Ukraine-Krieg: Russische Luftangriffe als Vorbote der entscheidenden Konfrontation?

Seite 2: Erfolge der ukrainischen Armee

Aber auch die Ukraine hat ihre Langstrecken-Angriffsmöglichkeiten stark ausgebaut. Forbes berichtet, dass es den ukrainischen Streitkräften gelungen ist, nicht weniger als 15 verschiedene Typen von Langstreckendrohnen in den Dienst zu stellen.

In der Vergangenheit wurde an dieser Stelle die Einschätzung weitergegeben, dass es für die ukrainische Industrie sehr schwierig sein würde, unter den Augen der russischen Angreifer eine leistungsfähige Waffen- und Drohnenindustrie aufzubauen.

Das scheint der Ukraine aber in den vergangenen Wochen und Monaten tatsächlich gelungen zu sein, die Einschätzung des Autors an dieser Stelle war also falsch. Tatsächlich gelingt es der Ukraine nicht nur, fast täglich Einrichtungen der russischen Ölindustrie zu treffen, vielmehr hat auch die FPV-Produktion ein für die russischen Fronttruppen bedrohliches Ausmaß angenommen, wie auf mehreren russischen Telegram-Kanälen berichtet wird.

Das erschwert den russischen Vormarsch deutlich und macht den Mangel an Artilleriemunition auf ukrainischer Seite zumindest in Teilen wett.

Mit Langstreckendrohnen nimmt die ukrainische Führung seit Wochen die Raffineriekapazitäten der russischen Ölindustrie ins Visier. Die durch die ukrainischen Drohnen zerstörten Raffinerie-Anlagen sind von Russland nur schwer zu ersetzen.

Laut Bloomberg konnte die ukrainische Drohnenkampagne bereits bis zu 14 Prozent der russischen Raffinerie-Kapazitäten vom Netz nehmen.

Die Wirkung auf Russland

Das scheint aber bislang die militärischen Fähigkeiten der russischen Streitkräfte nicht spürbar zu schmälern. Und die Angriffe schmälern auch bislang nicht die Einkünfte Russlands durch das Ölgeschäft.

Es hat den Eindruck, dass dies sogar zumindest zwischenzeitlichen ökonomischen Paradoxon führt, da die Einnahmen des russischen Staates über die Ölexporte nach den ukrainischen Angriffen auf die russische Ölinfrastruktur sogar noch steigen.

Die Überlegungen der strategischen Führungsebene der Ukraine waren sicher, dass ein fortgesetzter Angriff auf russische Raffinerien die Kraftstoffzuteilungen an das russische Militär einschränken würde. Ob das bisher gelungen ist, bleibt offen. Einiges spricht dagegen.

Denn selbst wenn tatsächlich 14 Prozent aller Raffinerie-Kapazitäten ausgeschaltet worden sind, reichen die Restkapazitäten, um weiter genug Betriebsstoff für die russische Armee bereitstellen zu können.

Der Westen würde zuverlässig eine Betriebsstoffknappheit in Russland erkennen können, denn als erstes würden die Kraftstoffzuteilung für zivile Anwender in Russland rationiert werden. Von einer Rationierung von Benzin für private PKWs in Russland ist aber nichts bekannt.

Einen selbstschädigenden Effekt hat die ukrainische Luftkampagne gegen die russische Ölindustrie dagegen im Hinblick auf die Exporterlöse Russlands: Obwohl die russischen Ölexporte fast ausschließlich aus Rohöl bestehen und so von der ukrainischen Luftkampagne gegen die russischen Raffinerie-Kapazitäten eigentlich nicht betroffen sind, reagiert der globale Ölmarkt nervös.

Der Ölpreis ist verhältnismäßig stark gestiegen, seit Beginn der ukrainischen Angriffe auf die russische Ölindustrie um satte 15 Prozent.

Gleichzeitig gelingt es Russland, den Export von Rohöl über seine westlichen Häfen um 10 Prozent zu steigern. Marktteilnehmer gehen von einer weiteren Steigerung der russischen Ölexporte aus.

Die Führung der USA ist besonders wegen der in diesem Jahr anstehenden Präsidentenwahlen aufgrund des Ölpreisanstieges besorgt – und hat deshalb die ukrainische Führung gebeten, die Angriffe auf die russische Energieinfrastruktur einzustellen (siehe Financial Times).

Ein Abnutzungskrieg

Der Ukraine-Krieg ist ein Abnutzungskrieg. Es zählt die Addition der beigebrachten Schäden. So ist es Ukraine zwar gelungen, trotz äußerst widriger Umstände eine eigene Flotte von Langstreckendrohnen aufzubauen und sie zum Einsatz zu bringen. Doch trotz deren operativer Erfolge haben die ukrainischen Angriffe auf russischen Boden noch nichts Signifikantes für den Kriegsverlauf erreicht.

Augenblicklich zeitigen sie sogar einen gegenteiligen Effekt, indem über nur schwer vorhersehbare Marktmechanismen die Einkünfte Russland aus dem Ölgeschäft gestiegen sind.

Dem steht gegenüber, dass die Intensität der russischen Angriffe auf die Infrastruktur der Ukraine steigt. Sollten sie fortgeführt werden, so steht für die ukrainische Führung zu befürchten, dass es zunehmend schwieriger wird, die Kampfkraft der Verteidiger auch nur zu regenerieren, geschweige denn zu steigern.

Die Ukraine muss durch die russische Luftkampagne schwere Schläge hinnehmen. Noch steht sie aufrecht im Krieg gegen die russische Armee, wieweit reicht die Kraft zum Weiterkämpfen?

Die hier zusammengestellten Informationen speisen sich aus folgenden OSINT-Quellen: Weeb Union, Military Summary Channel, Suriyakmap, Deepstatemap, Remilind23, HistoryLegends, simplicius76, Militaryland, Red Fish Bubble 2.1 (geschlossene Gruppe).