Ukraine und Krim: Eine schicksalhafte Trennungsgeschichte
Der Jahrestag der Annexion der Krim steht bevor. Zeit für einen Rückblick, denn der Konflikt reicht bis ins Jahr 1991 zurück. Wieso die Krim leicht von den Russen übernommen werden konnte.
In wenigen Tagen jährt sich zum neunten Mal, dass die Halbinsel Krim der Russischen Föderation angegliedert wurde. Am 6. März 2014 beschloss das neu eingesetzte Regionalparlament den Anschluss. Gleichzeitig wurde für den 16. März ein Referendum angesetzt, bei dem die Bevölkerung der Krim darüber entscheiden sollte.
Damit kam ein Konflikt zum Ende, der nicht erst durch die Anwesenheit russischer Soldaten ohne Hoheitszeichen ausgelöst wurde. Die zeitliche Nähe des Erscheinens der "grünen Männchen" und des Referendums, weisen auf einen Zusammenhang hin – die Ursachen des Konflikts weisen allerdings länger zurück.
Am 22. Februar 2014 hatte der russische Präsident Wladimir Putin die Weisung gegeben, die Krim "zu sichern". Das war der Tag, an dem der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch durch einen Putsch aus dem Amt befördert wurde, den einige Nato-Staaten unterstützten.
Dann ging es schnell: Am Morgen des 28. Februar 2014 blockierten rund 300 Soldaten den Flughafen Belbek bei Sewastopol. Andere besetzten alles strategischen Objekte und Einrichtungen der Infrastruktur auf der Krim. Knapp zwei Wochen später fand dann das Referendum statt, dessen Ergebnis von den europäischen und von den Nato-Staaten nicht anerkannt wurde.
Bei der Übernahme der Krim ging es nicht nur um die Menschen oder die Halbinsel, sondern um Geopolitik. Darauf hatte auch Jeffrey D. Sachs, Professor an der Columbia University, hingewiesen. Ohne die Krim könnte Russland "seine Macht im östlichen Mittelmeerraum, im Nahen Osten und weltweit" nicht behaupten.
Das Streben der Krim nach Unabhängigkeit von der Ukraine
Dass die Krimbevölkerung ohne nennenswerten Widerstand die Seiten wechselte, hat seinen Grund: Die Ukraine war nie ein kulturell homogener Staat. Die Menschen auf der Krim waren mehrheitlich russischsprachig und es zog sie seit dem Untergang der Sowjetunion im Jahr 1991 zu Russland hin.
Ihre Autonomie erhielt sie noch vor der Auflösung der Sowjetunion. Am 12. Februar 1991 erhielt sie im Ergebnis einer Volksabstimmung den Status einer "Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik". Nach dem Zerfall der Sowjetunion bestand sie als autonomer Teil der neuen Ukraine fort.
Im Februar 1992 benannte der "Oberste Sowjet" der Krim das Staatsgebilde um in: Republik Krim. Anfang Mai verabschiedete er eine Verfassung, in der die Krim als Teil der Ukraine bezeichnet wurde.
Einen Tag später erklärte allerdings der Oberste Sowjet die Republik Krim für unabhängig. Sie verfügte über ein eigenes Wappen und eine eigene Flagge. Im Januar 1994 wurden eigene Präsidentenwahlen abgehalten, bei welcher der Politiker Juri Meschkow gewann, der auf lange Sicht eine Wiedervereinigung mit Russland anstrebte.
Damit begann der Konflikt mit der ukrainischen Regierung in Kiew. Sie erklärte die Präsidentenwahl auf der Krim für ungültig und illegal. Als das Regionalparlament wenige Monate später gewählt wurde, gewann allerdings der "Russische Block" von Meschkow die Mehrheit.
Gleichzeitig wurde auch ein Referendum für mehr Unabhängigkeit abgehalten. Rund 90 Prozent der Krimbevölkerung sprach sich dafür aus. Doch der ukrainische Präsident Leonid Krawtschuk erklärte auch dieses Referendum für ungültig.
Am 20. Mai 1994 beschloss das Krim-Parlament, die Beziehungen zur Ukraine so zu regeln wie zwischen zwei souveränen Staaten. Einen Tag später forderte das Parlament der Ukraine, die Werchowna Rada, dass alle Beschlüsse seitens der Krim zurückgenommen werden müssten. Es forderte die Unterordnung der Krim unter die ukrainische Gesetzgebung und drohte mit dem Entzug der Autonomie.
In der Folge verlor der Präsident der Republik Krim seine Befugnisse. Die Konflikte zwischen Kiew und den Bürgern der Krim waren damit aber nicht gebannt. Immer wieder tauchte die Frage der Staatszugehörigkeit der Krim in den Debatten um die Flottenstationierung auf.
Bei der Präsidentenwahl im Jahr 2004 wählten 82 Prozent der Krim-Bürger den russlandfreundlichen Viktor Janukowitsch. Doch sein Konkurrent Viktor Juschtschenko war allerdings erfolgreich, und er begann dann sofort damit, das Personal sämtlicher Verwaltungsbehörden auf der Krim auszutauschen.
Gegenbewegung zum Maidan
Sechs Jahre später gewann Viktor Janukowitsch die Präsidentenwahl gegen die Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Auf der Krim hatten ihn 79 Prozent der Bürger unterstützt.
Die Autonomie- und Sezessionsbestrebungen seien auf der Krim traditionell stark ausgeprägt gewesen, als die Maidan-Bewegung in Kiew zum Sturz von Janukowitsch aufrief, schreiben Ralf Rudolph und Uwe Markus in ihrem Buch "Die Rettung der Krim".
Als auf dem Maidan "Selbstverteidigungseinheiten" gebildet wurden, wurden auf der Krim regierungstreue Volksmilizen ins Leben gerufen. Nachdem die Lage in Kiew weiterhin instabil geblieben war, gewannen auch die Sezessionsbestrebungen neuen Schwung.
Der Sewastopoler Koordinierungsrat, heißt es in dem Buch, sei mit einer Initiative an die Öffentlichkeit getreten: Demnach sollte ein föderaler Staat Kleinrussland geschaffen werden, der die Krim und den Südosten der Ukraine umfassen sollte. Er sollte zwar weiterhin Teil der Ukraine sein, aber den Status einer Autonomen Republik erhalten – und gute Beziehungen zu Russland pflegen dürfen.
Nachdem Janukowitsch seines Amtes erhoben wurde, nahm das Verhängnis seinen Lauf. Auf der Krim beharrte man auf der verfassungsgemäßen Ordnung, die es vor dem Maidan-Putsch gab. Gleichzeitig drohten nationalistische Kräfte in Kiew damit, die neue Ordnung auf der Krim mit Gewalt durchzusetzen.
Dass sich der Konflikt im Laufe der Zeit immer mehr verschärfte und kein Kompromiss mehr möglich war, hatte auch mit dem Drängen von Nato-Staaten zu tun. Sie wollten die russische Flotte von der Krim verdrängen und die Halbinsel als eigenen Stützpunkt nutzen. In dem Buch heißt es:
Ab Ende Mai 2014 sollte die Halbinsel eine zentrale Operationsbasis des westlichen Militärbündnisses werden. Für die schnelle Übernahme der Krim und der militärischen Infrastruktur brauchte man zusätzliche Gebäude, in denen man Stäbe, Kommunikationseinrichtungen, Vorratslager und Truppen unterbringen konnte. Mit der an die Macht geputschten Kiewer Regierung war das alles abgestimmt […]
Eine entsprechende Ausschreibung der US-Marine für Arbeiten in Sewastopol wurde am 5. September 2013 veröffentlicht.
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