Ukraine-Vermittler Bennett über die Friedensblockade des Westens
- Ukraine-Vermittler Bennett über die Friedensblockade des Westens
- Hat der Westen die diplomatischen Verhandlungen gestoppt?
- Auf einer Seite lesen
"Sie haben es blockiert", sagt der israelische Ex-Premier Bennett über westliche Verbündete. Er versuchte nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs zu vermitteln. Warum es trotz Bereitschaft von Kiew und Moskau nicht zum Waffenstillstand kam.
Der damalige israelische Premierminister Naftali Bennett arbeitete in den ersten Wochen nach der russischen Invasion in der Ukraine an Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau. In dieser Zeit führte er intensive Gespräche hinter den Kulissen. Sein Ziel war ein Waffenstillstandsabkommen.
Dieses sei damals, so Bennett, in greifbarer Nähe gewesen, beide Seiten wären zu erheblichen Zugeständnissen bereit gewesen. Doch vor allem Großbritannien und die USA hätten den Prozess beendet und auf eine Fortsetzung des Krieges gesetzt. Das sagt der ehemalige Premier Israels zum ersten Mal in einem Videointerview über den Ablauf und das Ende der Verhandlungen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe ihn, Bennett, nach Ausbruch des Krieges gebeten, Wladimir Putin zu kontaktieren. So stehe es auch in den Protokollen. In der damaligen Phase des Krieges, als die russische Armee vor Kiew stand, habe Selenskyj um sein Überleben gefürchtet.
Bennett habe anschließend mit US-Präsident Joe Biden gesprochen und gesagt, er könne eine "Pipeline" für den Kontakt zum Kreml sein. Es folgte eine Reihe von Telefongesprächen sowohl mit dem russischen Präsidenten als auch mit Selenskyj. Entwürfe für zentrale Punkte eines Waffenstillstandes wurden ausgetauscht.
Am 5. März 2022 flog Bennett dann auf Einladung Putins in einem privaten, vom israelischen Geheimdienst bereitgestellten Jet nach Moskau. In dem Gespräch im Kreml habe Putin, so Bennett, einige substantielle Zugeständnisse gemacht, insbesondere habe er auf sein ursprüngliches Kriegsziel einer Demilitarisierung der Ukraine verzichtet.
Bennett fragte Putin, ob er vorhabe, Selenskyj zu töten. Putin sicherte ihm ausdrücklich zu, dies nicht zu tun. Auf seiner Rückfahrt rief Bennett Selenskyj an und teilte ihm das Ergebnis mit.
Der ukrainische Präsident erklärte sich im Gegenzug bereit, auf einen Nato-Beitritt zu verzichten – eine Position, die er kurze Zeit später auch öffentlich wiederholte. Damit war eines der entscheidenden Hindernisse für einen Waffenstillstand aus dem Weg geräumt.
Auch andere Themen wie die Zukunft des Donbass und der Krim sowie Sicherheitsgarantien für die Ukraine seien in diesen Tagen Gegenstand von intensiven Gesprächen gewesen. Bennett wörtlich: "Ich hatte damals den Eindruck, dass beide Seiten großes Interesse an einem Waffenstillstand hatten."
Bennett flog daraufhin zunächst nach Deutschland, um mit Bundeskanzler Scholz zu sprechen, anschließend unterrichtete er den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, den britischen Premier Boris Johnson sowie die amerikanische Regierung.
Johnson habe damals die "aggressive" Position vertreten, dass "man Putin weiter bekämpfen muss", wogegen Scholz und Macron eher pragmatisch eingestellt waren. In der US-Regierung seien beide Positionen vertreten gewesen.
In den folgenden Tagen habe es weitere intensive Diplomatie mit den Kriegsparteien gegeben. Bennett habe seine Bemühungen dabei "bis ins kleinste Detail mit den USA, Deutschland und Frankreich abgestimmt".
Auf die Frage, ob die westlichen Verbündeten die Initiative letztlich blockiert hätten, antwortete Bennett: "Im Grunde genommen, ja. Sie haben es blockiert, und ich dachte, sie hätten Unrecht."
Sein Fazit: "Ich behaupte, dass es eine gute Chance auf einen Waffenstillstand gab, wenn sie ihn nicht verhindert hätten." Ob die Entscheidung des Westens, den Verhandlungsprozess zu beenden, langfristig richtig sei, könne er nicht beurteilen.