Ukraine-Krieg: In der Eskalationsspirale

Seite 2: Russland: "Alles geben, was die Armee verlangt"

Auf der anderen Seite des Atlantiks findet ebenfalls eine weitere Aufrüstung statt, so dass die USA/Ukraine und Russland weiter an der Eskalationsspirale drehen. Aus Moskau wird zwar gedroht, dass die Übergabe der Patriot-Systeme den Konflikt verschärfen und der Ukraine nicht gut tun wird.

Aber vermutlich geht Washington davon aus, dass Russland, was die Nato betrifft, bei Drohungen bleibt und höchstens die Bombardierung der Ukraine verstärken wird, die weit entfernt von den USA ist.

Der russische Präsident besuchte mit seinem Verteidigungsminister Shoigu und dem Stabschef Geramisov gestern eine Ausstellung von Waffen und militärischer Ausrüstung im Nationalen Verteidigungskontrollzentrum besucht und dann eine Rede vor dem erweiterten Beirat des russischen Verteidigungsministeriums gehalten.

Es sei bekannt, sagte er, "dass das militärische Potenzial und die militärischen Kapazitäten fast aller großen Nato-Staaten gegen Russland eingesetzt werden", Verteidigungsminister Shoigu sprach von den "kollektiven Streitkräften des Westens". Er dankte den Soldaten, die "für Russland kämpfen" und bezeichnete sie als Helden wie diejenigen im Krieg von 1812, im Ersten Weltkrieg oder im Großen Vaterländischen Krieg. Die eigentlich heruntergeredete "militärische Spezialoperation" wird damit hoch gehängt als Krieg zwischen Russland und dem Westen.

Das Militär habe ebenso wie in Syrien in der Ukraine Einsatzerfahrung gewonnen und daraus gelernt. Es gehe darum, die militärischen Fähigkeiten und Waffen weiter zu verbessern. Er versprach, dass es keine finanziellen Beschränkungen geben werde. Die Streitkräfte würden alles erhalten, was sie benötigen – und alles würde vom Besten und neu sein.

Insbesondere – wohl ein Wink an den Westen – würde die Kampfbereitschaft der nuklearen Triade verbessert werden: "Sie ist die wichtigste Garantie dafür, dass unsere Souveränität und territoriale Integrität, die strategische Parität und das allgemeine Gleichgewicht der Kräfte in der Welt erhalten bleiben."

Das muss natürlich auch als Warnung gesehen werden, dass Russland nicht nur eine Atommacht ist, sondern auch Atomwaffen einsetzen würde. Man werde weiter mit Avangard-Hyperschall-Atomsprengköpfe aufrüsten, Sarmat-Hyperschall-Interkontinentalraketen würden demnächst, ab Januar Zircon-Überschallraketen auf Kriegsschiffen einsatzbereit sein. Ein Schwergewicht sollen Kampfdrohnen und die geschützte Kommunikation werden. Das habe man aus dem Ukraine-Krieg gelernt.

Putin räumte Fehler bei der Mobilisierung ein, sprach aber weiterhin davon, dass 300.000 Soldaten eingezogen wurden. Shoigu kündigte keine weitere Mobilisierung an, aber eine Anhebung der Personalstärke der Streitkräfte um 350.000 auf 1,5 Millionen Soldaten. Putin erklärte, es sei schon immer das Ziel der "strategischen Gegner" Russlands gewesen, das Land zu zersplittern.

Russland wollte Teil der "sogenannten zivilisierten Welt" sein, aber die "geopolitischen Konkurrenten" hätten versucht, Russland den Garaus zu machen und die neue Russische Föderation zu zerreißen, selbst mit Einsatz des internationalen Terrorismus.

Dann kam er auf den "Staatsstreich" 2014 in der Ukraine zu sprechen, der die Versuche, "brüderliche Beziehungen" mit einer gemeinsamen Kultur und Geschichte aufzubauen, zerstört habe: "Wir haben immer – Sie kennen meine Position – das ukrainische Volk als brüderliches Volk betrachtet, und ich denke immer noch so. Was passiert, ist natürlich eine Tragödie, unsere gemeinsame Tragödie. Aber es ist nicht das Ergebnis unserer Politik, sondern im Gegenteil das Ergebnis der Politik anderer Länder, dritter Länder, die immer danach gestrebt haben, die russische Welt aufzulösen." Die Ukrainer seien einer "Gehirnwäsche" durch "extrem nationalistische Ideologien" unterzogen worden.

Putin will den Krieg als unvermeidlich hinstellen, als Gegenthese zur Nato-Behauptung, dass der russische Angriffskrieg nicht provoziert gewesen sei. Die Invasion soll präventiv Schlimmeres verhindert haben: "Es war schon damals offensichtlich, dass ein Zusammenstoß mit diesen Kräften, auch in der Ukraine, unvermeidlich war, die einzige Frage war, wann es passieren würde. Und natürlich sind Militäraktionen immer mit Tragödien und Verlusten von Menschen verbunden, wir verstehen das sehr gut, wir sind uns dessen bewusst. Aber da es unvermeidlich ist, ist heute besser als morgen."

Er versicherte, dass die Aufrüstung Russlands und der Krieg Russland und der russischen Wirtschaft oder der Gesellschaft nicht schaden werde. Nur die anderen Staaten würden darunter leiden. Man könne alles aus eigener Kraft entwickeln, versprach er den Russen.

Ob die ihm mehrheitlich weiter vertrauen werden, ist allerdings fraglich. Klar ist hingegen, dass Russland unter Putin den Krieg gegen die Ukraine als Krieg gegen den Westen mit aller Entschlossenheit fortsetzen wird, wenn das Volk bzw. die Eliten mitspielen.

So steuern also die USA mit ihrem Satelliten der Ukraine auf einen unvorhersehbaren Crash mit Russland zu – und alle schauen zu oder mischen mit. Ein Dritter Weltkrieg wird aber nicht wie der Erste oder der Zweite sein, jetzt sind die Atomwaffen mit im Spiel, die bislang nur die USA unnötig am Ende des Zweiten Weltkriegs zum Test einsetzten.

Es könnte viele Hiroshimas und Nagasakis geben. Ist das das Risiko wert, auf diplomatische Verhandlungen verzichten zu wollen, um einen Sieg – einen russischen oder einen ukrainisch-westlichen – zu erringen?

Der Beitrag entstand in Kooperation mit Overton-Magazin.