Und die Lösung ist: ein neues Ministerium

Update: Die unter Druck stehende Bush-Regierung will durch die Schaffung eines neuen Ministeriums für nationale Sicherheit und einem darin integrierten Super-Geheimdienst Handlungskompetenz demonstrieren und die schärfer werdende Kritik dämpfen

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Die Bush-Regierung scheint mehr und mehr unter Druck im Hinblick auf das Vorwissen und eine mögliche Verhinderung der Anschläge vom 11.9. zu stehen (Hunt the F-15! - Die Hinterachse des Bösen). Gerade finden die Anhörungen über die möglichen Fehler im Rechtsausschuss des Senats und in einem gemeinsamen Ausschuss für die Geheimdienste von Kongress und Senat statt, die große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Präsident Bush will mit einem großen Schlag den Blick von den möglichen Versäumnissen der Regierung ablenken, indem er keine wirkliche Reform, dafür aber die Schaffung eines neuen Ministeriums für nationale Sicherheit und eines Geheimdienstes fordert, der über allen anderen Behörden stehen soll.

Was machen Politiker, wenn sie nicht wirklich etwas ändern können oder wollen, aber so tun, als würden sie souverän handeln und etwas voranbringen: Sie schaffen eine neue Behörde und verstärken die Bürokratie. Offenbar scheut Bush davor zurück, radikal in die vielen Geheimdienste, Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden einzugreifen, die es sowieso schon gibt. Möglicherweise könnte, wenn Köpfe rollen, auch etwas herauskommen, was wirklich vernichtend für die Regierung wäre. Bislang scheint es so, als habe lediglich der Kommunikationsfluss in Behörden wie dem FBI und dem CIA und zwischen diesen nicht geklappt. Bürokratische Hemmnisse also und Konkurrenz zwischen Behörden und Angestellten. Wie also kann man Entschlossenheit und Handlungsfreudigkeit bei der Auflösung von bürokratischen Hemmnissen demonstrieren: Man stellt noch eine Behörde über alle anderen, die alle mehr oder weniger mit der Bekämpfung des Terrorismus zusammen hängenden Informationen von möglichst vielen Behörden erhalten, verbinden und auswerten soll.

Bush, dessen Vater bekanntlich CIA-Chef war, legt großen Wert auf die Arbeit der Geheimdienste - und will mit der Einrichtung eines neuen Supergeheimdienstes offenbar auch der aufgekommenen Debatte um Schuld und Versäumnisse entgehen:

"Auf der Grundlage von allem, was ich gesehen habe, glaube ich nicht, dass jemand die schrecklichen Ereignisse vom 11. September hätte verhindern können. Dennoch wissen wir, dass Tausende von ausgebildeten Killern planen, uns anzugreifen, und dieses schreckliche Wissen lässt es erforderlich werden, anders zu handeln."

Mit großen Worten hat Bush das für den Krieg gegen den Terrorismus angeblich notwendige Ministerium angekündigt. Es sei die größte Reorganisation der Regierung seit einem halben Jahrhundert, als der damalige Präsident Truman das National Security Coucil einrichtete, um Militär, Geheimdienste und Politik für den Kalten Krieg an einem Strang ziehen zu lassen. Bekanntlich sieht Bush durchaus eine Analogie zwischen dem Kampf gegen den Kommunismus und dem gegen den Terrorismus, da beide totalitär seien und die Freiheit bedrohen. Das neue Ministerium soll der "Homeland Security" ein noch größeres Gewicht geben, also eine Art Ministerium für die innere Sicherheit werden, das vermutlich anderen Ministerien wie dem Justiz- oder Verteidigungsministerium in die Quere kommen dürfte. Anscheinend soll aber auch das bislang dem Weißen Haus unterstellte Office for Homeland Security, auch einmal als eine Art Integrationsbehörde gedacht, erhalten bleiben. Von einer besonderen Entscheidungs- und Durchsetzungsfreudigkeit des Präsidenten an der politischen Heimatfront zeugt all dies nicht, auch wenn manche Bewunderung dafür hegen, das die Vorbereitung tatsächlich geheim erfolgen konnte, so dass die Ankündigung zu einem mediengerechten Überraschungscoup wurde. Ob Tom Ridge auch dem neuen Ministerium vorstehen soll, das natürlich erst noch von Senat und Kongress bewilligt werden muss, ist noch nicht bekannt.

" The changing nature of the threats facing America requires a new government structure to protect against invisible enemies that can strike with a wide variety of weapons. Today no one single government agency has homeland security as its primary mission. In fact, responsibilities for homeland security are dispersed among more than 100 different government organizations. America needs a single, unified homeland security structure that will improve protection against today's threats and be flexible enough to help meet the unknown threats of the future."

Dem neuen Ministerium sollen Teile von anderen Ministerien und Bundesbehörden unterstellt werden, die für Grenzüberwachung und Verkehrssicherheit, Notstandsvorbereitungen oder Gegenmaßnahmen gegen chemische, biologische und nukleare Angriffe zuständig sind. Eine Art Super- oder Geheimdienstabteilung soll schließlich für den Schutz der Infrastruktur sorgen und alle Informationen vom FBI, CIA und von anderen Geheimdiensten und Polizeibehörden sammeln, verbinden, auswerten und, wenn nötig, in Aktion umsetzen. Zwar sind die Grenzen zwischen geheimdienstlicher Tätigkeit im In- und Ausland sowieso schon aufgeweicht worden, der neue Geheimdienst soll nun aber diese Unterscheidung offenbar ganz aufheben. Seltsamer- oder auffälligerweise will Bush nichts beim FBI und CIA verändern, fordert nur dazu auf, dass sie Reformen einleiten sollen, und wunderbarerweise soll alles auch kostenneutral sein, da nur einige Aufgaben innerhalb der Regierung anders verteilt würden, ohne die Bürokratie zu verstärken. Auch neues Personal müsste nicht eingestellt werden.

Dafür aber sagte FBI-Chef Robert S. Mueller III bei der Anhörung heute vor dem Senatsausschuss, dass man mehr Geld, Technik und Personal benötige, um der drängenden Aufgabe der Terrorismusprävention gerecht werden zu können. Erst vor wenigen Tagen hatte er eine große Reorganisation des FBI angekündigt. Die Behörde soll stärker auf Terrorismusbekämpfung ausgerichtet werden, bessere Technologien erhalten und 900 neue Agenten einstellen (Für den Antiterrorkampf erhält das FBI mehr Geld, mehr Technik und mehr Rechte).

Und in einem Gespräch mit der Washington Post, das passenderweise auch heute veröffentlicht wurde, erklärte er, warum das dringend notwendig sei. Dieses Mal sei das FBI nämlich bereits auf der Spur potenzieller Terroristen: "Unser größtes Problem ist, dass wir Menschen kennen, von denen wir denken, dass es sich um Terroristen handelt. Sie unterstützen al-Qaida. Sie können sich dem Dschihad verschworen haben, sie können sich legitim in den USA aufhalten und sie haben kein Verbrechen begangen." Das würde zwar exakt der Maßnahme widersprechen, die Justizminister Ashcroft realisieren will: schärfere Ein- und Ausreisekontrollen für Menschen aus bestimmten Ländern, deren Fingerabdrücke mit einer Datenbank von Verdächtigen oder Gesuchten abgeglichen werden, um die Einreise von potenziellen Terroristen zu verhindern (Festung USA: Arabische Ausländer im Visier). Ist aber auch egal, schließlich will jede Behörde aus Überlebensgründen durch Aktivität auffallen, ihre Legitimität beweisen und mehr Geld erhalten.

Bush setzte in seiner Fernsehansprache, die er medienstrategisch geschickt über die Ankündigung des Ministeriums erreicht hat, erst einmal wieder auf die Erfolge der Regierung im schicksalhaften Kampf gegen den Terrorismus: "Amerika führt die zivilisierte Welt in einem titanischen Kampf gegen den Terror. Freiheit und Angst führen Krieg gegeneinander. Und die Freiheit gewinnt." Bush führt an, dass weltweit 60.000 US-Soldaten den Kampf gegen den Terrorismus in vielen Ländern führen. Die "starke" Allianz aus 90 Nationen habe bereits 2.400 Gefangene gemacht. Als besonderen Erfolg wertete Bush die Gefangennahme von Abu Subaydah, dem Operationsleiter der al-Qaida, schließlich sind die bekannten Anführer, vor allem natürlich Usama bin Ladin, noch immer nicht gefasst.

Aus allen Aktivitäten würden neue Informationen über mögliche Gefahren entstehen, die dann zu Warnungen führen können. Das sei eine neue Realität, doch Bush versichert, dass die Amerikaner ihrem Alltag nachgehen sollen, auch wenn sie nach der Devise des Kalten Kriegs "Der Feind hört mit!" wachsam bleiben müssten. Die Spione von einst sind die Schläfer von heute. Die Bürger sollen sich vor allem auf die Experten, auf die Soldaten, Sicherheitskräfte und Geheimdienstmitarbeiter - und damit auf den Staat und das neue Ministerium verlassen.

Ob es der Bush-Regierung gelingt, mit einem solchen ziellos wirkenden Aktivismus und mit immer wieder gestreuten Warnungen vor neuen Anschlägen, die bislang nicht eingetreten sind, die Bürger von der ganz auf den Kampf gegen den Terrorismus und der durch Sicherheit und Krieg geprägten Politik zu überzeugen und die stärker werdende Kritik zu dämpfen, darf bezweifelt werden (Amerika wird das Böse bei seinem Namen nennen).