemische, biologische oder nukleare Waffen besorgen wollen. Das ist eine solche Person."

Nicht als Kriegsgefangener, sondern als "feindlicher Kämpfer" eingestuft, ist auch sicher gestellt, dass die Rechte des Verdächtigen eingeschränkt sind. Angeblich steht noch nicht einmal fest, ob das Militärgericht Klage erheben wird und welche Anschuldigungen erhoben werden. Ashcroft ist sich jedenfalls sicher, dass der amerikanische Staatsbürger auch legitimerweise vor ein Militärgericht gestellt werden darf. Nach der Gesetzeslage, die aus dem Zweiten Weltkrieg stammt, sei dies möglich, wenn "ein US-Bürger sich dem Feind angeschlossen und unser Land betreten hat, um feindliche Akte auszuführen". Vielleicht reichen bei den eingeschränkten Verteidigungsrechten vor einem Militärgericht dann auch Pläne im Frühstadium zur Aburteilung.