Ukraine-Krieg: Vogelperspektive gegen Ameisenperspektive
Seite 2: "Manchmal muss es erst richtig hochgehen …"
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Die Politikwissenschaftlerin Florence Gaub gab Wagenknecht recht, Russland werde im Westen falsch eingeschätzt. Zugleich variierte sie an dem Abend mehrfach das Argument, Wagenknechts Position sei primär "naiv" und "ein bisschen zu einfach".
Es gehe eben nicht darum, den Krieg zu deeskalieren, sondern darum, den Konflikt zu beenden.
Jeder kennt das, der sich schon mal mit seinem Vater gestritten hat: Manchmal muss es erst richtig hochgehen, bis die andere Seite bereit ist einzuschränken.
Florence Gaub
Statistisch gesehen hätten die erfolgreichsten Friedensverhandlungen dann stattgefunden, "wenn der schwächste Akteur gewisse Erfolge hat". Als Beispiel nannte sie Ägypten im Jom-Kippur-Krieg 1973 und die Bosnier im Jugoslawienkrieg.
Wagenknechts humanitäre Perspektive sei demgegenüber "eine Ameisenperspektive". Man müsse aber "die Vogelperspektive behalten", sagte Daub, ohne die Metapher genauer zu erklären.
Nicht fehlen durfte erwartbar auch das bekannte Argument, es sei "paternalistisch", die Ukraine zu Verhandlungen zu drängen.
Die Ukraine möchte kämpfen.
Florence Gaub
Worauf Wagenknecht dagegenhielt: "Wir haben eine Mitverantwortung. Die jungen Männer, die dort sterben, die entscheiden das doch nicht!"
"Die Polen werden mit Sicherheit nicht aufhören, Waffen zu liefern"
Vor allem geht es jenen, die zu Verhandlungen drängen, genau genommen nicht so sehr darum, die Ukraine in ihrem Handeln zu beeinflussen. Sondern es geht darum, für die eigene Politik bestimmte rote Linien zu definieren und zu halten.
Das wurde deutlich, als Daub auf Wagenknechts Forderung, man solle die Waffenlieferungen stoppen, erwiderte:
Die Polen werden mit Sicherheit nicht aufhören, Waffen zu liefern.
Florence Gaub
Genau das ist der Punkt: Die polnische Regierung tut, was sie für richtig hält und für das Interesse Polens. Vielleicht muss sich der Westen fragen, ob die Osterweiterung der Nato auf das Gebiet einer Nachkriegs-Restukraine wirklich mehr in seinem Interesse liegt als eine Stabilisierung der Nato-Ostflanke durch eine dauerhafte Verständigung mit Russland.
Gerade die von Daub erstrebte Vogelperspektive könnte diesen Schluss ergeben.