Ukraine-Krieg: Russische Armee bombardiert großflächig im Hinterland
Am Boden stocken die Truppenbewegungen in der Ukraine. Unterdessen leidet die Zivilbevölkerung unter umfangreichen Luftangriffen. Auch ukrainische Gegenangriffe auf russisches Staatsgebiet nehmen zu.
Die Vormärsche der Kriegsparteien am Boden in der Ostukraine machen mehr und mehr den Eindruck, eher der jeweils eigenen Kampfmoral als einem größeren strategischen Schritt nach vorne zu dienen. So rennen russische Truppen nun schon seit Wochen gegen die ukrainische Stadt Bachmut an, die inzwischen laut Videoaufnahmen weitgehend in Trümmern liegt.
Wegen der vorherigen Rückzüge rechnen Experten nicht damit, dass die Stadt im Fall einer Eroberung als Ausgangspunkt für einen entscheidenden Vorstoß ins tiefe ukrainische Hinterland genutzt werden kann.
Die Ukrainer tun es den Russen gleich und setzten mehr oder weniger symbolisch auf das linke Ufer des Stromes Dnjepr über, das sonst russisch kontrolliert wird. Auf einer dem Ufer vorgelagerten Insel wurde eine ukrainische Fahne gehisst, danach brachen die Nachrichten über die "Eroberung" ab, sodass sie nur von kurzer Dauer gewesen sein dürfte.
Russisches Militär greift wieder Infrastruktur an
Längerfristige Schlagzeilen machten hingegen gestern umfassende russische Angriffe auf die zivile Infrastruktur im ukrainischen Hinterland. Die ukrainische Seite spricht dabei von 70 gestarteten Raketen, von denen man 60 abschießen konnte, die russische Seite bezeichnete die Luftangriffe dagegen als Erfolg, bei dem alle Ziele vernichtet worden seien.
Bestätigt sind vier Tote und ein Strom- und Wasserversorgungsausfall in der Hafenstadt Odessa, sowie Stromausfälle in zwei anderen ukrainischen Großstädten. Die Raketen waren von Schiffen und Bombenflugzeugen aus gestartet worden. Aus Kiew wurde berichtet, dass die Zivilbevölkerung in der örtlichen Metro Schutz gesucht habe.
Erneut landete dabei eine Rakete außerhalb des ukrainischen Gebiets. Das Innenministerium vom Moldawien berichtete von Raketenteilen, die auf eigenem Staatsgebiet eingeschlagen seien. Verletzt wurde niemand. Vermutet wird, dass es sich um eine ukrainische Luftabwehrrakete vom Typ S-300 handelte.
Ukrainer beschießen Flugplatz an der Wolga
Auch ukrainische Luftangriffe auf originär russisches Staatsgebiet erreichten in den letzten Tagen eine neue Qualität. Bisher betrafen sie stets Grenzgebiete wie die Regionen Belgorod oder heute zuletzt Kursk. Gestern gab es erstmals einen Drohnenangriff auf einen Militärflugplatz in Engels in der Region Saratov an der Wolga
Der Treffer, von dem sich Videoaufnahmen schnell verbreiteten, fand damit 650 Kilometer hinter der russisch-ukrainischen Grenze auf russischem Gebiet statt.
Zwei Kampfflugzeuge wurden nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums beschädigt. Eine derartige Ausweitung der Kampfzone ist nicht im Sinne der westlichen Verbündeten der Ukrainer. Wie das Wall Street Journal berichtete, modifizierten die Amerikaner sogar die an Kiew gelieferten Himars-Raketensysteme, so dass sie für den Abschluss von Langstreckenraketen tief nach Russland hinein nicht tauglich sind.
Die Motivation der Ukrainer bei diesen Angriffen ist, dass die Bomber, mit denen die Russen ukrainische Infrastruktur angreifen, inzwischen oft weit im eigenen Hinterland starten, um Gegenangriffe auf sie zu erschweren. Beim Angriff an der Wolga wurde laut örtlichen Quellen keine zivile Infrastruktur getroffen.
Beschuss durch die Ukrainer auf zivile Ziele in Donezk im Rebellengebiet wurde von russischen, regierungsnahen Medien gemeldet. Da in Russland die Kriegsunterstützung seit der Teilmobilmachung stark zurückgegangen ist und nach Angaben des Levada-Zentrums für Meinungsforschung die Mehrheit der Russen einen baldigen Friedensschluss befürwortet, werden Angriffe auf Russland selbst intensiv für regierungsnahe Propaganda genutzt.