Ukraine-Krieg: Russische Grenzregion unter Feuer
Nach russischen Angriffen auf zivile Ziele wurde in Belgorod ein ziviles Hochhaus beschossen. Aktuell meldet keine Seite größere Eroberungen. Einige junge Russen sind offenbar ohne nennenswerte Ausbildung an der Front.
In den letzten Tagen hat keine Partei im Ukraine-Krieg größere Gebietsgewinne vermeldet. Ob es sich hierbei um das Ende oder nur eine Pause der zuletzt sehr erfolgreichen ukrainischen Offensiven handelt, ist Gegenstand vieler Spekulationen. Fest steht, dass die russische Seite die Gefahr einer Fortsetzung sieht, da umfangreiche Schanzanlagen gebaut werden, um die Front zu halten. Auch bat der kollaborierende Verwaltungschef der russisch besetzten Region Cherson, Wolodymyr Saldo, um Evakuierungen, was auf die Erwartung weiterer Angriffe in der Region durch die Ukrainer schließen lässt.
Mobilisierte Russen ohne Ausbildung an der Front
Inwiefern die russische Mobilmachung eine Stärkung der Kampfkraft bringt, ist weiter umstritten. Belegt ist dabei die Tatsache, dass viele Mobilisierte ohne ausreichende Ausbildung sehr schnell an die Front geschickt werden. Der russischsprachige Dienst der BBC berichtet beispielsweise von fünf Männern aus der Uralregion Tscheljabinsk, die erst Ende September eingezogen wurden und die mittlerweile auch nach offiziellen Quellen gefallen sind.
Im Mitschnitt eines Gesprächs aus dem Krankenhaus Sewastopol spricht ein Freund der Mobilisierten von einem sofortigen Fronteinsatz ohne Ausbildung – wie der eigene Mörser zu bedienen sei, hätten die Soldaten aus einer Gebrauchsanweisung erfahren.
Dieser Bericht deckt sich mit russischen Quellen. So wird der Tod der fünf Mobilisierten aus Tscheljabinsk an sich auch von der regierungsnahen russischen Nachrichtenagentur Tass bestätigt, ohne die Details der BBC, aber mit der Ankündigung einer Entschädigung für die Hinterbliebenen. Auch gibt es ähnliche Geschichten aus anderen russischen Städten. Etwa einen Artikel der St. Petersburger Onlinezeitung Bumaga, die von einem nierenkranken 28-Jährigen berichtet, der nicht nur eingezogen, sondern auch sofort an die Front geschickt wurde.
Beschuss der russischen Grenzregion Belgorod verstärkt sich
Schlagzeilen machte in dieser Woche mehrfach die russische Grenzregion Belgorod, die direkt neben dem von den Ukrainern zurückeroberten Gebiet Charkiw liegt. Seit die Ukrainer dort die Invasoren bis zur Grenze vertrieben haben, mehren sich Meldungen über Beschuss auch auf russisches Gebiet. Der Zugverkehr wurde in einigen Gegenden wegen Raketenbeschuss eingestellt, ein Munitionsdepot in der Region getroffen, in einem Grenzdorf weiterhin eine Schule.
Sehr viele Berichte gab es über den Beschuss eines zivilen Hochhauses in der Stadt Belgorod selbst, der auch auf Video festgehalten wurde. Diesen lasten russische Medien den ukrainischen Streitkräften an, während etwa proukrainische Quellen von einer fehlgeleiteten russischen Rakete sprechen.
Ein Indiz für einen ukrainischen Ursprung ist eine Aussage des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba, die während eines Fake-Anrufs zweier regierungsnaher russischer Komiker fiel, die sich als US-Botschafter in Russland ausgaben. Kuleba meinte, dass wenn auf der Krim oder in Belgorod etwas "in die Luft gejagt wird", man davon ausgehen könne, dass "wir es gewesen sind".
Festzuhalten ist jedoch, dass der mutmaßlich ukrainische Beschuss eine Antwort auf russische Angriffe ist, die sich auch vom Gebiet Belgorod gegen die benachbarten ukrainischen Provinzen richten. Auch die russischen Angriffe hatten sich zuletzt nach dem Anschlag auf die Krim-Brücke verstärkt auf zivile Ziele und Infrastruktur gerichtet. Auch am gestrigen Donnerstag wurde in allen Regionen der Ukraine Luftalarm ausgelöst.