Überraschende Wendung

Cyberpatrol-Hacker stimmen einer Einigung mit Mattel zu und übertragen das Copyright an ihrem Programm zur Umgehung der Verschlüsselung an das Unternehmen

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Eine unerwartete Wendung hat der Prozess gegen einen kanadischen und einen schwedischen Hacker genommen, die von Microsystems und Mattel beschuldigt wurden, ein durch Reverse Engineering hergestelltes Programm zur Umgehung der Verschlüsselung des Filterprogramms Censorware unter Verletzung des Copyright hergestellt und vertrieben zu haben.

Kurz vor Prozessbeginn haben sich, wie Wired berichtet, die beiden Hacker Matthew Skala und Eddy Jansson mit Mattel geeinigt, das Programm cphack, mit der sich die Sperren der Filtersoftware umgehen und die Liste der blockierten Seiten einsehen lässt, nicht mehr zu vertreiben. Überdies übergaben sie unentgeltlich die Urheberrechte an ihrer Software dem Unternehmen. Zudem akzeptierte offenbar Jansson eine Geldstrafe von 120000 Dollar, falls er das Veröffentlichungsverbot nicht einhalten sollte. Dafür zog Mattel die Klage gegen die beiden zurück.

Der Rechtsanwalt von Mattel, Irwin Schwartz, begrüßte die Einigung mit den beiden Hackern, weil sie zeige, dass es sich um eine Copyrightverletzung gehandelt habe. In den Lizenzbedingungen von Cyberpatrol ist nach amerikanischen Recht Reverse Engineering verboten, wogegen die Beschuldigten verstoßen hätten, wenn sie eine Kopie rechtmäßig erworben haben: "Das ist ein Fall von ein paar Menschen, die gegen das Copyright verstoßen haben. Als wir sie darauf aufmerksam gemacht haben, stimmten sie innerhalb einer Woche einer Einigung zu."

Der Fall hatte einiges Aufsehen erregt, da Kritiker ebenso wie die Angeklagten der Meinung waren, die Käufer des Filterprogramms und die Öffentlichkeit hätten das Recht zu wissen, welche Seiten vom Filterprogramm blockiert werden, wozu ein Reverse Engineeering und das Knacken der Verschlüsselung notwendig gewesen wäre. Nach Bekanntwerden der Klage wurde cphack aus Solidarität auf einigen Websites gespiegelt. Bei der ersten Anhörung vor zwei Wochen sprach der amerikanische Richter eine einstweilige Verfügung aus, die es den beiden Beklagten sowie den in Schweden bzw. Kanada ansässigen Providern verbietet, das Programm weiterhin zugänglich zu machen. Überdies untersagte er die Verbreitung des Programms auch allen anderen, die mit den Beschuldigten zusammen arbeiten (Cyberpatrol-Hack: Einstweilige Verfügung eines amerikanischen Richters).

Daraus zog Mattel die Berechtigung, sofort an alle amerikanischen, aber auch nicht in den USA ansässigen Betreibern von Websites, die cphack unter Verletzung des amerikanischen Copyright gespiegelt hatten, in einer Email eine Abmahnung zu schicken, und verlangte überdies, wie schon vom schwedischen Internetprovider, bei dem Janssen cphack auf seinen Seiten angeboten hatte, mitzuteilen, wie oft das Umgehungsprogramm und vom wem heruntergeladen wurde.

Aufgrund der einstweiligen Verfügung, die sich auch gegen die Betreiber von Websites richteten, die das Programm gespiegelt hatten, mischte sich schließlich die Bürgerrechtsorganisation ACLU ein, die in dem Verbot des Programms zur Umgehung der Verschlüsselung eine Einschränkung der Meinungsfreiheit sieht. Während Mattel argumentiert hatte, man würde einen nicht wieder gut zu machenden Schaden durch cphack erleiden, da die Filtersoftware ihren Zweck verliere, meinte ACLU, die Firma könne für die Benutzer ohne weiteres den Zugang zu den Seiten sperren, auf denen das Umgehungsprogramm angeboten wird. Überdies seien einige der Seiten im Ausland und daher außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des amerikanischen Gerichts. "Nach der Logik von Cyberpatrol würde ich das Gesetz verletzen", so Chris Hansen von ACLU, "wenn ich mir einen Ford Mustang gekauft hätte und dann unter die Kühlerhaube schauen würde." Das Unternehmen müsse der Öffentlichkeit zumindest mitteilen, welche Seiten vom Filterprogramm gesperrt werden, zumal man wisse, dass Filter oft fehlerhaft arbeiten.

Gestern wollte ACLU, unterstützt durch EPIC, diejenigen juristisch vertreten, die cphack gespiegelt hatten. ACLU wandte ein, dass es sich hier nicht um eine Copyrightverletzung handelt und dass das amerikanische Urheberrecht nicht im Ausland gültig sei. Überdies seien die von der einstweiligen Verfügung Betroffenen auch nicht direkt vorgeladen worden und würden nicht im Zuständigkeitsbereich des Gerichts leben. Beanstandet wird vor allem auch, dass Mattel eine Liste der Personen verlangt hatte, die Inhalte von öffentlichem Interesse von den Websites heruntergeladen haben, was gegen deren rechtmäßige Erwartung auf Anonymität verstoße.

Überrascht von der Einigung kurz vor der Anhörung, sprach sich Hansen von ACLU zwar nicht gegen diese aus, verlangte aber vom Richter Sicherheit auch für die von ihm Vertretenen, die vom Urteil ausgenommen werden sollten. Falls Mattel aufgrund des Erwerbs des Urheberrechts an cphack gegen diese vorgehen wolle, müsse das Unternehmen eine neue Klage stellen. Bis Mittwoch will der Richter entscheiden, ob die Mirrorseiten die Copyrightverletzung unterstützt haben.

Inzwischen hat Matthew Skala auf Slashdot bestätigt, ein Abkommen mit Mattel getroffen zu haben und das Copyright an das Unternehmen übergeben zu haben: "Ich habe mich mit dem Unternehmen geeignet, weil ich das, was ich wollte, erreicht habe und keine Kopfschmerzen bekommen will. Ich glaube, es ist nicht angemessen, das als "Gewinn" von Microsystems et al. zu bezeichnen. Das Dokument ist veröffentlicht, und ich wie, dass die Mirrorseiten es nicht ohne Kampf vom Netz nehmen werden ... nach dem Ausmaß der Verschwörungstheorie hier auf Slashdot hat überdies der Alptraum der Unternehmen für ihre öffentliche Darstellung erst begonnen." Der Rechtsstreit sei ein Testfall mit ungelösten Fragen auch für die kanadische Rechtssprechung gewesen. Angesichts der Tricks, die ein reiches multinationales Unternehmen anwenden könne, sei ihm das Risiko zu hoch gewesen, verurteilt zu werden: "Ich bin ein Mathematiker, kein Spieler. Ich kann mit meiner Zeit Besseres anfangen ." Wer ihm Feigheit vorwerfe, dem empfiehlt Skala, sich doch als besserer Hacker zu bewähren und selbst das zu tun, was er für richtig findet.