Amerika wird das Böse bei seinem Namen nennen
US-Präsident Bush setzt weiter unbeirrt von Kritik auf seine Erfolgsstrategie, seine Position und die Vormachtstellung der USA durch Ankündigung von militärischen Aktionen zu sichern
US-Präsident George W. Bush sieht noch immer in der Kriegsrhetorik und im Schüren der Angst die Hauptachse seiner Politik, die ihm bislang viel Erfolg und Ansehen gebracht hat. Zwar bröckelt allmählich die Popularität des Präsidenten, und auch das Vertrauen in die Kompetenz der Regierung scheint national und international abzuflauen, zumal der Kampf der Allianz gegen den Terrorismus im Augenblick eher mit großem Aufwand ins Leere schlägt, während gleichzeitig die Konflikte im Nahen Osten, zwischen Indien und Pakistan oder in Kolumbien geschürt wurden. Selbst die Rechtfertigung der gesamten Politik durch den 11.9. kommt angesichts der sich mehrenden Pannen und Unstimmigkeiten ins Wanken. Gleichwohl scheint Bush weiterhin machtstrategisch auf den Krieg gegen den Terror als dem eschatologischen Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen zu setzen.
In einer Rede vor den Absolventen der Militärakademie West Point vor den Armeeoffizieren am vergangenen Samstag beharrte Bush auf seinem Erfolgskonzept nach dem 11.9. , auch wenn er dieses nach der Europareise gemäßigter eingebettet hat: Krieg oder zumindest eine Art Notstand aufgrund der Angst der Menschen in der Heimat ist das beste Mittel, um die Nation zusammen zu halten und hinter den Feldherrn zu bringen, der die Welt zu kontrollieren und zu beglücken sucht: "Wohin wir auch die amerikanische Flagge tragen werden, so wird sie nicht nur für Macht, sondern auch für Freiheit stehen.".
Den Krieg zum Feind bringen
Die Strategie der Abschreckung funktioniere nicht mehr bei "dubiosen Terrornetzwerken, die kein Land und keine Bürger verteidigen". Und einen solchen Feind könne man auch nicht in einem Territorium einschließen, wenn "unberechenbare Diktatoren mit Massenvernichtungswaffen diese Waffen mit Raketen abschießen oder sie heimlich an terroristische Verbündete übergeben können." Weil der Feind von überall her zuschlagen kann, muss auch die nationale Verteidigung global werden. Hauptaufgaben der neuen präventiven Angriffsstrategie ist daher nach Bush die Verteidigung des "Homeland" und der Aufbau des umstrittenen Raketenabwehrschilds, die Modernisierung von Behörden wie dem FBI, das eben "reorganisiert", besser ausgestattet und auf Terrorismusbekämpfung ausgerichtet wird, und die Transformation des Militärs, das "imstande sein muss, gleich nach Benachrichtigung in jeder dunklen Ecke der Welt zuschlagen zu können". Das Böse mit seinen "dunklen Bedrohungen" hält sich bekanntlich im Dunklen auf, weswegen geheimdienstliche "Aufklärung" (intelligence) notwendig ist, "um die in Höhlen versteckten und in Laboratorien wachsenden Bedrohungen aufzudecken".
Recht viel deutlicher kann Bush den Willen nicht ankündigen, den Krieg als Fortsetzung und Grundpfeiler seiner Politik zu verfolgen. Wer darauf warte, so die Begründung, dass die Gefahren sich bewahrheiten, habe schon zu lange gewartet: "Wir müssen den Krieg zum Feind bringen, seine Pläne zerstören und den schlimmsten Bedrohungen entgegen treten, bevor sie entstehen." Hinter aller Rhetorik geht es darum, die Überlegenheit der USA dazu benutzen, weltweit mit mehr oder weniger offenen Drohungen in die Politik anderer Ländern nach dem ausgegebenen Motto: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" einzuwirken. Und Bush suggeriert, dass nun die meisten - die "zivilisierten" - Länder durch die terroristische Bedrohung zu einer vereinenden Weltinnenpolitik der globalen Sicherheit finden und sich gemeinsam unter der Führung der Supermacht USA gegen den Feind stellen. Angst vor "Terror und Chaos" schafft Frieden, der wieder auf Abschreckung und Gewaltandrohung basiert.
Was auch immer die imperialen Motive der Bushregierung sein mögen, über die tatsächlich viel spekuliert werden kann, so hat sich der Präsident bei aller diplomatischen Rücksicht im Ausland auf eine einfache und damit auch gefährliche Strategie eingeschossen: "In der Welt, die wir betreten haben, ist der einzige sichere Weg der der Aktion, und diese Nation wird handeln." Sicherheit und Frieden, die im Interesse der USA und damit gleichzeitig auch der Welt liegen sollen, da die USA die politische Avantgarde ist, verspricht Bush seinen Wählern, die im wesentlichen durch Krieg und präventive Aktionen bewirkt werden soll. Wichtig ist dabei vor allem, die Angst zu schüren, den Zustand der Unsicherheit aufrechtzuerhalten. Das bezwecken auch die aufeinander folgenden Warnungen vor möglichen neuen Aktionen des nebulösen Feindes, der sich wie einst die Spione im Kalten Krieg hinter jedem noch so unverdächtig erscheinendem Bürger verstecken könnte.
" In defending the peace, we face a threat with no precedent. Enemies in the past needed great armies and great industrial capabilities to endanger the American people and our nation. The attacks of September the 11th required a few hundred thousand dollars in the hands of a few dozen evil and deluded men. All of the chaos and suffering they caused came at much less than the cost of a single tank. The dangers have not passed. This government and the American people are on watch, we are ready, because we know the terrorists have more money and more men and more plans."
Um die Bedrohung hoch zu halten, muss sie außergewöhnlich sein, geschichtlich einzigartig und im Vorgehen so perfide, dass sie größte Anstrengungen und Einschränkungen rechtfertigt. Die terroristische Bedrohung ist auf der Höhe der Zeit: billig, aber sie arbeitet mit modernster Technik. Gefährlich sei vornehmlich die Verbindung von "Radikalität und Technologie" in Form der biologischen, chemischen und nuklearen Massenvernichtungswaffen. Damit können auch "schwache Staaten und kleine Gruppen eine katastrophale Macht erhalten, um große Staaten anzugreifen". Obgleich die Anschläge vom 11.9. keineswegs mit den aufgeführten Massenvernichtungswaffen, sondern mit Teppichmessern, Selbstmordattentätern und Passagierflugzeugen ausgeführt wurden, muss Bush die schon vor dem 11.9. dauernd beschworene Gefahr anführen, um Druck oder Angriffe auf andere Länder wie den Irak, Nordkorea oder Iran zu rechtfertigen. "Unsere Feinde", so Bush, "wurden gefasst, während sie nach diesen Waffen suchten." Wirkliche Beweise gibt es dafür freilich nicht, zumindest wenn es um al-Qaida und bin Ladin geht, aber dieser Begründungsstrang wird benötigt, um die eigene Aufrüstung zu rechtfertigen.
Der moralisch-militärische Kampf gegen das Dunkle der Welt unter der Führung der USA
Die Legitimation eines Angriffs - oder der Drohung mit einem solchen - ist allein der amerikanischen Politik überlassen zu sein, da die USA das Beste in der Welt verkörpern. Bush, ganz ein Demagoge, spricht freilich nicht näher davon, was er unter Freiheit, Demokratie, Frieden, Toleranz oder Gerechtigkeit versteht, wobei natürlich wirtschaftliche oder geostrategische Interessen betont unausgesprochen bleiben - und die USA als glückliche Insel erscheinen, in der alles zum Besten steht. Zwar könnten, so beruhigt Bush, die Vereinigten Staaten der Welt nicht die "Vision" der freien Welt, die nach dem Kalten Krieg als einzige übrigblieb, aufzwingen. Die USA wollen den Frieden nur durch die Förderung von "freien und offenen Gesellschaften" herstellen. Das aber sei jetzt sowohl die Chance Amerikas als auch seine Pflicht: "Amerika hat kein Reich, das erweitert werden soll, und keine Utopie, die errichtet werden soll."
Aber es muss den "Frieden" verteidigen - und dafür muss gegen den neuen Feind gekämpft werden, der nun nicht mehr Usama bin Ladin, sondern nur noch Terrorismus heißt - und den gibt es "in sechzig oder mehr Ländern". Im Zentrum stehen dabei "einige verrückte Terroristen und Tyrannen" - und jeder darf sich dann vorerst denken, um wenn es sich handelt, zumal Bush allen Nationen, die sich für "die Aggression und den Terror" und gegen den Pax Americana entscheiden, droht, dass sie ihren Preis zahlen müssen. Es ist also viel zu tun bei der Vorwärtsverteidigung mit allen verfügbaren Mitteln, mit Geld, Diplomaten und Soldaten.
Wenn Bush davon spricht, dass die Welt des Kalten Krieges Vergangenheit sei und er die (Militär)Politik seines Landes den neuen Gegebenheiten des Terrorismus anpasse, dann werden eigentlich nur die Begriffe ausgetauscht. Bush selbst zieht den Vergleich zwischen den Terroristen und den ehemals "imperialen Kommunismus". Der Kampf gegen das Dunkle in der Welt selbst gleicht sich. Und er ist nach dem US-Präsidenten moralisch, denn wie im Kampf gegen das alte Reich des Bösen handelt es sich beim neuen Kampf gegen die Achse des Bösen um einen Kampf gegen die "Totalitaristen, die einen Machthunger ohne Platz für menschliche Würde haben".
Die USA - und ihr Präsident - als moralisch-militärische Instanz, als furchteinflößend mit dem Schwert schwingender Engel der Gerechtigkeit und des Friedens, muss über jeder Kritik stehen. In dem gegenüber Heilsversprechungen skeptisch gewordenen Europa hat Bush wohl manche Kritik an seiner religiös fundierten Rhetorik über die Schlacht zwischen dem Guten und dem Bösen und der Achse des Bösen hören müssen. Bush gibt es so wieder, als wäre ihm der Vorwurf gemacht worden, dass die Rede vom Guten und Bösen "undiplomatisch oder unhöflich" sei. Ach was, sagt der US-Präsident, zwar mögen unterschiedliche Gegebenheiten unterschiedliche Methoden benötigen, aber keine andere Moral: "Die moralische Wahrheit", so verkündet philosophisch Bush, "ist in jeder Kultur, zu jeder Zeit und an jedem Ort dieselbe."
Unschuldige Zivilisten zu ermorden - was den US-Soldaten trotz Spezialkommandos und Präzisionswaffen auch gelegentlich in Afghanistan passiert ist, wobei diese Opfer gerne vom Pentagon ohne weitere Entschuldigung als Kollateralschäden übergangen werden -, ist "immer und überall falsch". Falsch ist auch "Brutalität" gegen Frauen. Da könnten wohl - ebenso wie bei der Durchsetzung der Menschenrechte - alle zustimmen, auch wenn der moralische Universalismus nicht so selbstverständlich ist, um als unbestreitbarer Grund für einen gerechten Krieg zur Emanzipation der Menschheit zu dienen. Es kann, so fuhr Bush fort, "keine Neutralität zwischen Gerechtigkeit und Grausamkeit, zwischen dem Unschuldigen und dem Schuldigen" geben.
Also hat, so schlussfolgert Bush, natürlich die US-Regierung recht, da "wir uns in einem Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen befinden", den letztlich die USA definieren: "Und Amerika wird das Böse bei seinem Namen nennen." Das Böse sind noch nicht ungenannte, aber jederzeit benennbare "böse und gesetzlose Regimes" - von den dubiosen Terrornetzwerken ist plötzlich nicht mehr die Rede. Mit der Benennung der Bösen "schaffen wir kein Problem, sondern decken wir ein Problem auf", erklärt der US-Präsident, hinter dem die Wahrheit der Geschichte steht, weswegen die Welt seiner Führung im moralisch-militärischen Kampf folgen soll: "Und wir werden die Welt beim Kampf gegen es anführen.".