Überlichtschnell nach Alpha Centauri
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Der US-Physiker Harold G. White will immer noch die Raumzeit im Kleinstmaßstab verzerren, um den ersten Schritt auf den langen Weg zu einem WARP-Antrieb zu bewältigen
Dass die Star-Trek-Macher bereits in der 1960er Jahren ihrer Zeit weit voraus waren, beweist der Warp-Antrieb (engl.: to warp = krümmen, verzerren) der Enterprise, mit dem Kirk & Co. überlichtschnell in Galaxien vorgedrungen sind, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Heute hingegen erweist sich die Zukunft für einige Wissenschaftler als schöne Spielwiese, um Ideen abzugrasen und diese zu vertiefen. Einer davon ist Harold G. White, der schon seit einigen Jahren das Warp-Antriebs-Projekt im Johnson Space Center in Houston leitet, um im Rahmen von Laser-Experimenten zu testen, ob der Homo sapiens eines Tages schneller als mit Lichtgeschwindigkeit zu reisen vermag und somit den Sprung zum Homo spaciens schafft.
Mit einer Distanz von 4,34 Lichtjahren zur Erde ist Alpha Centauri (α Cen) das erdnächste extrasolare Sternsystem überhaupt. In dem im Sternbild Centaurus am südlichen Sternhimmel beheimateten Mehrfachsystem dominieren Alpha Cen A als gelber und Alpha Cen B als orangefarbener Hauptreihenstern das Geschehen.
Binärsystem oder stellares Trio mit Exoplaneten
Beide vor 6,5 Milliarden Jahre entstandenen Sterne befinden sich in einer stabilen Phase und weisen ungefähr die Größe der Sonne auf, wo hingegen der dritte im Bunde, Proxima Centauri, als roter Zwergstern der jüngste und lichtschwächste, dafür aber mit 4,22 Lichtjahre Entfernung der erdnächste Stern ist. Ob Letzterer wirklich der Dritte im Bunde des stellaren Trios ist und zum Alpha Cen Systems gehört, ist bis heute noch nicht geklärt. Hierüber gehen die Meinungen in Fachkreisen auseinander.
Höchstwahrscheinlich jedoch existiert in dem System mindestens ein Exoplanet. 2012 entdeckte ein Team um den Schweizer Astronom Stéphane Udry vom Genfer Observatorium mit dem HARPS-Spektrografen (High Accuracy Radial Velocity Planet Searcher) und dem 3,6-Meter-Teleskop der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf La Silla in Chile einen erdgroßen Planeten mit Exotenstatus. Alpha Centauri Bb zählt zu den bislang kleinsten und masseärmsten Exoplaneten um einen sonnenähnlichen Stern, hat ungefähr die Masse der Erde und umkreist seinen Mutterstern in einer Entfernung von nur sechs Millionen Kilometern alle 3,236 Tage einmal. Damit umrundet er seinen Stern in fast 40 Mal geringerem Abstand als die Erde die Sonne. Zwar konnten Wissenschaftler den Fund im Rahmen einer Nachfolgebeobachtung noch nicht bestätigten, dennoch sprechen Extrapolationen und Computersimulationen dafür, dass sich in diesem System noch andere Exoplaneten verstecken.
Alpha Centauri als Ansporn
Alles in allem also wäre das erdnächste Sternsystem Alpha Centauri auch in reisetechnischer Hinsicht ein lohnenswertes Fernziel, sofern eines Tages die Raumfahrttechnik als Folge einen tiefgreifenden High-Tech-Revolution einen unglaublichen Quantensprung erfährt. Denn die bislang zur Verfügung stehenden Antriebe sind, unabhängig davon, ob sie für bemannte oder unbemannte Missionen konstruiert wurden, alles andere als tauglich, um den Weg zu den Sternen zu ebnen. Sie erlauben bestenfalls interplanetare, höchst zeitaufwändige Flüge innerhalb des Sonnensystems.
Natürlich ist eine exoplanetare Exkursion nach Alpha Centauri Bb reines Wunschdenken, müssten doch die interstellaren Forschungsreisenden eine Strecke von mindestens 40 Billionen Kilometer bewältigen. Mit der größten jemals von Raumfahrern erreichten Geschwindigkeit - die Apollo-Astronauten flogen mit 11 Kilometer pro Sekunde zum Mond - würde man für ein Lichtjahr mehr als 28.000 Jahre benötigen. "Was unser galaktische Nachbarschaft angeht, ist Alpha Centauri mit einer Entfernung von 4,3 Lichtjahren sozusagen um die Hausecke gelegen. Aber eine Reisedauer von 75.000 Jahren wären nicht gerade ideal - besonders für eine menschliche Crew. Aber wenn sie einen Haufen Energie und einen entsprechenden Antrieb verwenden - was passiert dann?", fragt der amerikanische Physiker und Antriebstechniker Harold G. White.
Überlichtschneller Raumflug theoretisch möglich
Ähnliches dachte sich auch der mexikanische Physiker und Star-Trek-Anhänger Miguel Alcubierre, als er 1994 den Warp-Antrieb mit einem wissenschaftlich-theoretischen Konzept aufzuwerten versuchte. Seine in einem Paper veröffentlichten Berechnungen ergaben, dass durch die Krümmung des Raum-Zeit-Kontinuums rund um ein Raumschiff enorm große Distanzen mit bis zu zehnfacher Lichtgeschwindigkeit zurückgelegt werden können.
"Mit einer rein lokalen Expansion der Raumzeit hinter dem Raumschiff und einer gegenüberliegenden Kontraktion vor ihm sind - von außen betrachtet - Überlichtgeschwindigkeiten möglich", schrieb Alcubierre seinerzeit.
Vereinfacht gesagt geht es darum, die Raumzeit dergestalt lokal zu verzerren, dass diese sich vor dem Raumschiff zusammenzieht, aber dahinter dehnt. Auf diese Weise gleitet das Schiff mit der Raumzone wie ein Surfbrett auf einer Welle nach vorn. "In lokaler Hinsicht geht die Geschwindigkeit nie über die des Lichts hinaus, denn das Licht wird praktisch mitgenommen", schreibt Lawrence M. Krauss in seinem Trekkie-Bestseller "Die Physik von Star Trek".
Natur als Vorbild
Was Alcubierre einst mathematisch berechnete, testet der zuvor erwähnte Physiker Harold G. White derweil in der Praxis - im Kleinstmaßstab. Schließlich glaubt der Leiter des Warp-Antriebs-Projekts im Johnson Space Center der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA in Houston schon seit mehr als zehn Jahren, dass eine überlichtschnelle Reise à la Enterprise machbar ist, weil die Naturgesetze einen Warp-Generator erlauben.
"Das Weltall dehnt sich seit 13,82 Milliarden Jahren aus. Und anhand von kosmischen Modellen wissen wir, dass in frühen Perioden explosive Ausdehnungen stattfanden, in denen sich zwei Punkte in rasender Geschwindigkeit voneinander entfernten", erklärte Harold G. White in Anspielung auf die kosmische Inflation der New York Times im Sommer des letzten Jahres. "Die Natur kann dies. Also ist die Frage, können wir es auch?"
Überlichtschnell ohne Information und Masse
Unter kosmischer Inflation verstehen Astronomen jene Phase, die sich 10−33 bis 10−30 Sekunden nach dem Urknall ("Big Bang") ereignete, als der Raum binnen des Bruchteils einer Picosekunde um einen Faktor zwischen 1030 und 1050 expandierte und sich mit der Zehn-Billion-Billionenfachen Lichtgeschwindigkeit auf die Größe des heute beobachtbaren Universums hinausdehnte. Im Anschluss hieran setzte sich das Aufblähen des Raumes gemäß dem Standard-Urknall-Modell fort, wie in den Friedmann-Gleichungen postuliert.
Tatsächlich kollidiert die überlichtschnelle Expansion des Universums nicht mit der von Albert Einstein 1905 postulierten Speziellen Relativitätstheorie, da diese nur eine überlichtschnelle Bewegung im Raum verbietet. Der Raum selbst jedoch vermag sich überlichtschnell auszudehnen, weil er weder Information noch Masse besitzt.
Bis vor kurzem stützten allenfalls Indizien die Richtigkeit des Inflationsmodells. Doch als vor wenigen Tagen die Meldung über die Agenturen tickerte, wonach US-Forscher mit dem am Südpol gelegenen Bicep2-Teleskops in der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung Signaturen von Gravitationswellen gefunden haben, welche die Theorie der kosmischen Inflation beweisen, dürfte sich insbesondere Harold G. White gefreut haben.