Ukraine, Gaza, Taiwan: Das US-Imperium in der (letzten?) Krise
Seite 2: Historischer Isolationismus der Republikaner
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Doch nun hat ein Teil der republikanischen (oder besser gesagt: trumpublikanischen) Partei in einem historisch bedeutsamen Schritt mit der parteiübergreifenden Außenpolitik gebrochen, die die amerikanische Weltmacht seit Beginn des Kalten Krieges gestützt hat.
Wochenlang hat sich das von den Republikanern geführte Repräsentantenhaus sogar wiederholt geweigert, Präsident Bidens jüngstes 60-Milliarden-Dollar-Hilfspaket für die Ukraine in Erwägung zu ziehen, was zu den jüngsten Rückschlägen Kiews auf dem Schlachtfeld beigetragen hat.
Der Bruch in der Republikanischen Partei beginnt mit ihrem Vorsitzenden. Nach Ansicht der ehemaligen Beraterin im Weißen Haus, Fiona Hill, war Donald Trump während "der inzwischen legendär desaströsen Pressekonferenz" in Helsinki 2018 so rücksichtsvoll gegenüber Wladimir Putin, dass Kritiker überzeugt waren, "der Kreml habe den US-Präsidenten in der Hand".
Aber das Problem geht viel tiefer. Wie der Kolumnist der New York Times, David Brooks, kürzlich feststellte, ist der schon historische "Isolationismus der Republikanischen Partei immer noch auf dem Vormarsch." In der Tat hat das Pew Research Center herausgefunden, dass zwischen März 2022 und Dezember 2023 der Prozentsatz der Republikaner, die der Meinung sind, die USA würden die Ukraine "zu sehr unterstützen", von lediglich neun Prozent auf enorme 48 Prozent gestiegen ist.
Angst vor imperialer Überlastung
Auf die Frage nach einer Erklärung für diesen Trend meint Brooks, dass "der Trumpsche Populismus einige sehr legitime Werte vertritt: die Angst vor einer imperialen Überlastung ... [und] die Notwendigkeit, die Löhne der Arbeiterklasse vor dem Druck der Globalisierung zu schützen."
Da Trump diesen tieferen Trend vertritt, hat seine Feindseligkeit gegenüber der Nato zusätzliche Bedeutung erlangt. Seine jüngste Äußerung, dass er Russland ermutigen würde, mit einem Nato-Verbündeten, der nicht seinen gerechten Anteil zahlt, "zu tun, was immer sie wollen", hat Schockwellen in ganz Europa ausgelöst und wichtige Verbündete dazu gezwungen, darüber nachzudenken, wie ein solches Bündnis ohne die Vereinigten Staaten aussehen würde (selbst als der russische Präsident Wladimir Putin, der zweifellos eine Schwächung der Entschlossenheit der USA spürte, Europa mit einem Atomkrieg drohte).
All das signalisiert der Welt, dass die globale Führungsrolle Washingtons alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.
Krise in Gaza
Genau wie in der Ukraine haben Jahrzehnte zögerlicher US-Führung, verstärkt durch eine zunehmend chaotische Innenpolitik, die Gaza-Krise außer Kontrolle geraten lassen. Am Ende des Kalten Krieges, als der Nahe Osten vorübergehend von der Politik der Großmächte losgelöst war, unterzeichneten Israel und die Palästinensische Befreiungsorganisation 1993 das Oslo-Abkommen.
Darin vereinbarten sie die Gründung der Palästinensischen Autonomiebehörde als ersten Schritt auf dem Weg zu einer Zweistaatenlösung. In den folgenden zwei Jahrzehnten gelang es den unwirksamen Initiativen Washingtons jedoch nicht, die festgefahrene Situation zwischen dieser Behörde und den aufeinander folgenden israelischen Regierungen zu überwinden, die jeden Fortschritt in Richtung einer solchen Lösung verhinderte.
Im Jahr 2005 beschloss Israels Hardliner-Premierminister Ariel Sharon, seine Verteidigungskräfte und 25 israelische Siedlungen aus dem Gazastreifen abzuziehen, um "Israels Sicherheit und internationalen Status" zu verbessern. Innerhalb von zwei Jahren übernahmen jedoch militante Hamas-Kämpfer die Macht im Gazastreifen und verdrängten die Palästinensische Autonomiebehörde unter Präsident Mahmoud Abbas.
Im Jahr 2009 begann der umstrittene Benjamin Netanjahu seine fast ununterbrochene 15-jährige Amtszeit als israelischer Premierminister und entdeckte bald den Nutzen der Unterstützung der Hamas als politische Folie, um die von ihm so verabscheute Zweistaatenlösung zu blockieren.
Es überrascht daher nicht, dass die Times of Israel am Tag nach dem tragischen Hamas-Anschlag vom 7. Oktober letzten Jahres diese Schlagzeile veröffentlichte: "Jahrelang hat Netanjahu die Hamas gestützt. Jetzt ist es uns um die Ohren geflogen." In ihrem Leitartikel berichtete die führende politische Korrespondentin Tal Schneider:
Jahrelang verfolgten die verschiedenen Regierungen unter Benjamin Netanjahu einen Ansatz, der die Macht zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland aufteilte – sie zwangen den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, in die Knie, während sie gleichzeitig Maßnahmen ergriffen, die die Terrorgruppe Hamas unterstützten.
Schulterschluss Bidens mit Netanjahu
Am 18. Oktober, als die israelische Bombardierung des Gazastreifens bereits schwere Opfer unter der palästinensischen Zivilbevölkerung forderte, flog Präsident Biden nach Tel Aviv zu einem Treffen mit Netanjahu, das auf unheimliche Weise an Trumps Pressekonferenz mit Putin in Helsinki erinnerte.
Nachdem Netanjahu den US-Präsidenten dafür lobte, "eine klare Linie zwischen den Kräften der Zivilisation und den Kräften der Barbarei" zu ziehen, bestätigte Biden diese manichäische Sichtweise, indem er die Hamas für "Übel und Gräueltaten verurteilte, die ISIS vernünftiger erscheinen lassen". Er versprach, Israel die benötigten Waffen zur Verfügung zu stellen, "um auf diese Angriffe zu reagieren". Biden sagte nichts über Netanjahus frühere Allianz mit der Hamas oder die Zweistaatenlösung.
Stattdessen legte das Weiße Haus unter Biden in der UNO Vetos gegen Waffenstillstandsvorschläge ein, während es auf dem Luftweg, neben einer Reihe von Waffen, auch 15.000 Bomben nach Israel transportierte, darunter die gewaltigen 900-Kilo-Bunkerbrecherbomben, die bald darauf die Hochhäuser des Gazastreifens in Schutt und Asche legten und immer mehr zivile Opfer forderten.
Nach fünf Monaten Waffenlieferungen an Israel, drei UN-Vetos gegen den Waffenstillstand und keiner Initiative, die Netanjahus Plan einer endlosen Besetzung des Gazastreifens im Gegensatz zu einer Zweistaatenlösung hätte stoppen können, hat Biden die diplomatische Führungsrolle der USA im Nahen Osten und in weiten Teilen der Welt beschädigt.
Im November und erneut im Februar gingen unter anderem in Berlin, London, Madrid, Mailand, Paris, Istanbul und Dakar riesige Menschenmengen für Frieden in Gaza auf die Straßen.
Effekt auf Innenpolitik und Wahlen
Darüber hinaus hat der unerbittliche Anstieg der Zahl ziviler Todesopfer im Gazastreifen auf weit über 30.000, darunter frappierend viele Kinder, Bidens innenpolitische Unterstützung bei Wählerschichten geschwächt, die für seinen Sieg im Jahr 2020 entscheidend waren – einschließlich der arabischen US-Amerikaner im wichtigen Swing State Michigan, der Afroamerikaner im ganzen Land und der jüngeren Wähler im Allgemeinen.
Um die Kluft zu verringern, bemüht sich Biden nun verzweifelt um einen Waffenstillstands-Deal. Er gab sogar Netanjahu, einem Verbündeten von Donald Trump, die überraschende Gelegenheit im Oktober für weiteren Verwüstungen in Gaza.
Auf schädigende Weise verband Biden damit internationale und Innenpolitik, was die Geschlossenheit der Demokraten aufbrechen und die Chancen auf einen Sieg von Trump im November erhöhen könnte – mit fatalen Folgen für die globale Macht der USA.
Ärger in der Meerenge von Taiwan
Während Washington mit Gaza und der Ukraine beschäftigt ist, steht es möglicherweise auch an der Schwelle zu einer ernsten Krise in der Meerenge von Taiwan. Beijings (Pekings) unerbittlicher Druck auf die Insel Taiwan hält unvermindert an.
Nach der schrittweisen Strategie, mit der es sich seit 2014 ein halbes Dutzend Militärstützpunkte im Südchinesischen Meer gesichert hat, ist Beijing dabei, Taiwans Souveränität langsam auszuhöhlen. Die Verletzungen des Luftraums der Insel haben von 400 im Jahr 2020 auf 1.700 im Jahr 2023 zugenommen.
Ebenso haben chinesische Kriegsschiffe die Mittellinie in der Straße von Taiwan seit August 2022 300 Mal überquert und sie damit faktisch ausgelöscht. Wie der Kommentator Ben Lewis warnte, "könnte es bald keine Linien mehr geben, die China überschreiten könnte".
Nachdem Beijing 1979 als "alleinige rechtmäßige Regierung Chinas" anerkannt worden war, stimmte Washington zu, Taiwan als Teil Chinas "anzuerkennen". Gleichzeitig verabschiedete der US-Kongress jedoch den "Taiwan Relations Act" von 1979, der vorschreibt, "dass sich die Vereinigten Staaten die Möglichkeit bewahren, sich jeglicher Gewaltanwendung zu widersetzen, die die Sicherheit der Bevölkerung Taiwans gefährden würde".
China könnte Taiwan "friedlich" lahmlegen
Diese von den USA insgesamt geteilte "Zweideutigkeit" gegenüber Taiwan schien bis Oktober 2022 tragfähig zu sein. Dann erklärte der chinesische Präsident Xi Jinping auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei, dass die "Wiedervereinigung verwirklicht werden muss".
Er weigerte sich, auf die "Anwendung von Gewalt" gegen Taiwan "zu verzichten". In einer fatalen Konfrontationsgeste erklärte Präsident Biden bereits im September 2022, dass die USA Taiwan verteidigen würden, "wenn es tatsächlich zu einem echten Angriff käme".
Doch Beijing könnte Taiwan auch ohne "Angriff" lahmlegen, indem es alle Grenzübertretungen auf dem Meer und in der Luft in eine Art "Zollquarantäne" stellen könnte, die alle nach Taiwan gehenden Güter mit friedlichen Mitteln auf das chinesische Festland umleitet.
Da die wichtigsten Häfen der Insel in Taipeh und Kaohsiung an der Straße von Taiwan liegen, würde jedes US-Kriegsschiff, das versucht, dieses Embargo zu durchbrechen, mit einem tödlichen Schwarm von Atom-U-Booten, Kampfjets und Anti-Schiff-Raketen konfrontiert werden.
Angesichts des nahezu sicheren Verlusts von zwei oder drei Flugzeugträgern würde sich die US-Marine wahrscheinlich zurückziehen, und Taiwan wäre gezwungen, die Bedingungen für seine Wiedervereinigung mit Beijing auszuhandeln.
Eine solche demütigende Kehrtwende würde ein klares Signal aussenden, dass die US-amerikanische Vorherrschaft im Pazifik nach 80 Jahren endgültig beendet ist. Es würde zugleich der globalen Hegemonie der USA einen weiteren schweren Schlag versetzen.
Die Summe von drei Krisen
Washington sieht sich nun mit drei komplexen globalen Krisen konfrontiert, die alle die ungeteilte Aufmerksamkeit der USA erfordern. Jede einzelne von ihnen würde selbst die Fähigkeiten des erfahrensten Diplomaten herausfordern.
Ihre Gleichzeitigkeit bringt die USA in die wenig beneidenswerte Lage, in allen drei Krisen auf einmal einen möglichen Rückschlag zu erleiden, während ihre Innenpolitik auf eine Ära des Chaos zuzusteuern droht. Die Protagonisten in Beijing, Moskau und Tel Aviv spielen mit der innenpolitischen Zerrissenheit der USA und haben alle Zeit (oder zumindest potenziell mehr als Washington) und hoffen auf einen automatischen Sieg, wenn die USA der Auseinandersetzungen müde werden.
Als Amtsinhaber muss US-Präsident Biden die Last jedes Umschwungs tragen, mit dem daraus resultierenden politischen Schaden im November.
In der Zwischenzeit könnte Donald Trump versuchen, solchen internationalen Verstrickungen und den damit verbundenen politischen Kosten zu entgehen, indem er den Isolationismus der Republikanischen Partei hervorholt, während er dafür sorgt, dass die ehemalige einzige Supermacht des Planeten Erde nach der Wahl 2024 aus den Fugen geraten könnte.
In einem solchen Fall würde die globale Hegemonie der USA in einer Welt, die eindeutig im Chaos versinkt, überraschend schnell dahinschwinden und bald nur noch eine ferne Erinnerung sein.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium TomDispatch. Hier finden Sie das englische Original. Übersetzung: David Goeßmann.
Alfred W. McCoy ist Professor für Geschichte an der Universität von Wisconsin-Madison und Autor von "In the Shadows of the American Century: The Rise and Decline of U.S. Global Power". Zu seinen früheren Büchern gehören: "Torture and Impunity: The U.S. Doctrine of Coercive Interrogation", "A Question of Torture: CIA Interrogation, from the Cold War to the War on Terror", "Policing America's Empire: The United States, the Philippines, and the Rise of the Surveillance State", und "The Politics of Heroin: Die Komplizenschaft der CIA im globalen Drogenhandel".