Überlichtschnell nach Alpha Centauri
Seite 2: WARP unter Laborbedingungen
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Inspiriert von der überlichtschnellen kosmischen Inflation basteln White und sein Team im Labor schon seit einigen Jahren an einem Warp-Antrieb en miniature. Es ist ein Projekt von mehreren, mit dem sich die Crew um White auch heute noch zeitweise befasst. Aber mit Abstand das Zukunftsträchtigste in der Ideenfabrik Whites.
Mithilfe von Lasern, Kameras, Spiegeln und einem Interferometer will er mitsamt Kollegen Raum und Zeit um ein Photon herum falten. Und zwar dergestalt, dass die Partikel bei gleichbleibender Geschwindigkeit eine größere Distanz zurücklegen. Gelänge es, die Flugbahn der Partikel zu verlängern und den Effekt zu messen, wäre dies ein kleiner Schritt auf dem langen Weg zu einem Warp-Antrieb.
Um die Raumzeit experimentell zu verzerren, splittet White in seinem Experiment einen Laserstrahl in zwei identische Beams auf, von denen einer in einem Sensor verschwindet, während der andere hingegen durch einen Hochspannungs-Ringkondensator aus Keramik schießt, der gerade einmal einen Umfang von einem Zentimeter hat. Käme es hier zu einer verschwindend geringen, aber messbaren Abweichung, wäre dies ein Indiz dafür, dass das Raum-Zeit-Gefüge unter Laborbedingungen in einem Ausmaß von eins zu zehn Millionen manipulierbar wäre. Damit wäre zwar noch kein Vorläufer eines Warp-Antriebs gefunden. Aber sein "bescheidenes Experiment", so White, sei der erste Schritt in die richtige Richtung.
Doch wie in unserem realen Leben erweist sich auch in der virtuell-fiktiven Warp-Welt die Energiebeschaffung als größte Herausforderung. Denn für einen solchen benötigten die Forscher eine ganz besondere Energieform. Für die Erzeugung einer Warp-Blase müssten spätere Astro-Ingenieure exotische Materie mit negativer Energie respektive Energiedichte verwenden, die eine abstoßende Gravitationswirkung hat.
Football-artiges Raumschiff
Kurzum bräuchten sie einen Stoff, bei dem die Schwerkraft abstoßend und nicht anziehend wirkt. Und von diesem Stoff, aus dem die Träume sind, müsste eine exorbitant hohe Menge zur Verfügung stehen, um ein potentielles Raumschiff auf Überlichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Miguel Alcubierres erstes Warp-Modell etwa erforderte zehn Milliarden Mal mehr Energie als die gesamte sichtbare Masse des Universums hat, eines seiner späteren Warp-Konzepte benötigte nur noch eine Jupitermasse.
Whites überlichtschneller Flitzer hingegen ist weitaus sparsamer, kommt er doch mit bereits 500 Kilogramm exotischer Materie aus. Äußerlich erinnert Whites Konstrukt an einen überdimensionierten Football, der von einem aus exotischer Materie bestehenden Ring umgeben ist. Dieser erzeugt eine Blase, in der das Raum-Zeit-Gefüge stabil bleibt, während der Raum vor dem Raumgefährt gestaucht und dahinter wieder gedehnt wird. Die Folge: Das Raumgefährt bewegt sich auf einer künstlich erzeugten Welle in der Raumzeit und überbrückt dabei Distanzen mit Überlichtgeschwindigkeit. "Stellen Sie sich einen Football vor, um den an einem Ring Pylonen befestigt sind. An dem Ring würde sich negative Vakuum-Energie befinden - mit diesem Trick könnte man den Warp-Antrieb verwirklichen", so White.
Idee besser ad acta legen
Dennoch sind die Hürden nahezu unüberwindlich, da keiner weiß, ob im Universum diese wie auch immer geartete exotische Materieart überhaupt existiert oder wo sie zu finden ist, ja ob diese sogar künstlich hergestellt werden könnte. Wie und wo will man die riesigen Mengen negativer Energien beziehen, die als solche im Universum womöglich gar nicht existieren? Für den früheren Herausgeber des Fachmagazins "The American Journal of Physics" und Chefwissenschaftler beim Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.) in Cambridge, Edwin F. Taylor, sind Whites Versuchsreihen interessant, zugleich aber noch eine Spur zu futuristisch. "Meine persönliche Meinung ist, dass diese Idee momentan noch verrückt klingt. Aber lassen sie uns diese in 100 Jahren nochmals überprüfen."
Für den deutschen Ex-Wissenschaftsastronauten und Raumfahrtexperten Prof. Dr. Ulrich Walter von der Technischen Universität München bleibt der Traum vom Warp-Antrieb reine Fiktion: "Der Warp-Drive basiert auf der Idee, durch Raumstauchung Entfernungen abzukürzen. Das geht nur durch den Einsatz riesiger Mengen negativer Energien, die als solche im Universum aber nicht existieren. Mein Fazit lautet daher: Vergessen Sie diese Idee besser."
First Contact via Warp (k)eine Zukunftsmusik
Natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass eines fernen Tages der Mensch über den Schatten der Physik springt und entweder ihre Gesetze manipuliert und biegt oder neue entdeckt, von denen wir bislang noch keine Kenntnis haben. Ja, vielleicht existieren da draußen schon seit Äonen metaintelligente Zivilisationen, die sich ihre eigene Physik zu Recht gestrickt haben.
Womöglich reichen sie nur jenen Kulturen die Hand, die ein bestimmtes technisches und geistiges Niveau erreicht haben. Ähnlich der obersten Direktive im Star-Trek-Kosmos, der zufolge die Vereinigte Föderation der Planeten nur mit Kulturen einen direkten Umgang pflegt, welche die licht- bzw. überlichtschnelle Raumfahrt beherrschen, nähmen sie in ihrem galaktischen Club nur jene auf, die den kosmischen PISA-Test bestanden hätten.
Nur ein ferner Traum
Am 5. April 2063 hat es Zefram Cochrane, der wahre Erfinder des Warp-Antriebs, am eigenen Leib erfahren - wenigstens im Star-Trek-Universum der fiktiven Szenarien und Träume. Dort war er der Initiator und Zeitzeuge des Ersten Kontaktes. Mit WARP zum First Contact. Vielleicht geschieht dies ja wirklich mit viel Fantasie in absehbarer Zeit.
Aber es dürfte wohl eher darauf hinauslaufen, dass auch in 49 Jahren der Homo electronicus den Sprung zum Homo spaciens nicht meistern wird. Selbst in naher Zukunft wird Alpha Centauri, das erdnächste Sternsystem, weg weit von uns und unerreichbar fern für uns sein - fast so fern wie der Traum vom WARP-Antrieb.
Youtube-Video von Harold Whites Präsentation seines WARP-Konzepts auf dem "2013 Starship Congress"
space.htm